Übersteigertes Helfersyndrom - Wann fängt es an zu nerven?
Ich habe schon seit jeher das Gefühl, dass ich jedem helfen will und auch helfen muss. Aber irgendwann habe ich mir dann auch gesagt, dass es zu viel wird und ich es nicht jedem Recht machen kann. Das hat aber lange Jahre gedauert, bis ich auf die Idee kam, dass nicht ich immer helfen muss, sondern, dass ich auch mal Hilfe benötige. Also habe ich dann doch versucht die Hilfe zu anderen einzuschränken. Ich war immer für alle da. Mich konnte man mitten in der Nacht anrufen. Ich habe meine Kühltruhe geplündert, wenn meine Freundin, die auch 2 kleine Kinder hatte, kein Geld mehr hatte um Essen zu kaufen und dass, obwohl ich selber alleinerziehend war. Ich habe fremden Leuten geholfen, wenn ich gesehen habe, dass es ihnen nicht gut geht.
Ich gehe immer noch mit offenen Augen durch die Welt und helfe auch, wenn ich es kann. Aber mir ist es eben auch irgendwann zu viel geworden und ich habe dann die Hilfe doch ein wenig eingeschränkt, weil ich Grenzen gesehen habe, die ich nicht mehr (für mich) überschreiten wollte. Denn mittlerweile bin ich in einem Alter, wo auch ich mal Hilfe brauche. Ich opfer mich nicht mehr selbst auf und sehe, wann ich helfen kann und wann nicht.
Habt ihr auch ein Helfersyndrom? Wann hat es bei euch zu nerven angefangen oder opfert ihr euch für andere Leute immer noch auf? Wie sieht eure Hilfe zu anderen Menschen aus? Inwieweit stellt ihr eure eigenen Bedürfnisse zurück, wenn euer Helfersyndrom zum Vorschein kommt?
Das Helfersyndrom kann tatsächlich als eine Erkrankung bezeichnet werden und die kann von einem entsprechendem Arzt auch diagnostiziert werden. Man sollte auch klar unterscheiden, ob jemand nur einfach hilfsbereit ist, oder wirklich dieses psychische Problem hat. Ob du nun wirklich das Helfersyndrom hattest, kann ich natürlich nicht einschätzen und das steht mir auch nicht zu.
Ich helfe auch, wenn ich es kann. Ich kenne auch Personen, die das definitiv nicht in der Form machen würden, ich kenne aber auch Menschen, die noch hilfsbereiter sind als ich es bin und vermutlich jemals sein werde. Ich bin auch der Meinung, dass man nicht jedem helfen kann und irgendwo muss man mal eine Grenze ziehen, damit man sich nicht selber kaputt macht. Ich möchte mir auch nicht mehr die einzelnen Probleme von jedem anhören - das macht einem auch kaputt, wenn man sich noch mit den Problemen anderer beschäftigen muss (zu den eigenen dazu).
Ich habe heute noch manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich jemandem sagen muss oder will, dass ich ihm nicht helfen kann. Ich wurde früher öfter gefragt, ob ich zum Beispiel mal X nach Y fahre oder so - aber ich bin kein Taxi und mein Tank füllt sich auch nicht von allein. Und wenn es nicht auf dem Weg liegt oder man mir Geld gibt fällt das eben einfach flach. Dummerweise versteht das auch nicht jeder.
Ich habe so etwas nicht, meine Mutter aber. Das regt mich schon ziemlich auf, weil sie sich immer in alles reinhängt und sich für andere quasi "opfert" und dann ihr ganzes Leben danach richtet. Vor allem lässt sie sich dann auch schnell ausnutzen und die Leute tun einfach nur hilfebedürftig und das finde ich echt mies und nervig. Vor allem geht es manchmal auch so weit, dass sie mich dann auch in ihre "Hilfe" mit einspannen will, das regt mich dann auch auf.
Ich helfe eigentlich nur, wenn ich denke, dass die Person nichts dazu kann, aber ansonsten ist mir das zu blöd, wenn jemand selbst Schuld an seinem "Unglück" ist, dann möchte ich da nicht noch helfen und ich würde mich dabei auch niemals selbst vergessen.
Interessant, dass das jetzt von dir kommt Diamante, das Helfersyndrom passt zu meiner Vorstellung von dir. Ich plage mich damit selbst nicht herum, was nicht heißt, dass ich für meine Leute nicht da bin, nur biete ich mich nicht an, sondern warte eher ab und versuche erst herauszufinden, was überhaupt gewollt ist. Manchmal ist tatkräftige Hilfe weniger gewünscht, als einfach zuzuhören und da zu sein. Manchen Leuten muss man vielleicht erst einmal Perspektiven eröffnen, die sie selbst nicht sehen und ihnen Zeit zum denken geben. Die kommen dann von allein. Mir ist es wichtig, dabei verlässlich zu sein. Wenn ich sage, ich helfe beim Umzug, dann bin ich an diesem Tag auch zu 99,7% da. Außerdem sollte man dabei ehrlich sein. Ich sage von Anfang an, was ich leisten kann und was nicht.
Leute mit einem ausgeprägten Helfersyndrom werden eigentlich dann unangenehm, wenn sie sich selbst mit ihren Bemühungen in den Mittelpunkt stellen. Wenn nicht die Hilfe an sich wichtig ist, sondern die Tatsache, dass sie sich einbringen. Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umschaue, gibt es da eine Person, die um den Helfens Willen immer am Start ist. Leider übernimmt diese Person sich immer wieder total, weil sie sich damit terminlich und mental total verzettelt und auch noch versucht andere Personen in den Hilfeprozess einzubinden. Das blöde ist dann, dass sie zwar dann erscheint, aber dabei soviel Stress und Genervtheit ausstrahlt, dass sich das unangenehm auf die Gesamtsituation auswirkt und man sich am Ende unglaublich tief in ihrer Schuld fühlt. Das führt mittlerweile leider dazu, dass man sie einfach nicht mehr fragt oder ihr bestimmte Dinge verschweigt.
Ich habe auch das Problem, dass ich meine eigenen Bedürfnisse oft zurückstelle. Als meine Kinder noch klein waren, habe ich oft andere Kinder da gehabt, wenn deren Eltern etwas erledigen mussten. Manche Dinge sind selbstverständlich, dass ich zum Beispiel Kinder aufnehme, wenn deren Mutter im Krankenhaus ein neues Kind erwartet und er Vater dabei sein möchte, das würde jeder machen. Mir haben Leute aber auch oft Kinder vorbeigebracht, wenn sie in die Stadt zum Einkaufen wollten. Ich konnte dann nicht nein sagen, auch wenn ich von einer schlaflosen Nacht ziemlich gereizt war. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Bedürfnisse der anderen wichtiger oder nachvollziehbarer sind als meine, die ich oft gar nicht artikulieren konnte. Wenn die gegenseitigen Hilfestellungen ausgeglichen sind, ist es okay. Ich hatte donnerstags nachmittags nach der Schule immer einen Freund meines Sohnes da, dessen Mutter donnerstags lange arbeiten musste. Dafür hat sie mir am Vorabend das Mittagessen für den nächsten Tag vorbeigebracht, das ist eine ausgeglichene Angelegenheit.
Aber ich kannte eine andere Mutter, die mir monatelang immer mindestens einmal die Woche ihre Tochter zum Basteln und im Dreck Spielen vorbeigebracht hat, obwohl mein Sohn schon lange nicht mehr mit ihr befreundet war. Sie hatte einen sehr ordentlichen Haushalt, ihre Tochter war aber kreativ und verursachte ihr wohl zu viel Schmutz. Irgendwann war es mir zu viel, ich saß dann stundenlang mit dem Mädchen da (mein Sohn spielte Lego) und bastelte mit ihr. Irgendwann fing ich dann an, Ausreden zu erfinden, bis die Mutter es dann Gott sei Dank weggezogen ist. Aber ich ärgere mich heute, dass ich es ihr nicht direkt gesagt habe.
Eines Tages hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ein Kind von mir ist abends so krank geworden, dass ich mit ihm ins Krankenhaus wollte. Ich dachte mir, dass ich in diesem Notfall eine Bekannte anrufe, die ihren einizigen Sohn schon öfters bei mir untergebracht hatte, weil sie alleine irgendetwas unternehmen wollte, und sie bitte, ob meine anderen Kinder ausnahmsweise bei ihr unterkommen könnten, evtl. auch über Nacht. Ich war sehr enttäuscht, als sie klipp und klar sagte, dass das heute ganz ungünstig sei, weil ihre Schwiegermutter morgen zu Besuch käme und da müsse sie noch aufräumen. Seitdem überlege ich genau, wem ich wann helfe und wäge ab.
Andererseits habe ich eine Arbeitskollegin, die uns ihre Hilfe dauernd aufdrängt und sich permanent entschuldigt, dass sie die Türe nicht aufgehalten hat, dass sie nicht daran gedacht hat, uns aus der Kantine etwas mitzubringen (obwohl wir vorher gar nicht da waren), sie hört schuldbewusst auf zu kopieren, wenn jemand auch kopieren möchte, und lässt ihn vor. Das ist schon ziemlich nervig. Sie meldet sich auch immer freiwillig für unangenehme Tätigkeiten wie Protokoll schreiben usw., so dass man langsam ein schlechtes Gewissen bekommt. Das ist dann auch nicht schön.
Ich denke auch, dass es bei mir so ist, dass ich ein sogenanntes Helfersyndrom habe. Ich selbst kann es auch nicht sehen, wenn andere Leute, oder Freunde von mir, leiden oder eben dringend Hilfe brauchen. Vor allem bei meinen guten Freunden bin ich dann immer sehr schnell zur Stelle und tue was ich kann, damit es ihnen wieder besser geht.
Aber wie auch bei dir, ist es so, dass ich mich selbst dadurch manchmal vernachlässige. Das ist dann nicht so gut und es ist dann oftmals so, dass ich dann keine Hausaufgaben mache, nicht lerne oder eben auch kaum noch Freizeit habe, weil ich eben sehr viel Zeit damit verbringe, die Leute dann zu trösten und wieder aufzubauen. Ich versuche auch, so gut es geht, gute Ratschläge zu geben, damit die Leute sich auch selbst helfen können.
Ich denke aber, dass man sich dort nicht zu sehr hineinsteigern sollte. Wie du schon gesagt hast, und wie ich es auch geschrieben habe, ist es so, dass man dabei oft sich selbst vernachlässigt und dann mehr an sich denkt als an andere Menschen. Das ist dann auf Dauer nicht so gut und ich denke, dass man sich hier wirklich einschränken sollte. Auf Dauer sollte man also nur den Leuten helfen, die einem nahe stehen und auch nur denen, die wirklich ein ernstes Problem haben. Wenn diese Leute grade Komplexe haben, weil sie einen dicken Pickel mitten im Gesicht haben, dann müssen auch sie mal lernen damit alleine zurecht zu kommen.
Ja ich glaube, ich habe dieses Helfersyndrom auch. Ich musste auch unbedingt Krankenschwester werden, weil ich unglücklich bin, wenn gerade niemand meine Hilfe braucht oder wenn ich nicht an andere rankomme, um zu helfen, wo ich doch sehe, dass sie Hilfe benötigen. Also lernte ich diesen Beruf und da habe ich jeden Tag genügend Leute, bei denen ich mich "austoben" kann. Sobald ich Urlaub, also mehr als nur ein Wochenende frei habe und mit mir alleine dasitze, drehe ich durch. Ich fühle mich dann nutzlos und völlig deplatziert und leer. Ich weiß dann nicht, was ich auf der Welt soll. Erst, wenn ich wieder arbeiten gehen kann oder wenn doch mal jemand im Freundeskreis Hilfe braucht, erst dann lebe ich wieder auf.
Das strengt mich ganz schön an, muss ich sagen. Ich würde gerne einfach mal meine Freizeit genießen und tun, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, aber entweder ich investiere alle Zeit in andere Leute oder ich grüble, was ich soll auf Erden, wenn gerade "nicht zu tun" ist.
Ich hänge mich auch immer wieder emotional an Menschen bei denen ich mitbekomme, dass sie ganz besonders in einer misslichen Lage sind. Für diese Leute bin ich dann auch 24 Stunden am Tag erreichbar, setze alles in Bewegung, um immer zu der Zeit Zeit zu haben, wenn die Zeit haben, damit ich für sie da sein kann wann immer sie mich auch brauchen könnten.
Das hat es wirklich schon gegeben, dass ich nachts halb zwei erschrocken aufgewacht bin, weil mein Handy klingelte und ein damals sehr von mir geliebter Mensch mal wieder damit drohte, sich zu erhängen. Ich war damals 15 Jahre alt und sie war über 50. Nur für sie ließ ich mein Handy immer an - seitdem ist es immer an. Ich wäre damals auch für den Fall eines Falles Kilometer weit durch das größte erzgebirgische Schneetreiben mitten in der Nacht gestiefelt, wenn sie sich nicht hätte beruhigen lassen.
Schlimm wird es dann für mich, wenn es den Leuten dann irgendwann nach viel Seelen-Arbeit wieder gut geht und wenn ich denke: jetzt hast du sie ein Stück weit für dich gewonnen, jetzt brauchen sie dich immer zumindest ein bisschen und wenn sie dann trotz aller Erwartungen nichts dergleichen tun und mich plötzlich doch nicht mehr brauchen. Ich komme immer nicht damit klar - außer auf Arbeit natürlich - wenn die Leute, denen ich Tage oder Wochen lang meine ganze Aufmerksamkeit gewidmet habe, wenn die dann wieder ganz in ihr Leben zurückgehen mit voller Kraft und mich zurücklassen und mich ganz offensichtlich nicht mehr brauchen bis zur nächsten Katastrophe.
Ich falle dann direkt mal in ein tiefes Loch, ich stehe dann auf einmal da mit leeren Händen, ohne Aufgabe, ohne das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich fühle mich dann leer und stehe irgendwie auf einmal im Dunkeln. Ich gehe dann zurück in meinen Alltag und merke was ich da angerichtet habe, weil ich mich die ganze Zeit im Leben dieses anderen Menschen herumgetrieben habe. Ich sehe dann, wie ich andere Freunde vernachlässigt habe, die nicht so viel Hilfe gebraucht haben die ganze Zeit, ich sehe dann meine vernachlässigte Wohnung, meinen leeren Kühlschrank, meine ganzen Zettelwirtschaften, meine unerledigten Dinge wie wichtige Anrufe, Arzttermine, Hausaufgaben und anderes.
Dann falle ich noch eine Stufe tiefer, weil ich keinen Elan und keine Kraft mehr habe, das sofort in Ordnung zu bringen. Dann bin ich Tage lang stark betrübt und antriebsgemindert und dann irgendwann fange ich dann endlich an, wieder auf die Beine zu kommen, was sehr mühsam ist. Einfacher ist es, wenn dann wieder jemand dazwischen kommt, der Hilfe braucht. Dann bin ich mir nichts, dir nichts wieder abgelenkt und ganz euphorisch.
Ich will nicht, dass es anderen schlecht geht, man verstehe mich bitte nicht falsch, aber ich muss helfen, weil ich gebraucht werden will. Sonst geht es mir schlecht. Es ist wie ein Zwang, wie eine Sucht.
Es macht mir auch nichts aus in solchen Momenten, die schnelles Handeln von mir verlangen, etwas anderes wegzulassen. Ich kann dann sofort meinen Kinobesuch, meine Shoppingtour, meine Feier, meine Nichten absagen und vermisse dann auch nichts. Ich kann sofort sagen: ach für diese Arbeit lerne ich nicht, mein Freund braucht mich jetzt mehr. Dann bin ich selig und die Konsequenzen machen mir dann auch nichts bis zu dem Moment, wo ich wieder alleine dastehe.
Ich wünschte, es gäbe Menschen, die sich helfen lassen und dann trotzdem bleiben und einem immer wieder sagen: ich brauche dich, auch wenn es mir gut geht. Leider habe ich so jemanden nicht und noch nie gehabt im Leben. Aber ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass besonders "er" doch noch irgendwann sieht, dass ich in jeder Lebenslage da sein werde.
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