Fachkräftemangel und studierte Leute in unterbezahlten Jobs?
Ein Bekannter von mir ist Techniker. Er hat sein Studium auch sehr gut abgeschlossen. Allerdings hat er dennoch keine Arbeitsstelle bekommen, die für ihn befriedigend ist. Er arbeitet nun in einer Firma, wo technische Geräte gewartet werden. Sein Stundenlohn ist gerade mal 11 Euro für einen studierten Techniker. Dabei heißt es immer, dass in Deutschland Fachkräftemangel herrscht.
Er hat fast 200 Bewerbungen weggeschickt. Absagen kamen ca. 110 und zu 17 Stellen konnte er zum Vorstellungsgespräch gehen. Nach ca. einer Woche hat er von den Firmen, wo er zum Vorstellungsgespräch gegangen ist 13 sofort abgesagt und bei 4 war er mit 10 anderen Bewerbern zum Probearbeiten. Die Probearbeitszeit war 3 Stunden und immer war er in der engeren Auswahl, aber dennoch wurde sich dann für jemand anderen entschieden. Der Rest der Bewerbungen ist im Nirvana verlaufen und er hat nicht mal eine Absage erhalten. Nun arbeitet er für wenig Geld in einer Firma, wo auch ein Maschinenschlosser arbeiten könnte.
Das gleiche gilt für den Freund einer Bekannten, der Architektur studiert hat. Bei ihm ist es ähnlich wie bei dem Techniker. Auch er hat viele Bewerbungen geschickt. Hier in Deutschland waren es fast 400 Bewerbungen über ganz Deutschland verteilt. Ins Ausland hat er 100 Bewerbungen geschickt und kann, wenn er Glück hat in Spanien anfangen. Aber das wäre erst ab Sommer und bis dahin arbeitet er in der Produktion am Band.
Warum werden aber aus dem Ausland die Fachkräfte geholt, wo es doch in Deutschland genug Facharbeiter zu geben scheint, wenn diese nicht mal eine Rückmeldung bekommen, wenn sie sich bewerben? Oder nehmen die Firmen lieber ausländische Mitarbeiter? Sind diese billiger? Warum aber wird dann unter einem Deckmantel von Fachkräftemangel in Deutschland geredet? Ich kenne auch 2 Ärzte, die ihr Studium vor 2 Jahren abgeschlossen haben und immer noch als Assistenzarzt arbeiten. Im gleichen Krankenhaus wurden unbekannte Ärzte aus der Türkei, aus Syrien und aus Pakistan als Stationsarzt und als Oberarzt angeheuert und eingestellt. Wie kann man das erklären?
Der Fachkräftemangel ist sicher ein real existierendes Problem. Es ist aber auch schlicht und ergreifend so, dass in bestimmten Bereichen zwar Fachkräfte auch weiterhin gesucht und eingestellt werden. Allerdings gibt es in den Bereichen eben mehr Fachkräfte als freie Stellen. Und dann gibt es einen akuten Mangel an Fachkräften, der nur dann behoben werden könnte, wenn entsprechende Fachkräfte verfügbar wären. Das sind sie aber nun einmal nicht und eine Fachkraft in einem Bereich kann nicht in einem anderen Bereich eingesetzt werden. Ein Architekt kann beispielsweise eher schlecht Software konzipieren, auch wenn Software-Architekt so ähnlich klingt.
Ähnlich sieht es aber auch bei Grund- und Zusatzqualifikationen aus. Da kann es gut sein, dass jemand mit besser Zusatzqualifikation bei gleicher Grundqualifikation eingestellt wird. Und dass man im Ausland schneller eine Stelle findet, liegt sicher auch an den Ausbildungsstandards in Deutschland. Gerade Facharbeiter werden in der Regel gut ausgebildet und können daher auch im Ausland gut auf dem Arbeitsmarkt bestehen.
Ich kann mir das auch manchmal nicht so richtig erklären. Sicherlich mag es eine Rolle spielen, dass manchmal Spezifikationen nicht richtig passen und dass es einem arbeitslosen Hochbauingenieur in Hamburg wenig nützt, wenn in Bayern Tiefbauingenieure gesucht werden. Aber es wird ja in allen möglichen Branchen über Fachkräftemangel geklagt, sogar bei Handwerkern, obwohl es auf der anderen Seite viele gibt, die ihre Lehre abgeschlossen haben und keine Stelle finden.
Vielleicht sind manche Unternehmen auch zu anspruchsvoll und suchen den perfekten Mitarbeiter. Manchen Chefs ist es bestimmt zu viel, jemanden einzustellen, der gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen hat und eventuell nicht gleich alles auf Anhieb richtig macht. Da wird dann lieber gejammert, es gäbe keine Fachkräfte.
"Studierter Techniker" klingt natürlich jetzt hochqualifiziert, aber der staatlich geprüfte Techniker ist kein Studium, sondern eine schulische Ausbildung, die in etwa auf dem Level des Abiturs liegt - nur eben weniger allgemeinbildend sondern stärker auf den jeweiligen Beruf bezogen. Damit ist man noch keine hochgefragte Fachkraft.
Viele Techniker arbeiten tatsächlich auf Jobs, für die eigentlich auch reine Facharbeiter reichen sollten. Man muss als Techniker schon etwas Glück haben, um einen Job zu erwischen, bei dem man die notwendige Erfahrung sammeln kann.
Mit "Fachkräften" werden eben eher Techniker mit langjähriger Erfahrung in bestimmten Spezialbereichen und erfahrene Ingenieure gemeint. Selbst Hochschulabsolventen müssen sich erst einmal ein paar Jahre im Berufsleben beweisen, um wirklich als gefragte Fachkräfte angesehen zu werden.
Nichtsdestotrotz sind 200 Bewerbungen und so viele Absagen schon sehr viel, da liegt der Verdacht nahe, dass bei der Bewerbung einige Fehler gemacht wurden. Ein beliebter Fehler, insbesondere wenn man so viele Bewerbungen schreibt, ist das Standardanschreiben ohne Anpassung an die jeweilige Stelle. So etwas wird sofort erkannt und meistens auch gleich aussortiert.
Der Thread ist zwar schon ein wenig älter, aber ich habe hier noch einen interessanten Blogartikel zum Thema "Fachkräftemangel in Deutschland" gefunden, der das Thema auch kritisch umreist. Ich denke schon, dass der Fachkräftemangel in manchen Branchen ernstzunehmen ist, aber viele Firmen wollten natürlich trotzdem so billig wie möglich produzieren.
Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie sich dieses Thema in den kommenden Jahren noch weiter entwickelt!
Eine Ausbildung als Techniker gilt nicht als Studium. Sofern dein Bekannter nun kein Ingenieursstudium abgeschlossen hat, würde ich ihn nicht als Akademiker bezeichnen. Er ist natürlich eine Fachkraft, vielleicht auch eine recht qualifizierte, aber er hat eben kein abgeschlossenes Studium vorzuweisen. Anders verhält es sich bei dem Architekten. Dabei handelt es sich um einen Beruf, für den man ein Studium absolvieren muss. Das sind aber so Kleinigkeiten am Rande, die man vielleicht durcheinanderwirft, wenn man selbst nichts damit zu tun hat.
Qualifizierte Fachkräfte werden natürlich gesucht. Auf der anderen Seite gibt es gut ausgebildete Fachkräfte und auch Akademiker, die ohne Anstellung sind. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass es in den Bereichen, in denen Fachkräfte händeringend gesucht werden, nicht genügend passende Bewerber gibt, während in anderen Branchen die Zahl der Bewerber über dem Bedarf liegt. In bestimmten Ingenieursberufen hat man recht gute Aussichten, einen anständigen Job zu bekommen und auch als Arzt stehen die Chancen auf eine gute Anstellung recht gut. Es gibt aber auch Akademiker, die nicht so stark nachgefragt sind. Dasselbe gilt natürlich auch für Fachkräfte mit verschiedenen Ausbildungen.
Man kann nicht einfach nur die nüchternen Zahlen betrachten und davon ausgehen, dass jemand, der eine gute Ausbildung vorzuweisen hat, auch eine Garantie hat, eine gute Anstellung zu bekommen. Zum Teil spielt da auch die Flexibilität der Bewerber eine Rolle. Die anderen Gründe habe ich bereits erläutert.
Eine Ausbildung als Techniker gilt nicht als Studium. Sofern dein Bekannter nun kein Ingenieursstudium abgeschlossen hat, würde ich ihn nicht als Akademiker bezeichnen. Er ist natürlich eine Fachkraft, vielleicht auch eine recht qualifizierte, aber er hat eben kein abgeschlossenes Studium vorzuweisen
Richtig. Das Problem ist aber, dass den Leuten auf den Technikerschulen von ihren Lehrern eingetrichtert bekommen, dass sie hochqualifizierte Fachkräfte sind, die es fachlich locker mit Ingenieuren aufnehmen können und wegen ihrer praktischen Erfahrung sogar über den Ingenieuren angesiedelt seien. Und so treten dann viele Techniker auch auf und wundern sich später, dass sie in den Personalabteilungen mit dieser Haltung nicht gut ankommen.
Damit kommt man noch auf einen anderen Aspekt, der bei dieser "Fachkräftemangeldiskussion" gerne vergessen wird. Man geht nämlich gerne davon aus, dass eine gute Ausbildung und fachliches Können ausreicht, um als gesuchte Fachkraft zu gelten. Das persönliche Auftreten und die sozialen Kompetenzen werden gerne außen vor gelassen. Doch die sind mitunter wichtiger als das fachliche Können.
Der Thread ist zwar schon ein wenig älter, aber ich habe hier noch einen interessanten Blogartikel zum Thema "Fachkräftemangel in Deutschland" gefunden, der das Thema auch kritisch umreist.
Der Artikel gibt aber auch nur oberflächliche Pauschalaussagen wieder. Dort steht, die Unternehmen schreiben Stellen aus, um Abiturienten zu einem Ingenieursstudium zu bewegen? Wie soll das funktionieren? Erstellt jeder Abiturient eine Statistik an offenen Stellen seines späteren Berufs? Das ist doch völlig weltfremd. Außerdem wird man nur durch eine höhere Zahl an Studienanfängern die Zahl der hoch qualifizierten Absolventen kaum steigern können. Das Lohnniveau von hoch qualifizierten Fachkräften liegt auch sehr hoch und wird sich durch solche Maßnahmen kaum drücken lassen.
Es ist vielmehr so, dass sich Unternehmen um die besten Abiturienten reißen und sie immer früher vom Arbeitsmarkt abgreifen. Der Boom von dualen Studiengängen spricht da eine deutliche Sprache. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Trend sogar noch einen Schritt weiter geht und man gute Leute schon vor dem Abitur an die Unternehmen bindet. Vereinzelt gibt es das schon; ich kenne Firmen, die guten Azubis ein Stipendium anbieten, wenn sie ihr Abitur nachholen und danach studieren möchten.
Unter Fachkräftemangel verstehen die meisten immer direkt ein Studium, damit muss das gar nicht gemeint sein. Oft sind normale Ausbildungsberufe gemeint, in denen es einen Fachkräftemangel gibt, was auch gar kein Wunder ist, wenn immer mehr Menschen studieren gehen, anstatt eine Ausbildung zu machen.
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