Risiko - Oder doch lieber die "sichere" Schiene?
Ich studiere auf einer Musikhochschule Popularmusikdesign, arbeite ständig an und mit meinen Bands, als Lehrer, usw. Hatte allerdings letztens eine sehr Interessante Disskusion mit Freunden von mir. Die beiden studieren BWL und VWL, also das genaue Gegenteil von mir und sind der Meinung, dass künstlerische Berufe, ohne Genug Vitamin B von Anfang an, sowieso nichts werden können!
Und, dass, selbst WENN man es schaffen sollte als Künstler, heutzutage nicht mehr genug dabei rausspringt, da durch das WEB 2.0, es allen Künstlern (oder sich so sehenden), möglich ist, sich selbst zu vermarkten. Die Musikindustrie stürzt ab, die großen Label kaufen sich gegenseitig auf, es ist ein Fresse und Gefressen werden. Sie sind der Meinung, ein "Richtiger" Beruf wäre immernoch die perfekter Lösung. Allerdings war ich in ganz und garnicht ihrer Meinung!
Gerade in unserer finanziell unsicheren Lage, würde ich doch eher behaupten, dass ein künstlerischer Beruf, der nicht von einem "Arbeitgeber" (welcher Bankrott gehen kann), seine Bezahlung bekommt, sondern von Eltern, die möchten, dass Ihre Kinder Musikunterricht beziehen, oder von Veranstaltern, die eine Cover-Band brauchen, einen viel sicheren Boden hat! Meinungen?
Dich wird meine Meinung sicherlich auch nicht erfreuen, aber wenn ich ehrlich bin, dann sehe ich es heutzutage auch eher so, wie deine beiden Freunde. Ich würde eigentlich auch eher die Meinung vertreten, dass man vielleicht mit einem "wirklichen" Beruf, den man erlernt hat, in dieser Zeit vielleicht mehr erreichen kann, als jemand der sich auf dem künstlerischen Wege begibt. Zwar wird ein abgeschlossenes Studium im künstlerischen Bereich auch einiges wert sein, aber ich selbst wüsste jetzt nicht, was man in einem konventionellen Beruf damit anfangen könnte.
Wie du selbst schon sagtest, kann sich heute eigentlich jeder über Facebook, Youtube und Co. selbst vermarkten. Niemand braucht heute mehr ein besonderes Talent um als "Künstler" angesehen zu werden, viele dieser Künstler sind zwar Eintagsfliegen, aber viele schaffen es auch eben sich damit langfristig in Szene zu setzen, ohne jemals irgendwie Kunst studiert haben zu müssen oder ähnliches. Meiner Meinung nach sollte man daher wirklich erst mal einen sicheren Beruf erlernen, der einem in jedem Fall Geld einbringen könnte und wird und das mit der Kunst (Ich interessiere mich zum Beispiel auch für Kunst, tue dies aber nicht beruflich) würde ich vielleicht auf einer anderen Schiene als Hobby laufen lassen, aus dem vielleicht irgendwann auch mal mehr werden könnte.
Ich kann nur eines sagen. Bezüglich der Zukunft ist nur eines sicher, nämlich dass die Zukunft unsicher ist.
Solche "Bedarfsprognosen" gehen doch fast immer in die "Hose". Ein gutes Beispiel ist die Nachfrage nach Lehrern. Da wird mal ein Lehrermangel prognostiziert und tatsächlich gibt es dann eine "Lehrerschwemme". Anschließend werden düstere Prognosen für diesen Beruf veröffentlicht und tatsächlich gibt es dann einige Jahre danach wieder einen Mangel.
Genauso sehe ich das bezüglich der Musikindustrie. Grundsätzlich ist ein großer Bedarf an "Musik" da. Die Musikindustrie hat sich in den 80er und 90er Jahren deswegen eine "goldene Nase" verdient. Seit dem Internet weht der Branche Gegenwind ins Gesicht und die Zukunftsprognosen sind eher düster. Der Bedarf an (neuer) Musik ist aber nach wie vor da. Vielleicht ist dann auch hier die Entwicklung anders als man denkt. Grundsätzlich glaube ich, dass man mit einem antizyklischen Verhalten zumeist gut fährt. Und wenn das nun einmal der Traumberuf ist, sollte man diesen Traum auch realisieren.
Ich habe mich für eine Beamtenlaufbahn entschieden und ich würde grundsätzlich schon behaupten, dass diese ganz schön sicher ist. Deswegen habe ich mich ja auch nur für diese Laufbahn entschieden. Ich wollte ganz einfach eine gewisse berufliche Sicherheit haben in meinem Leben und ich denke, dass ich mit meinem angestrebten Beruf auch eine ganz gute Aussicht darauf haben werde.
Wenn alle so denken würden wie ich wäre es aber ziemlich blöd, denn es braucht auch Musiker und Künstler auf dieser Welt. Man braucht sie alle, die mehr oder weniger guten Alleinunterhalter und auch die professionellen und erfolgreichen Musiker. Wenn man es erst einmal geschafft hat, dann kann man sich sicherlich auch einen einigermaßen soliden Kapitalvorrat aufbauen, sodass man zumindest für eine Zeit lang keine existenziellen Nöte haben wird. Wenn man aber keine großen Durchbruch schaffen wird, dann wird man als freischaffender Künstler unter Umständen immer in eher bescheidenen Verhältnissen leben, wenn man dies überhaupt schafft.
Das gute an einem Musiker ist, dass er eben auch als Musiklehrer arbeiten kann und sich damit neben der Musik, die er spielt, sicherlich auch ein zweites Standbein aufbauen kann. Und vielleicht geht es dann ja doch auch gleich komplett in die Richtung einer Musikschule. Das ist eine Tätigkeit, welche ich schon als einigermaßen sicher einstufen würde, wenn sie einmal ordentlich aufgezogen worden ist.
Grundsätzlich bin aber auch ich eher der Meinung, dass die künstlerischen berufe nicht unbedingt die sichersten sind. Aber ich kenne auch eine ganze Menge recht guter Absolventen der VWL, welche keinen Arbeitsplatz haben finden können nach dem Abschluss ihres Studiums. Es gibt einfach zu viele Leute, die das studieren. Am sichersten sind die Berufe, von denen bekannt ist dass es seit Jahren nur verhältnismäßig wenige Menschen gibt die in diesem Beruf arbeiten und in denen ein gewisser Bedarf absehbar ist, zum Beispiel ganz einfach weil der Nachwuchs fehlt und es viele ältere Arbeiter in dieser Sparte gibt, die schon dem Rentenalter zusteuern.
Ich bin auch eher der bodenständige Typ von Mensch und gehe lieber auf Nummer sicher anstatt auf Risiko zu setzen. Viele Dinge sind in der heutigen Zeit eben anders geworden. Früher kannte ich viele Kinder, die zur Musikschule gegangen sind. Heute gibt es zwar auch viele Kinder, aber das sind, zumindest hier, alles JeKi-Kinder, deren Musikunterricht gefördert wird. Sobald die staatliche Förderung aufhört, hört zu 90% auch der Unterricht auf.
Inwieweit demnächst für Veranstaltungen noch Bands gebucht werden, kann ich auch absolut nicht einschätzen. Aber auch hier gibt es mittlerweile mit Sicherheit einige Bands, die das selbst in die Hand nehmen. Ich kenne auch eine Musikschule, die ihr eigenes Tonstudio hat. Also auch hier gibt es keinen Austausch zwischen verschiedenen Positionen.
Ich würde aber auch nicht gerade BWL oder VWL studieren wollen. Das machen einfach zu viele. Ich würde schon etwas studieren, was nicht jeder studiert, wo man also gute Aussichten hat. BWL oder VWL erscheinen mir eben aufgrund der hohen Studentenzahlen auch keine allzu sicheren Aussichten zu haben.
Ich finde deinen Weg ganz und gar nicht unrealistisch. Scheinbar machst du ja bereits jetzt recht viel in diesem Bereich und verfügst über diverse Kontakte. Die sind natürlich wichtig, denn gerade wer freiberuflich arbeitet, braucht auch Referenzen. Das was du aufgezählt hast, zähle ich alles durchaus zu Vitamin B. Letztendlich kann aus jedem Schüler, jedem Bandkollegen und jedem Musikbekannten jemand werden, der später gerne auf dich zurückkommt. Oder das Business zumindest kennt und dich weiterempfehlen kann.
Und so wie du dich beschreibst, scheinst du sehr offen für unterschiedliche Bereiche. Das finde ich wichtig. Flexibilität sollte heute jeder mitbringen, meiner Meinung nach auch der BWL-Student. Kreativität hingegen ist eher in deiner Branche notwendig. Doch du bringst vermutlich auch die Bereitschaft mit, dich in einer "Notlage" mit Tätigkeiten über Wasser zu halten, für die man nicht unbedingt ein Studium benötigt. Während die BWLer seriöse Bewerbungen schreiben müssen, geht es bei dir eher auch um unkonventioneller Wege. Doch was spricht dagegen auch ohne klassische Bewerbung nach Jobs zu suchen und sich im Internet zu präsentieren, Musikveranstaltungen zu besuchen oder in Musikschulen Visitenkarten zu verteilen?
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