Abi Thema - Sollen die USA Wiedergutmachung leisten?

vom 21.03.2008, 19:17 Uhr

Mein Abitur steht vor der Tür. Deshalb würde ich mal eure Sichtweisen zu einer gewissen Diskussion hören. Afroamerikanischen Mitbürgern in den USA soll Wiedergutmachung in Form von Geld erstattet werden. Grund hierfür ist die Jahrelange Sklaverei in der Vergangenheit.

Ich finde, dass eine Wiedergutmachung in Form von Geld die einzige Möglichkeit ist, den Farbigen den Schmerz ihrer Vorfahren etwas zu lindern. Dies würde den Mitbürgern heutzutage sehr hilfreich im Leben sein, da sie ihr Leben besser gestalten könnten. Nur gibt es viele Hürden. Man müsste erst mal einen Definitionsbetrag finden, wie hoch derjenige bekommen sollte. Darüber hinaus müsste erst einmal geklärt werden, wem überhaupt Wiedergutmachung zusteht.

Jedoch sind die Vorfahren längst tot und die aktuellen Bürger der USA haben sozusagen nichts gemacht und würden für nichts belohnt werden. Ein weiteres Problem ist, dass auch die Ureinwohner Wiedergutmachung haben wollen würden. Die Indianer wurden auch vertrieben und getötet. Wie könnte man eine solche Wiedergutmachung gestalten? Und ist es überhaupt durchführbar?

» citir43 » Beiträge: 39 » Talkpoints: 0,16 »



Erstmal Drück ich dir die Daumen für deine Abiturprüfungen :) Mein Abi liegt jetzt 3 Jahre zurück und als LK hatte ich unter anderem auch Englisch. Damals ging es bei uns ebenfalls um Diskriminierung und in welcher Form man dagegen angehen kann...

Mit deinen Punkten hast du auf jeden Fall schon mal recht. Die Sklaverei ist Gott sei Dank Vergangenheit. Leider gibt es heutzutage immer noch keine komplette Gleichstellung der Menschen, an welcher unbedingt gearbeitet werden soll. Ich denke nicht das Geld als Wiedergutmachung einen Lösungsansatz bietet. Jedenfalls nicht unter der Definition als Wiedergutmachungsleistung.

Denn man kann den damals entstandenen Schaden der Menschen nicht wieder rückgängig machen. Was passieren müsste, wären Zahlungen zum Aufbau von Bildungs- & Medizinwesen, Ausbildungschancen (bspw. Subvention von Arbeitgebern bei Einstellung eins Afroamerikaners), Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche etc.

Den Menschen wird nicht geholfen indem sie einen Betrag X auf das Konto überwiesen bekommen und dann ändert sich an der Gesellschaftsstruktur und dem Verhalten nichts. Einen Lösungsansatz sehe ich in Fördergeldern für alle nötigen Bereiche, damit die Chancengleichheit angeglichen werden kann.

Wiedergutmachung im Kontext der indigenen Bevölkerung gestaltet sich ebenfalls schwierig. Wer hat da noch Anspruch? Denn wirklich "indigen" sind die Wenigsten. Die heutigen Probleme, welche durch die damaligen Bedingungen entstanden sind, müssten meiner Meinung nach genauso behandelt werden.

Vielleicht konnten dir meine Gedankengänge dazu ja weiterhelfen. Leider gibt es grad Essen und so muss ich den Rest meiner Ausführung auf einen späteren Zeitpunkt verlegen... aber vielleicht reicht das so ja auch schon mal.:)

» kleineKiwi » Beiträge: 94 » Talkpoints: 0,27 »


Ich finde, das ist wirklich ein sehr schwieriges und ernstzunehmendes Problem. Auf der einen Seite wurden die afroamerikanischen Bürger der USA wirklich für eine sehr lange Zeit unterdrückt und respektlos behandelt und dafür wäre eine Entschuldigung und vielleicht sogar eine Wiedergutmachung berechtigt. Aber wie du schon gesagt hast, sind viele der damals Betroffenen heute gar nicht mehr am Leben und die heutige Generation weiß vielleicht nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern von der Situation, welche ihre Vorfahren durchmachen mussten.

Für die jungen Leute ist dies meiner Meinung nach auch nur ein Punkt ihrer Geschichte, so wie für uns das Dritte Reich, welches die Jugendlichen heutzutage nur aus dem Geschichtsunterricht und von Erzählungen kennen. Natürlich kann kein Deutscher verlangen, irgendeine Wiedergutmachung zu bekommen ( für was denn auch?!), aber wirklich betroffen sind die Nachkommen der damals Unterdrückten ja auch nicht.

Deshalb finde ich, dass es nicht der richtige Weg wäre, in Form von Geldzahlungen an die heutige Generation afroamerikanischer Bürger der USA, eine Wiedergutmachung für die früheren Geschehen zu leisten. Die Geschichte ist nicht änderbar und man sollte stets darauf achten, dass sich die Fehler von früher nicht wiederholen. Darum sollten vielleicht eher noch lebende Betroffene von ihren Erlebnissen berichten, um die junge Generation aufzuklären und zu warnen. Durch Erzählungen von Bekannten, welche schon in den USA waren, hab ich das Gefühl bekommen, dass die Kinder dort sehr wenig über Geschichte lernen bzw. wissen.

Wir hier in Deutschland lernen so viel über unsere Geschichte - ständig werden Filme gezeigt, Bücher veröffentlicht und Diskussionen mit Zeitzeugen geführt. Dies ist meiner Meinung nach der beste Weg, Geschichte aufzuarbeiten. Auch wenn dadurch nicht die Vergangenheit geändert werden kann und den damaligen Opfern nicht geholfen werden kann, wir durch die Aufklärung besonders der jungen Generation vielleicht verhindert, dass sich die Geschichte einmal wiederholt.

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» Katara » Beiträge: 1295 » Talkpoints: 5,81 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Katara hat geschrieben:Aber wie du schon gesagt hast, sind viele der damals Betroffenen heute gar nicht mehr am Leben und die heutige Generation weiß vielleicht nur aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern von der Situation, welche ihre Vorfahren durchmachen mussten.
[...]
Natürlich kann kein Deutscher verlangen, irgendeine Wiedergutmachung zu bekommen ( für was denn auch?!), aber wirklich betroffen sind die Nachkommen der damals Unterdrückten ja auch nicht.

Ähm nur als Zusatz:
- Deutschland hat zur Wiedergutmachung Milliarden an Israel gezahlt und macht dies teilweise auch heute noch indirekt (durch vergünstigte Waffenverkäufe)
- Deutschland hat Milliarden an Opfer des Nationalsozialismus gezahlt, z. B. andeutsche Juden und an deren Hinterbliebene

Da gibt es zig Beispiele, wo Deutschland durch direkte Zahlungen und indirekte Zahlungen Wiedergutmachung leistete, nur so. Nur als Beispiel, für was Deutsche heute und damals Sühnezahlungen vom Staat erhalten und erhalten haben.

Und de facto ist die Situation in den USA keine andere: Völkermord, Vertreibung, Zwangsarbeit, Deportation - der einzige Unterschied zu Deutschland: Das ganze liegt doppelt solang zurück (noch einmal knapp mindestens 60 - 80 Jahre mehr) und der Völkermord wurde lang nicht so systematisch und organisiert wie von den Nazis betrieben. Ansonsten: keine großen Unterschiede, sondern nur in Details.

Eine direkte und indirekte Wiedergutmachung wäre also mehr als gerecht, nur hat das ganze mehrere Haken, vor allem einen: Die USA könnten sich das nicht leisten! müssten die USA ähnliche Zahlungen wie Deutschland leisten an die jeweiligen Personen, Vereine und Institute wären sie extrem verschuldet! Denn rechnet man mal alles hoch dann übersteigen allein die Zahlungen an die Afro Amerikaner das was sich die USA leisten können, auch wenn man auf deren Blut den Staat teilweise aufgebaut hat.

Dazu kommt der Fakt, dass selbst heute noch die indigene Bevölkerung extrem diskriminiert wird. Damit meine ich nicht nur die Ausgrenzung in Reservate (wie wilde Tiere) sondern auch den Fakt, dass die Ureinwohner nicht einmal dort respektiert werden. International wurde das mal publik als in einem Reservat dass den Indianern gehört Öl gefunden wurde - dieses wurde gefördert (ohne Genehmigung) und Zahlungen versprochen, die nie erfolgt sind. Die US Justiz bemüht sich auch einen Dreck darum, dass die Ureinwohner davon etwas abbekommen oder dass sie ihr Recht durchsetzen können - man missachtet also bis heute deren Rechte und Eigentumsrechte.

Ich kann mal den Namen raussuchen, war irgendeine Drilling Oil oder so Firma - ach so, das ist übrigens nicht neu sondern geht schon seit den 60ern so und die Ölfirma beruft sich darauf, den Indianern, nachdem man ohne Einwilligung mit der Förderung begann irgendwann 1997 oder 1998 ein Angebot von 1.000 oder 10.000 Dollar zur Wiedergutmachung vorgeschlagen zu haben - nachdem man für Millionen von Dollar jahrzehntelang Öl förderte (und die immer noch tut).

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde das Thema sehr schwierig. Ich finde einerseits schon, dass die Menschen, deren Afroamerikaner, aber auch die Indianer wegen der Vergangenheit eine Wiedergutmachung verdient hätten. Allerdings frage ich mich auch, inwiefern das etwas ändert. Denn dadurch wird die Diskriminierung und der Rassismus ja leider auch nicht weniger. Daher frage ich mich schon, inwiefern das die Situation der Betroffenen signifikant verbessern würde.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Es dürfte ganz einfach schwierig werden eine angemessene Summe für die Wiedergutmachung aufzurufen. Ganz grundsätzlich hat Subbotnik das ja schon gut beschrieben. Auch in den USA herrschte lange Zwangsarbeit, wurden Arbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen regelrecht gehalten und aus ihrer Heimat vertrieben. Wenn man das USA weglässt könnte man denken wir reden hier über die Vertreibung der Juden nur ohne so systematischen Völkermord. Wobei am Ende des Tages die Zahl getöteter Ureinwohner um ein Vielfaches über der der ermordeten Juden liegen dürfte. Da gibt es ja Zahlen die von 50 bis 100 Millionen toter Indianer ausgehen.

Und mit welcher Begründung sollte man denn so ein Leid und Enteignung legitimieren? In Deutschland gab und gibt es riesige Zahlungen für die Wiedergutmachungen für die Leiden des zweiten Weltkrieges. Bis heute ist man dabei immer wieder Kunstgegenstände, Häuser oder Unternehmensbeteiligungen wieder zurückzugeben.

Die Frage ist dann aber eben wirklich, wie das die USA machen wollen. Was ist ein angemessener Beitrag? Wo soll das Geld herkommen, selbst wenn man nur 100 Dollar bezahlen will? Da zahlst du schon 10 Milliarden Dollar für die toten Indianer und wahrscheinlich genauso viel für die Sklaven. Und 100 Dollar sind eine Lachnummer. Was ist ein totes Leben wert? 10.000 Dollar oder mehr? Wer von uns würde für 10.000 Dollar beziehungsweise Euro eine Lebensversicherung abschließen? Das heißt also eigentlich reden wir hier über mehrere Tausend Milliarden Dollar, die man zahlen müsste. Und dann haben wir noch nicht mal die Enteignungen abgedeckt oder gescheffelte Unternehmensgewinne, weil man mit den Sklaven eine Firma hochgezogen hat oder Öl auf dem Indianerreservat geklaut hat.

Klar natürlich müsste eine Wiedergutmachung geleistet werden. Nur wie realistisch ist das? Und wieviel Wiedergutmachung kann sich die USA überhaupt leisten?

Und am Ende des Tages stellt sich auch die Frage, welchen Einfluss 1.000 oder auch 10.000 Dollar Zahlung überhaupt auf den Rassismus und die aktuelle Unterdrückung von Schwarzen und Indianern und anderen nicht weißen Amerikaner überhaupt hat. Höchstwahrscheinlich gar keinen, außer dass sich die Schwarzen noch anhören dürfen, dass sie doch jetzt auch noch Geld bekommen haben.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Es wird niemals auch nur einen Betrag geben, der eine Wiedergutmachung gleichkommt. Das ist leider so, auch wenn es den Menschen zu wünschen wäre. Natürlich bedeutet Geld wiederum auch, dass man besser leben kann, aber viele afroamerikanische Mitbürger würden das eher als „Schweigegeld“ sehen oder als „Bestechung“. Denn viele ihrer Vorfahren sind durch die Sklaverei gestorben, viele Familien sind bis ins kleinste Detail dadurch geprägt gewesen und auch die heutige Gesellschaft prägt, gleichwohl es die Sklaverei in der Form nicht mehr gibt.

Vergessen wir aber auch in vielerlei Hinsicht nicht, dass dann auch historisch gesehen die Briten mit blechen müssten. Denn zu Kolonialzeiten der Briten, die in Nigeria und anderswo stationiert wurde, wurde mit den dunkelhäutigen Menschen Handel betrieben, welcher auch in die USA mündete. Das bedeutet de facto auch, dass diese die Sklaverei auch in gewisser Weise gefördert haben und dafür bezahlen müssten, aber leider sieht die Realität eben immer anders aus.

Es macht auch für keinen Hinterbliebenen heute aus der NS-Zeit Sinn, dafür Gelder zu bekommen. Das Gesehene und Erlittene wird damit nie gut, was ich nachvollziehen kann, aber niemals nachempfinden werde. Das unsägliche Leid ist kaum in Worten zu beschreiben und keine Summe könnte da eine Wiedergutmachung sein.

Es wäre eine Wiedergutmachung beziehungsweise ein Weg in die richtige Richtung, wenn endlich die Gesellschaft in den USA das „Schwarz/Weiß Denken“ ad acta legt! Das fängt von den weißen Cops an, die einen Dunkelhäutigen schon per se als Straftäter sehen und die Mexikaner alle als illegale Einwanderer empfinden. Das endet beim Redneck dessen Semi-Intelligenz Trump zum Präsidenten u.a. mit verholfen hat und vieles mehr.

Die Sklaverei ist nicht mehr da, zumindest formell gesehen ( hinter verschlossenen Türen gibt es sie noch! ), aber die Gesellschaft spaltet weiterhin. Das sollte man nie vergessen und solange das herrscht, hilft auch kein Cent.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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