Ausländischer Pfleger ein Problem?

vom 29.03.2012, 07:16 Uhr

Vielleicht hat ja jemand von euch gestern die Sendung von Anne Will gesehen. Dort ging es um das Thema Pflege. Eingeladen war auch Barbara Scheel, die Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten. Sie berichtete von ihren Erfahrungen mit einem Pflegeheim, in dem ihre Mutter bis zu deren Tod gepflegt wurde. Irgendwann erzählte sie, dass es für Mutter, oder vielleicht auch für sie selbst, ein Problem war, dass die Mutter von einem schwarzen Pfleger gewaschen wurde. Der Fokus lag hier mehr auf der Hautfarbe als auf der Tatsache, dass es sich um einen männlichen Pfleger handelte. Desweiteren bemängelte sie, dass viele der Pflegekräfte Ausländer waren und nicht so gut Deutsch sprachen. Diese Personen hätten die Mutter dann oft geduzt, was Frau Scheel als sehr herabwürdigend empfand. 

Ich bin grundsätzlich auch der Meinung, dass Pflegebedürftige mit Respekt behandelt werden sollten. Dazu gehört es dann auch, dass man sie nicht einfach so duzt, es sei denn, dies wurde angeboten. Allerdings fand ich ihre deutliche Betonung, dass es sich um einen “schwarzen Afrikaner“ gehandelt habe, der die Mutter gewaschen hat, ziemlich daneben. Ich weiß zwar auch, dass viele Leute nicht so sachlich mit dem Thema Pflege umgehen können, wie es ideal wäre. Es gibt sicher Personen, die sich am Geschlecht oder an der ethnischer Herkunft eines Pflegers stören. Manche Frauen stört es, wenn sie von einem Mann gewaschen werden und umgekehrt, obwohl es den Pflegekräften vollkommen egal ist, wem sie helfen. Die schauen einem nichts weg. Dennoch wird das oft anders empfunden. Sehr grenzwertig finde ich es aber, wenn eine Pflegekraft allein aufgrund der (vermuteten) Herkunft abgelehnt wird. 

Ein bisschen kurios wurde es dann noch, als Frau Scheel berichtete, dass sie ja eigentlich nichts gegen diesen Pfleger gehabt hätte, denn er sei ja ein ganz "netter Junge" gewesen. Vor dem Hintergrund, dass sie sich darüber aufgeregt hat, dass ihre Mutter vielleicht mal in dieser Pflegeeinrichtung geduzt wurde, erscheint diese Aussage schon fast lächerlich. Schließlich ist eine solche Titulierung für einen vermutlich erwachsenen Menschen kein bisschen besser, sondern zeugt für mich von der Geringschätzung, mit der diese Frau dem ausländischen Pfleger entgegengetreten ist.

Hab die diese Sendung gestern gesehen? Wie habt ihr die Aussage von Frau Scheel empfunden? Fandet ihr es ebenfalls gut, dass einer der anderen Studiogäste eingegriffen hat und diese Aussage kritisiert hat? Hätte Anne Will sich vielleicht kritischer äußern sollen? Abgesehen von der speziellen Sendung interessiert mich auch, ob ihr persönlich ein Problem damit hättet, wenn ihr von einem ausländischen Pfleger gepflegt werden würdet?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Anne Will soll die Sendung ja eigentlich moderieren und nicht in eine ihr genehme Richtung lenken. Daher ist es sicher die Aufgabe der anderen "Gäste", hier einzugreifen und eine unpassende Bemerkung oder gar herabwürdigende und diskriminierende Aussagen zu erwidern. Nur in ganz extremen Fällen sollte der Moderator oder die Moderatorin hier "von außen" eingreifen.

Ich habe die Sendung zwar dann auch nicht gesehen, aber ich würde diese Aussagen auch eher mit Empörung aufnehmen. Wobei ich jetzt nicht unterstelle, dass die Familie Scheel bewusst rassistisch oder ausländerfeindlich agiert bzw. sich über die tragweite der Sache klar ist. So was verstehe ich jedenfalls unter dem latent vorhandenen Rassismus, der nicht seinen Ausdruck darin findet, dass Menschen anderer Hautfarbe körperlich angegriffen werden. Diese Gewalt würden auch die Menschen (vermutlich) ablehnen, die selbst aber nicht von "Dunkelhäutigen" gepflegt werden wollen.

Hier aber zeigt sich an Hand eines "normalen" Beispiels, was mit Ursache von vielen Schwierigkeiten in Deutschland (ich will jetzt nicht darüber reden, wie es in anderen Staaten der Welt ist!) ist, wenn es um sogenannte "Integration" oder aber den Status "Einwanderungsland" geht. Leider ziehen sich diese Schwierigkeiten auch weiter und betreffen nicht nur Menschen anderer Hautfarben, sondern auch "weiße" Ausländer, andere Religionen (nicht allein den Islam!) aber auch ganz private Punkte (wie z.B. die sexuelle Orientierung). Es ist nämlich doch die tief verwurzelte Ablehnung innerhalb der breiten bürgerlichen Mittelschicht (vermutlich schon auch auf Grund der Angst, seine Position bzw. den gesellschaftlichen Status zu verlieren oder Teile davon einzubüßen).

Seltsam finde ich aber auch den Umgang, wenn man sich z.B. ernsthaft daran stört, geduzt zu werden, aber mutmaßlich die Person auf diesen "Fehler" nicht aufmerksam macht. Selbst ein Ausländer dürfte sich merken, wenn eine Person das "Sie" einfordert, dass hier eben das "Du" nicht mehr angebracht ist.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe die Sendung nicht gesehen, aber es geht ja auch um den Inhalt, denke ich. Ganz spontan würde es mich auch ärgern, wenn jemand keine ausländische Pflegekraft möchte, beziehungsweise das scheinbar nur an der Hautfarbe fest macht.

Mich persönlich stört die Hautfarbe generell an sich nicht. Aber ich gebe es zu, ich habe durchaus Probleme damit, wenn ich mich mit einer Pflegekraft oder gar einem Arzt nicht wirklich kommunizieren kann. Und das durfte ich leider schon mehrfach erleben. Und wenn man in einem Krankenhaus oder einer sonstigen Einrichtung ist, die eben pflegerische Tätigkeiten bei einem Menschen vornimmt, der krank ist, hat der Patient da mit genügend anderen Sachen zu kämpfen, als sich darum zu kümmern, den anderen zu verstehen.

Wobei sicherlich unterschieden werden muss, um welche Art der Pflege es geht. Geht es nur um Waschen, ist das sicherlich eine Arbeit, die nicht zwingend durch eine Kommunikation begleitet werden muss. Anweisungen stehen dann eh in der Akte und da sollten alle vom Pflegepersonal drüber informiert sein. Ich kenne nun aber auch sogenannte Bezugspflege, die sich vor allem durch Gespräche mit dem Patienten zusammen setzt. Da ist es schon schwierig, wenn man den Pfleger nicht versteht. Das ist aber in meinen Augen unabhängig von der Hautfarbe. Schwierig finde ich auch, wenn man im Kontakt mit Ärzten steht, die zwar deutsch sprechen, aber mit einem Akzent, den man nicht versteht. Mir persönlich ist es dann eher peinlich nach zu fragen.

Generell macht auch der Ton die Musik, denke ich. Ich kenne auch Pflegepersonal, welches eine helle Hautfarbe hat und fließend deutsch spricht und in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Und irgendwann mal längere Zeit bei der Bundeswehr waren. Die sprechen mit ihren Patienten nur im Kommandoton, was ich als sehr belastend empfinde.

Zu der Aussage der Junge wäre nett gewesen, das sehe ich ein wenig zwiespältig. Wir wissen nicht, wie alt die Person war. Vielleicht war es ein Praktikant oder jemand in der Ausbildung, den man doch dann gerne eher noch als Jungen ansieht. Auch bereits erwachsene Männer, die noch sehr kindlich wirken, werden ja gerne als Junge bezeichnet. Deshalb würde ich das nun nicht zwingend als abwertend bezeichnen.

Die Duzerei und Siezerei ist etwas, was für jemand, der aus einem Land kommt, in dem es die Unterscheidung nicht gibt, sicherlich schwer zu begreifen ist. Wen duzt man, wen spricht man mit Sie an. Wobei auch viele Deutsche dazu neigen, Menschen die einem als eindeutig nicht deutsch erscheinen, einfach zu duzen. Das sollte man auch Bedenken.

Zur Pflege durch das andere Geschlecht. Ich gehöre zu den Menschen, die damit ein Problem haben, wenn ein Mann Blutdruck misst. Da geht es weniger darum, dass Mann mir was weg schauen könnte, es geht eher um die generelle Berührung oder das es mit einfacher fällt, zu einer weiblichen Person vertrauen zu entwickeln. Klar braucht man generell zum Blutdruck messen keine Vertrauensbasis. Mir aber ist das wichtig. Und ich erwarte dann von der Gegenseite auch so viel Professionalität, dass es sich nicht darum dreht, ob ich den anderen nun leiden kann oder nicht.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich habe die Sendung auch nicht gesehen, aber dass offenbar so sehr betont wurde, welche Hautfarbe der Pfleger hat, hätte mich auch sehr irritiert. Mir persönlich wäre es nämlich vollkommen egal, welcher Ethnie der Mensch angehört, der mich pflegt. Es kommt doch auf andere Dinge an. Der Pfleger sollte freundlich, respektvoll und höflich sein, auf die Wünsche der betreuten Person eingehen, und ja, dass man sich sprachlich verständigen kann, finde ich auch wichtig. Allerdings gibt es genügend Menschen ausländischer Herkunft, die ausreichend Deutsch sprechen können. Mit denen sollte es doch keinerlei Probleme geben, egal, aus welchem Teil der Welt sie stammen.

Aber es ist tatsächlich leider so, dass gerade ältere Menschen teilweise noch Vorbehalte gegenüber Menschen mit anderen Hautfarben haben. Barbara Scheel war zu dem Zeitpunkt meines Wissens 70 Jahre alt. Solchen Menschen sind dunkelhäutige Menschen teilweise einfach fremd. Vielleicht auch gerade der Mutter von Barbara Scheel, die dann ja sicher auch schon ziemlich alt gewesen ist. Vielleicht meinen sie es gar nicht böse, aber sie sind es einfach nicht gewohnt, mit beispielsweise Leuten afrikanischer Herkunft zu interagieren. Und Fremdes macht Leuten teilweise Angst. Das entschuldigt natürlich keinen Rassismus, aber es wäre vielleicht eine Erklärung für dieses Verhalten und für die komischen Sprüche von Barbara Scheel. Wobei die vielleicht nicht einmal absichtlich rassistisch waren, sondern einfach nur etwas unpassend ausgedrückt. Wobei ich den genauen Wortlaut nicht kenne. Es wäre vielleicht gar nicht so schlecht, den hier einmal zu zitieren, damit man das genauer beurteilen kann.

Was nun aber die Pflege durch Personen des anderen Geschlechts betrifft, kann ich Kritik schon eher verstehen. Sicher macht das nicht jedem etwas aus, aber wenn es einer pflegebedürftigen Person etwas ausmacht, dann sollte man das auch respektieren. Es gibt viele Gründe, wieso man vielleicht nicht von Menschen des anderen Geschlechts berührt werden möchte. Wenn ich allein schon an die traurigerweise nicht gerade wenigen Menschen denke, die in ihrem Leben mindestens einmal, wenn nicht sogar mehrfach, sexuelle Gewalt erlebt haben, dann wird es da viele geben, die eher nicht von fremden Menschen eines anderen Geschlechts angefasst werden möchten, und wenn es auch nur zum Waschen wäre.

Zum Thema Duzen würde ich meinen, dass man den Pfleger, wenn man das Duzen als störend empfindet, einfach darauf ansprechen sollte. In vielen Ländern ist man sehr locker mit dem Duzen und merkt gar nicht, dass man damit jemanden beleidigen könnte. Also in dem Fall sollte es helfen, einfach mal darüber zu reden. Kaum ein Ausländer, der unbedacht jemanden duzt, will ihn damit absichtlich kränken. Wenn er merkt, dass es als unhöflich gilt, versucht er also normalerweise, sich schnell umzugewöhnen. Jedenfalls habe ich diese Erfahrung gemacht, beispielsweise bei Austauschschülern, die sich hier auch erst einmal auf das Siezen umgewöhnen mussten.

Wäre ich ein Mitglied der oben genannten Talkrunde gewesen, hätte ich wohl auch einige Worte zu den Erzählungen von Barbara Scheel verlieren wollen. Ich finde es sinnvoll, in so einer Situation nachzufragen und zu hinterfragen. Vielleicht bemerken einige Leute dann ja, dass ihre Aussage einen rassistischen Unterton hatte. Wobei ich irgendwie befürchte, wenn man schon solche Sprüche von sich gibt, und so sehr daran Anstoß nimmt, wenn ein Mensch eine andere Hautfarbe als man selbst hat, dann ist man auch nicht wirklich offen dafür, seine Denkweisen und Meinungen zu überdenken.

Ach so, und vielleicht sollte man sich auch mal einen Gedanken machen, wenn man tatsächlich ein Problem damit hat, dass es viele ausländische Pflegekräfte gibt. Und zwar, wieso dies denn so ist. Es werden ja wohl kaum Menschen aus aller Welt extra nach Deutschland reisen, um hier Pfleger zu werden, weil sie sich das Leben als Pfleger in Deutschland so wunderbar vorstellen. Nein, die Pflegeagenturen, nicht alle, aber doch so einige, suchen sich doch extra Kräfte aus dem Ausland, weil diese billiger sind. Dann arbeiten hier in den Heimen eben Polinnen oder Tschechinnen, die kaum Deutsch sprechen. Daran sind diese Leute aber wohl kaum selber "Schuld", sondern eher die Pflegefirmen, die billige Arbeitskräfte haben wollen. Oftmals werden diese ausländischen Pflegehelferinnen und Pflegehelfer dann auch regelrecht ausgenutzt und müssen für wenig Geld viele Stunden schuften. Hier gibt es beispielsweise ein PDF von der ZDF-Sendung "Monitor" zu diesem Thema.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Zu der Sendung kann ich nichts sagen, weil ich sie auch nicht kenne. Aber allgemein sehe ich dieses Thema etwas zwiegespalten. Die Apotheke, in der ich arbeite, beliefert auch ein Altenheim und dabei finde ich es manchmal erschreckend, wenn ich eine Pflegerin aus einem anderen Land am Telefon habe, die ein Arzneimittel bestellt und kaum die deutsche Sprache versteht. Dabei mache ich mir manchmal schon so meine Gedanken, ob diese Menschen die Bewohner des Altenheims wirklich gut betreuen können, wenn sie sie nicht richtig verstehen und mit ihnen sprechen können.

Aber das hat nichts damit zu tun, dass ich etwas gegen Ausländer hätte und auch einen dunkelhäutigen Pfleger würde ich akzeptieren. Allerdings finde ich es einfach für die Betreuung der Bewohner wichtig, dass die Sprache von den Pflegern wenigstens einigermaßen beherrscht wird. Dass die Pflegerinnen mich am Telefon auch schon mal duzen, darüber höre ich einfach hinweg, weil ihnen wahrscheinlich die Unterscheidung zwischen "Du" und "Sie" nicht so recht bekannt ist. Wenn einen das als Bewohner oder Angehöriger aber stört, dann würde ich es sagen und mich nicht im Nachhinein darüber beschweren.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


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