Was genau sind Werksverträge und wie kommen sie zustande?

vom 02.04.2012, 21:27 Uhr

Ich habe eben in der Gewerkschaftszeitung gelesen, dass die Gewerkschaft beklagt, dass es immer mehr Werksverträge gibt. Sie spricht von moderner Sklaverei. Diese Werksverträge verdrängen wohl die Zeitarbeitsfirmen, aber dennoch bekommt ein Arbeiter mit Werksvertrag mehr als 6 Euro weniger die Stunde als ein Arbeiter der Stammbelegschaft. Besonders in der Lebensmittelindustrie sind wohl bereits weit mehr als 50 Prozent mit Werksvertrag tätig und es werden immer mehr.

Was aber ist genau ein Werksvertrag und wie kommen solche Werksverträge zustande? Warum verdient ein Arbeiter mit Werksvertrag so viel weniger als ein Stammarbeiter der Firma?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



In einem Werkvertrag regeln die Vertragsparteien die Durchführung einer bestimmten Tätigkeit. Das wie und wo ist dabei immer individuell zu vereinbaren.

Im Prinzip beauftragt Firma A die Firma B damit, z.B. das Verpacken und Versenden von gefertigten Erzeugnissen zu übernehmen. Also kommen Mitarbeiter der Firma B in das Werk der Firma A und übernehmen dort diese Tätigkeiten. Bezahlt werden die Mitarbeiter von Firma B zu deren Bedingungen, Firma A zahlt an Firma B die vereinbarte Summe.

So weit, so gut. Was die Gewerkschaften bemängeln ist dann wieder etwas ganz anderes. Vorher hat Firma A selber Angestellte gehabt, die diese Tätigkeiten ausführten. Meistens wurden diese Angestellten dann nach Tarif bezahlt. Dann kam die Leiharbeit in Mode, Firma A hat dann nach und nach eigenes Personal abgebaut und stattdessen Arbeitskräfte geliehen. Damit kommen die Zeitarbeitsfirmen ins Spiel, deren Aufgabe es war, passendes Personal zur Firma A zu schicken. Diese Mitarbeiter haben dann entsprechend der Bedingungen der Zeitarbeitsfirma (Firma C) ihren Lohn bekommen. In der Regel liegt dieser unter dem, was die Stammbelegschaft von Firma A bekommt.

Durch neue Tarifverträge ist hier nun wieder Bewegung in die ganze Sache gekommen, denn es ist in immer mehr Tarifverträgen geregelt, dass Leiharbeitnehmer nicht weniger Geld bekommen dürfen, als die Stammbelegschaft. Also möchte Firma A nun keine Leiharbeitnehmer mehr haben, denn die kosten ja nun einmal den Lohn sowie die "Gebühr" für die Firma C, unter dem Strich also wesentlich mehr, als vorher.

Jetzt schickt Firma A alle Leiharbeiter nach Hause und schließt einen Werkvertrag mit Firma B. Wie Firma B nun sein Personal beschafft, ist Firma A erst mal egal. Oftmals übernimmt Firma B nun die Leiharbeiter der Firma C (die kennen ja die Abläufe gut) und bezahlt diese nach eigenem Tarif, also wahrscheinlich noch mal schlechter. Für ein und dieselbe Tätigkeit wird der Lohn also immer geringer.

Mal ein Beispiel:
Mitarbeiter Firma A (Lohn 10€) ---> Mitarbeiter Firma B (8€) ---> Mitarbeiter Firma C (6€). Dabei kann es sich durchaus um "Hans Müller" handeln, in allen drei Fällen. Von A gekündigt, bei B eingestellt, dort gekündigt und zu C gewechselt. Ein und dieselbe Person, gleicher Arbeitsplatz, gleiche Tätigkeit, wesentlich weniger Lohn. Das ist das, was die Gewerkschaften bei diesem Modell bemängeln.

» Squeeky » Beiträge: 2792 » Talkpoints: 6,18 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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