Alkoholismus im Mittelalter

vom 09.04.2012, 19:28 Uhr

Im Moment lese ich "Die Säulen der Erde" von Ken Follett. In dem Roman, welcher im Mittelalter spielt, wird ständig, aber auch ständig erwähnt, dass die Menschen Bier zu trinken bekommen und des Öfteren auch Wein. Da scheint es auch keine Rolle zu spielen, zu welchem Stand die Personen gehören. Auch Bauern, Handwerker usw. scheinen ständig mit Alkohol versorgt zu werden. Ich weiß ja nicht, wie gut das Buch recherchiert ist, bin mir aber sicher, in einer Rezension zu einem anderen seiner Romane gelesen zu haben, dass er sich bei seinen Recherchen viel Mühe gibt. Auch habe ich vor einiger Zeit im Fernsehen gesehen, dass aus hygienischen Gründen im Mittelalter tatsächlich sehr häufig zu Bier anstatt zu Wasser gegriffen wurde.

Da frage ich mich, ob die Menschen zu dieser Zeit nicht alle Alkoholiker gewesen sein müssen. Selbst die Kinder in dem oben genannten Buch bekommen zu ihren Mahlzeiten schon Bier. Meint ihr, ein Großteil der Bevölkerung war tatsächlich Alkoholabhängig? Müssten die Menschen daran nicht alle verblödet sein?

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 09.04.2012, 19:52, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Ich bin mir nicht sicher, immerhin habe ich zu dieser Zeit nicht gelebt, aber ich denke, dass im Mittelalter der Großteil der Bevölkerung keine Alkoholiker waren. Immerhin war es ja nicht so, dass es nur Bier oder Wein gab. Im Notfall konnte man eigentlich zu jeder Zeit auf Wasser zurückgreifen, wenn es nicht sowieso schon häufig zum Trinken verwendet wurde. Zudem wurde Wein in der Vergangenheit sehr gerne mit Wasser verdünnt, um den Alkoholgehalt etwas zu Senken. Dies taten bereits die Römer. Und wenn Kinder mit kleinen Schritten an Alkohol herangeführt werden, dann können sie sich, bis zu einem Gewissen Grad, daran gewöhnen. Bei erwachsenen Menschen ist dies ja nicht anders. :wink:

Benutzeravatar

» Synchro » Beiträge: 1641 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Gelesen habe ich das Buch "die Säulen der Erde" auch schon, auch wenn dies schon ein Paar Jährchen her ist. Das Buch selbst fand ich recht beeindruckend, auch wenn ich wie du nicht genau weiß, in wie weit dieses Buch eben der Realität entspricht, bzw. wie gut Ken Follett für sein Buch recherchiert hat. Ich selbst kenne es aus dem Geschichtsunterricht nur so, dass Bier an sich (Nicht jedoch Alkohol generell) eine große Rolle im Mittelalter gespielt hat. Dies hatte aber nicht eben irgendwelche Gründe des Alkoholismus oder ähnlichem.

Wie man ja weiß, konnte sich im Mittelalter der Großteil der Bevölkerungsschicht nicht besonders viel leisten und war recht arm. Die Nahrungsmittel an sich waren auch immer recht knapp und hier war Bier eben ein gefundenes Fressen. Bier wurde früher auch als das "flüssige Brot" bezeichnet, da dieses eben einen vergleichsweise hohen Kaloriengehalt hatte, wovon man gesättigt war. Auch im Kloster bei den Mönchen im Mittelalter zählte Bier in der Fastenzeit zu den Grundnahrungsmitteln der Mönche, wovon diese sich fast ausschließlich ernährt hatten.

Auch war Bier besonders attraktiv, da dieses leicht herzustellen war und man eben auch Weizen/Getreide verwenden konnte, welches von der Qualität her nicht so gut fürs Brot backen geeignet war. So musste man das Getreide nicht entsorgen oder verkommen lassen und konnte es anderweitig weiterverarbeiten. In wie weit jedoch die Gesellschaft im Mittelalter alkoholabhängig war, kann ich dir auch nicht sagen - Bier war zwar so etwas wie ein Grundnahrungsmittel, aber ob sich hiervon wirklich immer oder vorwiegend ernährt wurde sei einfach mal dahingestellt.

Benutzeravatar

» damomo » Beiträge: 3334 » Talkpoints: -0,80 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



So weit ich weiß, war das Bier das im Mittelalter ständig konsumiert wurde noch eher mit dem leichten Bier von heute im Alkoholgehalt zu vergleichen. Es war also nicht so stark. Heute spricht man in dem Zusammenhang auch von dem so genannten Dünnbier, was sich recht wenig appetitlich anhört. Ein normal gesunder Erwachsener sollte das mit etwas Gewöhnung trinken können ohne allzu großen Schaden davon zu tragen. Wenn man davon zwei Liter über den Tag verteilt, dann sollte die Rauschwirkung auch nicht so stark sein, als wenn man zwei Maß Starkbier innerhalb einer Stunde trinkt. Genaue Alkoholangaben kenne ich nicht, die wird es aber vermutlich auch nicht geben. Wenn das Getränk etwa zwei Prozent gehabt hat, so viel wie Apfel-Cidre, dann kann man das ganz gut trinken ohne betrunken zu werden.

Die hygienischen Gründe habe ich auch schon gehört. Da über Brunnenwasser im Mittelalter und auch noch später eben allerlei Krankheiten übertragen wurden, da war Bier sicherlich das kleinere Übel für die Leute. Wenn man Bier Braut, dann wird der Biersud mit dem Malz und dem Hopfen aufgekocht und ist dadurch eben nicht mehr infektiös. Jetzt kann man das Gebräu auch schon als Produkt wie das heutige Kindermalzbier abfüllen, bevor es gegärt hat.

Viel schlimmer war vermutlich, dass damals das Reinheitsgebot noch nicht überall gültig war. Das heißt, dass in Bier eben nicht immer nur Hopfen und Malz enthalten war, sondern auch diverse Pflanzenextrakte, die eben teils auch weitere berauschende Wirkungen hatten. Da die Lebenserwartung im Mittelalter sowieso nicht sonderlich hoch war, sind die meisten Menschen vermutlich gestorben, bevor der Alkohol die Leber so weit geschädigt hat, dass es kritisch werden konnte. Aber auch dazu gibt es bestimmt schon Forschungsarbeiten aus dem Gebiet der historischen Medizinforschung.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Das Bier von damals ist mit unserem heute bekannten Getränk überhaupt nicht zu vergleichen, auch der Alkoholgehalt war viel geringer. Es ist aber richtig dass auch viel Wein getrunken wurde wenn man es sich leisten konnte und dass auch schon die Kinder Bier und Wein zu trinken bekamen, natürlich stark verdünnt. Beschwipst werden sie aber trotzdem immer gewesen sein, auch wenn sich der Körper möglicherweise schnell an so einen dauerhaften kleinen Rausch gewöhnen kann.

Hintergrund der Sache war dass man damals schon wusste dass das Wasser aus dem Brunnen und den Flüssen Krankheiten hervorrufen konnte, die wirkliche Ursache dafür war aber unbekannt. Wenn man bedenkt dass die Inhalte der Sickergruben auf den Höfen und Häusern direkt in das Grundwasser gelangen konnte dann ist aus heutiger Sicht also durchaus verständlich warum es zum Trinken alkoholische Getränke gab. Durch die Gärung wurden die schädlichen Inhaltsstoffe abgetötet oder zumindest stark vermindert so dass es durchaus erstrebenswert war regelmäßig solche Sachen zu trinken. Auch wurde Bier damals als Nahrung angesehen, keine Wunder bei den Zutaten. Bier gehörte zum festen Bestandteil mancher Entlohnung und wurde dementsprechend auch so häufig verbraucht.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^