Anrede als Fräulein heutzutage etwas Klischee behaftet?

vom 13.04.2012, 22:38 Uhr

Ich habe hier im Forum einen Thread neulich gelesen, wo es darum ging, warum man das Wort Fräulein aus dem Wortschatz der Deutschen gestrichen hat. Aber dennoch höre ich dieses Wort besonders bei alten Leuten noch oder wenn meine Mutter mit mir schimpfen will. Dann kommt auch immer "Fräulein, das darf doch wohl nicht wahr sein" usw.

Aber besonders bei alten Leuten höre ich dieses "Fräulein" immer noch. Sie rufen zum Beispiel beim Arzt die Arzthelferinnen so oder auch junge Mädchen im Geschäft so. Denkt ihr, dass die Anrede als Fräulein heutzutage doch etwas Klischee behaftet ist?

Benutzeravatar

» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Das Wort "Fräulein" wird gar nicht mehr so oft verwendet. Früher wurde dieser Begriff verwendet, wenn eine Frau unverheiratet war. Aber heutzutage sagt man zu einer erwachsenen Frau immer "Frau". In Belgien, wo deutsch gesprochen wird, kommt es noch sehr häufig vor. Diejenigen, die darauf bestehen, sollten auch mit Fräulein angesprochen werden, normal ist aber das Wort "Frau". Bei alten Leuten passiert es in der Tat noch, das musste ich auch noch feststellen. Stören werde ich mich nicht daran, ich finde es sogar niedlich und fühle mich wieder jung. Aber meine Tochter, in der Pubertät, wurde oft schon mit "Frau" angesprochen, vor allem beim Arzt.

» davinca » Beiträge: 2246 » Talkpoints: 1,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Wie hier ja schon gesagt wurde, war „Fräulein“ noch vor einigen Jahrzehnten die ganz normale Anrede für eine bislang unverheiratete Frau und somit störte sich natürlich auch niemand daran, als „Fräulein“ bezeichnet zu werden. Gerade bei älteren Leuten erlebe ich es auch hin und wieder, dass sich diese alte Gewohnheit gerne in den alltäglichen Wortschatz einschleicht, dann bezeichnen sie eben Frauen mit einer jugendlichen Stimme oder einem noch recht jungen Aussehen, wie zum Beispiel eine Arzthelferin, als „Fräulein“, weil sie berechtigterweise davon ausgehen, dass die betreffende Frau noch unverheiratet ist, auch wenn das natürlich nicht immer der Fall sein muss. Dann ist das keineswegs abwertend gemeint, sondern die alten Leutchen sind der Meinung, sich völlig höflich und korrekt gegenüber der jungen Frau verhalten zu haben. Gerne erlebe ich diesen Begriff vor allem bei älteren Leuten als eine Art Kompliment an die Jugend, frei nach dem Motto: „Sie als junges Fräulein schaffen das ja noch gut.“

Gerade in der Kindererziehung oder bei der Zurechtweisung von Jugendlichen im Allgemeinen hat sich aber inzwischen tatsächlich eine ziemlich negative Begriffsbelegung eingeschlichen, denn gerade junge Mädchen, deren Verhalten als unverschämt empfunden wird, werden gerne als „Fräulein“ bezeichnet, wobei die Unverschämtheit sich da ganz unterschiedlich äußern kann. Gerne kritisiert man damit ein unangemessenes und trotziges Verhalten gegenüber den Eltern oder anderen erwachsenen Menschen, ich habe es aber auch schon im Zusammenhang mit Mädchen gehört, die ihrem Alter unangemessen aufreizend gekleidet waren oder bereits Aktivitäten mit dem anderen Geschlecht pflegten, die zumindest ihre Eltern noch für unangemessen hielten. Dann wird eben gerne eine Ermahnung mit „Fräulein“ begonnen, eng damit verknüpft ist dann meist ein Hinweis auf das notwendige respektvolle Verhalten den Eltern gegenüber oder eine Zurechtweisung im Bezug auf altersgerechtes Verhalten.

Irgendwann erzählte mir auch mal jemand, dass es üblich sei, Kellnerinnen mit „Fräulein“ anzusprechen, das sei eben nun einmal das Pendant zu „Herr Ober“. Wirklich in Restaurants gehört habe ich diese Anrede noch nicht, weshalb ich sie auch nicht selbst verwenden würde. Ganz davon abgesehen ergeben sich für mich nun kaum Situationen, in denen ich eine Bedienung ansprechen müsste, die Bestellung funktioniert ja auch ganz gut ohne direkte Anrede. Verwendet jedenfalls jemand den Begriff in diesem Rahmen, hat es wohl kaum etwas mit einem Klischee oder einer Herabsetzung zu tun.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Gerade die älteren deutschen Bürger kennen es vielleicht auch noch so, dass eine verheiratete Frau nicht arbeiten geht. Denn früher ist es ja schon so gewesen, dass eine unverheiratete Frau, also ein Fräulein, durchaus einer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte, aber eine verheiratete Frau durfte lange Zeit überhaupt nicht arbeiten so weit ich mich erinnere und später haben viele Ehemänner ihren Frauen auch nicht gestattet, eine Arbeit auszuüben. Und in manchen Köpfen wird dies noch genau so tief drin sitzen wie die gute alte deutsche Mark, die auch viele Senioren immer wieder gerne an der Kasse zitieren.

Ich persönlich glaube nicht, dass diese Anrede mit einem Klischee behaftet ist. Es ist in meinen Augen nichts despektierliches an dem guten alten Fräulein zu sehen und ich kenne auch auch nicht so, dass es in einem abwertenden Kontext verwendet wird. Auch meine Mutter hat mich schon einmal junges Fräulein genannt, aber ich habe mich daran nie gestört und ich hätte es viel schlimmer gefunden, wenn sie mich als junge Frau bezeichnet hätte. Faktisch ist es einfach so, dass ich noch ein Fräulein bin denn ich bin eben nicht verheiratet und da empfinde ich die Anrede mit der Frau schon leicht respektlos.

Mir würde auch gar kein Klischee einfallen, welches man auf die Bezeichnung Fräulein zuschreiben kann. Denn ein Fräulein ist einfach nur eine unverheiratet Frau und mehr ist einem Fräulein so weit ich informiert bin auch nie zugeschrieben worden und es gibt meiner Ansicht nach gar keinen Grund, um ein Klischee an diesen Begriff zu binden.

Benutzeravatar

» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich bin froh, dass das Wort Fräulein heute nicht mehr benutzt wird, da ich eigentlich fast nur negative Assoziationen mit diesem Wort habe. Wenn mein Vater mit mir oder meiner Schwester schimpfte, dann hat er immer vorher Fräulein gesagt und anschließend sein Anliegen geschildert. Das hat mich einfach nur extrem genervt und ich wäre wahrscheinlich ebenso genervt, wenn man mich heute als Fräulein bezeichnen würde. Ich habe das Wort von einer anderen Person noch nie gehört, außer von meinen Eltern.

Benutzeravatar

» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


In meinen Augen ist die Anrede mit "Fräulein" nicht nur "etwas klischeebehaftet", sondern schlicht und ergreifend unhöflich und sexistisch. Sie impliziert für mich (und viele andere Frauen), dass wir gesellschaftlich erst dann als vollwertiger weiblicher Mensch angesehen werden, wenn es uns gelungen ist, einen Mann klar zu machen. Davor sind wir, wie man aus dem Diminuitiv "-lein" schließen kann, quasi eine bestenfalls niedliche, nicht ernst zu nehmende Vorform einer "richtigen" Frau.

Unverheiratete Männer nennt man schließlich auch nicht "Männlein" oder "Herrchen". Die Tatsache, dass manche Leute im Restaurant oder in der Arztpraxis immer noch nach dem "Fräulein" rufen, führe ich auf die Tatsache zurück, dass es bis vor wenigen Jahrzehnten in bürgerlichen Kreisen Standard war, dass Frauen bei der Heirat ihren Beruf aufgeben und fürderhin ohne eigenes Einkommen für Kinder, Küche und Kirche zuständig waren. Deswegen war es legitim, davon auszugehen, dass eine Frau, die ihr eigenes Geld verdient, ein unverheiratetes "Fräulein" war. Aber die Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Vielleicht kommen sie wieder, aber noch ist es nicht so weit.

Ich habe also ein Problem mit der Anrede "Fräulein", weil sie auf ein in meinen Augen ganz übel rückständiges und antiquiertes Frauenbild verweist, in dem man als weiblicher Mensch erst dann als voll entwickelt galt, wenn man als Ehefrau und Mutter ans Haus gefesselt wurde. Mit dieser Vorstellung kann ich mich logischerweise nicht identifizieren. Ich nehme es zwar hin, wenn mich irgendein Tattergreis als "Fräulein" bezeichnet, weil man 80 Jahre Sozialisierung auf der Zielgeraden auch nicht mehr wegerziehen kann. Aber Leuten unter 50 würde ich sauber über den Mund fahren. Wir sind schließlich nicht mehr in den 1950ern, was sich allmählich herumgesprochen haben sollte.

» Gerbera » Beiträge: 11315 » Talkpoints: 48,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Gerbera, es war ja noch schlimmer, als du es beschreibst. Du bist als Frau ohne Ehemann nicht nur als Fräulein angesprochen worden, auch Briefe von Behörden oder Versicherungen wurden natürlich an Fräulein A adressiert. Du warst eben keine vollwertige Frau und entsprechend wurdest du behandelt. Du hattest ja keinen Mann, der dem anderen die Hölle heiß macht.

Erst seit 1995 hatte eine unverheiratete Frau das Recht, in Behördenschreiben als Frau bezeichnet zu werden. Aber das galt nur auf Wunsch. Erst in den frühen siebziger Jahren wurden Behörden angewiesen, unverheiratete Frauen nicht mehr als Fräulein anzuschreiben.

Ich hatte das Theater noch in der Oberstufe. Fräulein war theoretisch abgeschafft, praktisch wurden aber die Jungs zu Herr und die Mädchen zu Fräulein. Die Weigerung, das hinzunehmen, führte mich direkt zum Direktor. Am Ende habe ich zwar gewonnen. Aber das ist weniger als 30 Jahre her. :wall:

» cooper75 » Beiträge: 13376 » Talkpoints: 509,41 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:In meinen Augen ist die Anrede mit "Fräulein" nicht nur "etwas klischeebehaftet", sondern schlicht und ergreifend unhöflich und sexistisch. Sie impliziert für mich (und viele andere Frauen), dass wir gesellschaftlich erst dann als vollwertiger weiblicher Mensch angesehen werden, wenn es uns gelungen ist, einen Mann klar zu machen.

Das trifft den Nagel auf den Kopf und umschreibt auch, warum es überhaupt in früheren Zeiten dazu kam, dass öffentlich klargemacht wird, ob eine Frau verheiratet ist oder nicht. Mit Fräulein wird tatsächlich eine Hierarchie bzw. eine Einstufung vorgenommen, welche nicht "Niedlichkeit" sondern "Minderwertigkeit" bzw. "Unvollkommenheit" ausdrücken soll. Ein Mann ist immer der "Herr" - wohingegen die Frau nur dann kein Fräulein mehr ist, wenn sie eben einen Mann gefunden hat.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Erst in den frühen siebziger Jahren wurden Behörden angewiesen, unverheiratete Frauen nicht mehr als Fräulein anzuschreiben.

Zwar mag die BRD in manchen Punkten etwas langsam sein (Verbot der Züchtigung in der Schule, Straffreiheit bei homosexuellen Handlungen, Gurtpflicht, Vergewaltigung in der Ehe, Zwangsarbeiterentschädigung, usw.). Aber hinsichtlich des Begriffs "Fräulein" dürfte der offizielle (behördliche) Wandel schon in den 50er begonnen haben. Leider finde ich jetzt keine Quelle - aber ich denke, dass das in der BRD wg. der Handhabung in der DDR schon "relativ kurz" nach der Gründung passiert ist. Dennoch dürfte das Umdenken wohl weitere Jahrzehnte gebraucht haben - was dann zu dem führte, was du an Fallbeispiel gebracht hast.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Gerbera hat geschrieben:In meinen Augen ist die Anrede mit "Fräulein" nicht nur "etwas klischeebehaftet", sondern schlicht und ergreifend unhöflich und sexistisch. Sie impliziert für mich (und viele andere Frauen), dass wir gesellschaftlich erst dann als vollwertiger weiblicher Mensch angesehen werden, wenn es uns gelungen ist, einen Mann klar zu machen.

Damit hast du es sehr gut beschrieben und den Nagel auf den Kopf getroffen. Somit wurde jede Frau die als Fräulein betitelt wurde auch indirekt damit beleidigt, dass sie zu blöd war sich einen Mann anzuschaffen der sie dann auch mit versorgt und zu einer vollwertigen Frau macht. Es ist nun kein Geheimnis, dass Frauen lange nicht als vollwertige Menschen in der Gesellschaft behandelt worden sind und das nicht nur von der Ansprache her und es hat lange gedauert, bis sich das auch in den offiziellen Anschreiben dann durchgesetzt hat.

Nach meinem Gefühl war das sogar erst nach 1995, denn ich habe noch in den 2000er Anschreiben mit Fräulein bekommen, anstatt mit Frau. Selbst Beschweren hat daraufhin nicht viel gebracht, erst seit kurzem kommen diese auch mit der Anrede Frau.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^