Ist ein Praktikum nach langer Berufsabstinenz sinnvoll?
Angenommen, man ist trotz Arbeitssuche ziemlich lang aus seinem erlernten Beruf draußen und die fehlende Berufserfahrung wird bemängelt, kann da ein Praktikum wirklich so sinnvoll sein? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man dann wirklich ein Jobangebot erhält? Man könnte es sicherlich auf einen Versuch ankommen lassen, auch die Erfahrung, die man dabei sammelt, mag unbezahlbar sein, aber führt ein Praktikum wirklich zu einer Anstellung mit einem Gehalt, von dem man dann leben kann?
Würde ein Praktikum sich auch anbieten, wenn man in einem fremden Bereich, der jedoch mit dem Ausbildungsberuf oder auch mit dem früher ausgeübtem Beruf zu tun hat? Es geht konkret darum, dass ich einen sozialen Beruf erlernt habe, aber eher im Elementarbereich gearbeitet habe und dann mit eher jüngeren Schulkindern. Jedoch reizt mich auch mal das Kennenlernen von Heimarbeit beziehungsweise sogar von einem Internat, womit ich maximal in der Theorie etwas zu tun hatte. Ich könnte natürlich direkt vor Ort anfragen, aber erst möchte ich doch die Erfahrungen anderer wissen. Hat jemand von Euch einen Job nach einem freiwillig gesuchtem und ausgeführtem Praktikum erhalten?
Ich halte ein Praktikum in erster Linie aus persönlicher Sicht durchaus für sinnvoll. Bei mir ist es so, dass ich aufgrund meiner Karenz etwa drei Monate lang aus dem Berufsleben mehr oder weniger draußen war und zum Großteil eigentlich auch noch bin. Davor habe ich mit schwer erziehbaren Jugendlichen gearbeitet. Zu dieser Arbeit kam ich mehr oder weniger Schritt für Schritt. Zunächst hatte ich Kontakt zu Schülern durch mein Lehramtstudium, dann habe ich das Schulpraktikum gemacht, danach habe ich im Ausland an einem Gymnasium unterrichtet und dann bin ich eben in einem Institut mit Schulabgängern und "Problemfällen" gelandet.
Ich habe dort unheimlich viel gelernt - vor allem an Erfahrung und ich bin da auch langsam hinein gewachsen. Zunächst habe ich mehr oder weniger auch nur als Begleittrainerin gearbeitet, nach einiger Zeit war es für mich überhaupt kein Problem mehr, auch eine größere Gruppe alleine zu führen und da habe ich anderen Trainern dann beim Einstieg geholfen.
Dann war aber eben die dreijährige Pause. Ich habe zwar auch während der Karenz immer wieder gearbeitet, aber das war in erster Linie Heimarbeit und ich hatte kaum bis keinen Kontakt zu Schülern. Meine Arbeit bestand darin, dass ich diverse Schulprojekte in der Theorie entwickelt habe. Ein größeres Projekt ging dann dem Ende zu. Es war ein Outdoorprojekt und da ich eben auch Outdoortrainerin bin, hat mich das natürlich auch persönlich total interessiert. Als das Projekt dann fertig war, hat mich eine Arbeitskollegin gefragt, ob ich nicht einen Vormittag mit ihr so eine Gruppe leiten möchte.
Ich habe das dann angenommen. Der Vormittag hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, aber ich habe sehr stark bemerkt, dass ich total aus der Übung gewesen bin. Auch Unsicherheit spielte natürlich eine Rolle, auch wenn ich eigentlich das Gefühl hatte, dass ich das gut verbergen kann und die Schüler davon nichts merken würden. Dabei hätte mir in der Theorie mehr als nur klar sein müssen, dass das nicht so wirklich geht. Da passieren dann Reaktionen, wie zum Beispiel, dass ich als Einleitung zu einer Übung nur gesagt habe, dass sie sich ein gemütliches Plätzchen suchen sollen. Weiter bin ich dann gar nicht mehr gekommen mit meinen Erklärungen, weil dieser Satz war wie ein Zündholzeffekt. Wusch, sind alle in alle Richtungen davon gelaufen.
Und ich habe es kaum geschafft, die Truppe wieder zu einem Haufen zusammen zu trommeln. Vor meiner Karenz wäre das überhaupt kein Problem für mich gewesen. Zum Glück war meine Freundin da, die nicht aus der Übung ist und sie hat mir dann geholfen. Ist nun nichts Dramatisches passiert, aber ich wollte damit als Beispiel zeigen, dass es durchaus auch aus persönlicher Sicht Sinn macht, ein Praktikum nach längerer Besuchspause zu machen. Insbesondere, da du ja geschrieben hast, dass du auch mit Schülern arbeitest.
Bei mir ist es nun so, dass ich nun nicht direkt den Weg eines Praktikums wähle, aber ich möchte auch den langsamen Weg zurück zu den Schülern wählen. Ich arbeite weiterhin in erster Linie von zu Hause aus an diversen Projekten. Möchte aber selber, dass ich andere Trainer bei diversen Projekten in den Schulen zunächst einmal als Co-Coach nur begleite. Einfach um selber wieder hinein zu kommen. Da das bezahlt ist, ist es kein Praktikum in dem Sinn, aber es ist zumindest von der Tätigkeit her mit einem Praktikum zu vergleichen.
Persönlich wirst du also mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Praktikum profitieren, zumindest wenn du es selber für dich nutzt und es nicht nur mehr oder weniger "absitzt". Dann bringt ein Praktikum in der Regel nicht viel. Inwiefern du danach schneller einen Job bekommst, ist wieder eine andere Sache. Schaden wird es definitiv nicht. Eine garantierte Eintrittskarte ist es aber sicher auch nicht.
Ein Praktikum ist meiner Erfahrung nach selten von einem wirklichen Jobangebot gefolgert. Dennoch ist ein Praktikum immer sinnvoll. Man kann sich nach einem Praktikum ein Empfehlungsschreiben ausstellen lassen, das klar belegt wie man gearbeitet hat, und was man leisten kann. Das zeigt einem potentiellen Arbeitgeber das man zwar recht lange aus seinem Beruf heraus ist, aber dennoch noch genau weiß, was man macht, und wie der Job eigentlich zu erledigen ist. Idealerweise kann man hier auch persönliche Eigenschaften herausarbeiten, wie besondere Kundenfreundlichkeit, hohes Ordnungsempfinden, klare Pünktlichkeit und sowas.
Gerade in einem 2 bis 4 wöchigen Praktikum kann man sehr gut glänzen. Man muss sich ja auch nur eine kurze Zeit am Riemen reißen, und erreicht so sehr schnell mehrfache gute Minizeugnisse. Hat man 2 oder 3 dieser Praktika Zeugnisse vorzuweisen kann man durchaus damit rechnen das diese Zeugnisse bei der Jobsuche helfen können. Vor allem vermitteln diese das man Arbeitswillig und Arbeitsfähig ist.
Ich denke also ein Praktikum ist immer sinnvoll, aber lediglich in einer anderen Weise als eingangs vielleicht erwartet. Ich jedenfalls habe von zahlreichen Praktika niemals etwas wirkliches mitgenommen außer das man gerne als Arbeitssklave verheizt wird, und man nach Strich und Faden belogen wird, wenn man ein Praktika anbietet.
Meine beste Erfahrung war eine Bewerbung für eine Führungsposition in einem Lacklabor. Hier war ein Leiter für die Entwicklungsabteilung gesucht worden. Zwar nicht mein Fachgebiet, aber Chemie ist immer meine Aufgabe gewesen. So habe ich mich darauf eingelassen. Das Jobangebot kam von einer Bekannten, die eine Zeitarbeitsfirma hat. diese plante eine Zusammenarbeit mit dieser Firma, und wollte dort ein eigenes Büro aufmachen. Mir hatte man diese Stelle angeboten, weil ich über verschiedenste Empfehlungen dort bekannt war. Meine Leistung war mehr als perfekt. Ich brauchte genau einen halben Tag um eingearbeitet zu werden, und nach 2 Tagen habe ich bereits komplett alleine gearbeitet. Die Stelle war von mir perfekt besetzt, und ich habe sogar innerhalb dieses Praktikums einiges optimiert. Kurzum man hätte sich kaum einen besseren für die Stelle suchen können, ich hatte alles im Griff. Auch wenn ich nur Praktikant war habe ich die Abteilungsleitung bereits fast selbstständig übernommen, und wurde auch von den Kollegen schnell als Fachkraft anerkannt. Natürlich habe ich keinem auf die Nase gebunden das ich nicht vom Fach war, aber das musste ja auch keiner wissen. Ich habe verdammt schnell gelernt, und habe mich selbst mit dem Betriebsleiter in der zweiten Woche schon geduzt, es war sein Angebot.
Das Ende vom Lied war die Tatsache das derjenige der die Stelle, die angeblich offen war, lediglich krank war. Er kam nach 2 1/2 Wochen zurück, und ich konnte wieder gehen. Ein Jobangebot für mich war lediglich ein Vorwand jemanden zu finden, der sich mal eine Zeit lang der A.... aufreißt, und die Stelle besetzt. In dieser Zeit habe ich mehr als 40 Lacke entwickelt, Rezepte optimiert, und neue Kunden gesichert. Der Dank war nicht einmal ein feuchter Händedruck, oder ein danke, nur ein Tritt in meinen Allerwertesten. Das hat meine Einstellung in Beziehung auf Arbeit doch stark verändert.
Die Zeitarbeitsfirma die mich dorthin geschickt hatte, vor allem die Inhaberin dieser Firma hatte mich für diese zeit auch gefördert, und die durften sich ganz schön was von mir anhören. Die Zusammenarbeit mit diesem Lackhersteller wurde daraufhin abgebrochen, ob weiteres passiert ist weiß ich nicht, ich habe zu dieser Bekannten keinen Kontakt mehr aufgrund meines leicht verärgerten, und vor allem recht ausfallenden beschwerens. Ich damals abgegangen wie ein Kietz-Zuhälter auf Tillidin, nur weniger brutal.
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