Was ist der Reiz an Passionsspielen?

vom 06.04.2012, 10:54 Uhr

Alle zwei Jahre gibt es bei uns in unserem kleinen Ort die Passionsspiele. Ich weiß überhaupt nicht, warum man die Jahreszahl immer dazu schreibt, schließlich gibt es sowieso keinen Unterschied bei den Passionsspielen. Dieses Jahr ist es wieder einmal soweit. Dabei könnte man auch einfach eine Aufzeichnung aus dem Jahre 2012 in der Mehrzweckhalle zeigen. Das hätte den gleichen Effekt. Es ist immer exakt die gleiche Geschichte, exakt die gleichen Darsteller, immer dieselben Schauplätze, denn viel Auswahl hat man bei uns im Ort nicht.

Ich persönlich finde das total albern. Ich habe mir diese Geschichte von Jesu einmal angesehen. Diese ganzen Spiele dauern über vier Stunden. Nach der Hälfte konnte ich nicht mehr, weil es einfach todlangweilig ist. Dennoch gehen alle zwei Jahre immer wieder dieselben Leute hin und schauen sich das vier bis fünf Stunden an. Haben diese Spiele denn einen besonderen Reiz? Immerhin stellt sich ja ansonsten auch niemand fünf Stunden in die Gegend, die meisten müssen auch erst einmal sitzen. Und wäre das für euch nicht langweilig, alle zwei Jahre dieselben Passionsspiele sich anzusehen? Ich finde ja jedes Jahr Dinner for One schon äußerst grenzwertig. Oder habe ich einfach keinen Sinn für die besinnlichen Seiten am Karfreitag bei den Passionsspielen?

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» fcbtill » Beiträge: 4713 » Talkpoints: 21,47 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Tradition. Andere Leute stellen sich jeden Sonntag stundenlang auf den Sportplatz und sehen irgendwelchen Dorfburschen zu, wie sie mehr oder weniger kompetent einem Ball nachjagen. Muss ich persönlich beides nicht haben, aber ich gönne meinen Mitmenschen natürlich ihre individuelle Wochenendgestaltung.

Passionsspiele dienen im ursprünglichen Sinn ja auch nicht der Unterhaltung, sondern dazu, dem analphabetischen Fußvolk einer Gemeinde oder eines Landstrichs die Geschichte des Leidens und Sterbens Christi nahe zu bringen. Darum dreht sich ja mehr oder weniger die ganze christliche Religion. Besonders die katholische Kirche war zudem traditionell schon im Mittelalter bemüht, ihre Lehren möglichst dramatisch und anschaulich an den Mann zu bringen, weil man damit die Schäflein logischerweise mehr beeindrucken und beeinflussen kann als mit einer drögen Lesung aus einem drögen Buch, am Ende noch auf Latein.

Und manche dieser Traditionen haben sich eben über die Jahrhunderte hinweg erhalten, wenn nicht die Ideale der Aufklärung dem ganzen Zinnober ein Ende gemacht haben. Aber selbige haben es eben nicht bis ins letzte Alpental geschafft. :wink: Die Oberammergauer Passionsspiele stellen noch eins der bekannteren Beispiele dar und ziehen sich auch ewig in die Länge. In diesem Fall handelt es sich um ein Gelübde aus dem Jahr 1633, welches die Oberammergauer seitdem eisern durchziehen, weil sie damals von der Pest verschont geblieben sind. Sicher ist sicher.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ganz vieles in den Religionen beruht ja auf dem Prinzip der Wiederholung. Die Leute, die jeden Sonntag in die Kirche gehen, hören sich ja auch jede Woche mehr oder weniger das gleiche an. Die Gebete und die Formeln und die Gesänge und all das werden auch ständig wiederholt.

Von Seiten der Kirche steckt dahinter sicher das Bedürfnis die Indoktrination in die Religion ständig zu erneuern, damit die Leute nicht vergessen was angeblich passiert wenn sie anfangen selber zu denken. Und für die Leute ist es wahrscheinlich einfach Tradition und "das war schon immer so", wenn man tief in der Religion drin ist stellt man so etwas ja auch überhaupt nicht in Frage.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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