"Auge um Auge" - gerecht?
Ich will nun keine Diskussion darüber führen, ob in einem einigermaßen fortschrittlichen Staat noch altertümliche Bestrafungsmethoden zeitgemäß sind. Es geht mir hier lediglich um die emotionale Komponente der Bestrafung von Tätern und um das Thema Gerechtigkeit. Für mein Gerechtigkeitsempfinden ist eine in Bezug auf die Tat absolut gleichwertige Strafe eigentlich die einzige Strafe, die wirklich gerecht ist - weil sie weder zu niedrig noch zu hoch angesetzt ist. Sie ist eben genau angemessen. Ich denke auch, dass man als Täter eigentlich immer darüber nachdenken sollte, dass das, was man anderen Menschen und Tieren antut, vielleicht selbst nicht erleben möchte. Wäre ich selbst Opfer und würde vielleicht lebenslang unter den Folgen eines Angriffs durch eine andere Person leiden, würde ich mich sehr schlecht fühlen mit dem Gedanken, dass der Täter vielleicht ein paar Jahre im Gefängnis sitzt (falls das überhaupt der Fall ist) und danach komplett normal weiterleben kann, während für das Opfer nichts mehr so wird wie es vorher war.
Wie bereits geschrieben, geht es hier nicht um die praktische Durchführbarkeit gleichwertiger Strafen, unter anderem auch Körperstrafen. Wie empfindet ihr eine Auge-um-Auge-Bestrafung in Bezug auf die Gerechtigkeit, die Täter und Opfer durch eine solche Strafe erfahren? Haltet ihr so etwas für ungerecht und vielleicht auch für sinnlos, oder würdet ihr euch, in die Rolle des Opfers versetzt, für den Täter mehr wünschen als eine einfache Gefängnisstrafe? Was ist überhaupt eine gerechte Strafe?
"Auge um Auge" war als Prinzip nie dazu gedacht, eine gerechte Strafe zu ermöglichen bzw. eine gerechte Strafe zu erwirken. Es ging dabei eher um eim Mäßigungsprinzip, so dass im Rachefall (bei "Auge um Auge" und "Zahn um Zahn" geht es nicht um Strafe oder Wiedergutmachung, sondern um Rache!) eine Obergrenze festgelegt wird, die zu tolerieren war. Eine "gerechte" Strafe kann es eigentlich bei schwerwiegenden Straftaten ja gar nicht geben und die Gesellschaft muss sich nur entscheiden, wohin die Sanktion gehen soll. Und in aufgeklärten Gesellschaften ist die Resozialisierung und Wiedergutmachung in den Vordergrund gerückt. Und genau diese fortschrittliche Tatsache wird von schlicht strukturierten Menschen eben als Ungerecht empfunden. Natürlich auch von direkt betroffenen - aber bei dieser Gruppe spielt eben der Rachegedanke eine vorrangige Rolle.
Um hier ein extremes Beispiel aufzuführen: ein Familienvater bringt eine andere Person ohne Kinder um. Die Beweggründe seinem mal außen vor. Wäre es dann wirklich "gerecht", diesen Familienvater (der fraglos ein Mörder ist) ebenfalls hinzurichten? Und gerecht in welchem Sinn? Schließlich ist der toten Person damit nicht geholfen (außer das sie "gerächt" worden ist). Und mit dem Hinrichten des Mörders werden Waisen geschaffen. Diese Waisen aber wären dann ebenfalls für eine Straftat bestraft, für die sie nichts können.
Die Idee, dass so was einen Täter abschrecken würde, gilt ja nun wirklich auch in sehr konservativen Lagern als überholt. Gerade in Staaten mit der Todesstrafe liegen die Morddelikte nicht wirklich unter dem durchschnitt bzw. in Staaten ohne Todesstrafe wird eben nicht wesentlich mehr gemordet, nur weil eine "Abschreckung" fehlt.
Cologneboy2009 hat geschrieben:[...]Für mein Gerechtigkeitsempfinden ist eine in Bezug auf die Tat absolut gleichwertige Strafe eigentlich die einzige Strafe, die wirklich gerecht ist - weil sie weder zu niedrig noch zu hoch angesetzt ist.
Ich überlege gerade, was "absolut gleichwertig" sein soll. Ich denke, das ist ein Zustand, den es allenfalls in der Mathematik gibt, aber nicht im menschlichen Zusammenleben. Es gibt keine "gleichen" Verhältnisse, wie derpunkt ja gerade aufgezeigt hat. Schon lange keine Gleichheit mit dem Anspruch der Absolutheit.
Der Schlüssel zur Lösung ist aber die "Wertigkeit". Gefunden werden sollte eine angemessener Ausgleich, was die Härte der Strafe angeht. Und weil dabei Rachegedanken schlechte Berater sind, sollte die Bewertung der Angemenssenheit einer neutralen, unparteilichen Institution überlassen werden.
Cologneboy2009 hat geschrieben:[...]Ich denke auch, dass man als Täter eigentlich immer darüber nachdenken sollte, dass das, was man anderen Menschen und Tieren antut, vielleicht selbst nicht erleben möchte.
Das ist Tätern doch alles bewusst, sehen wir mal von Handlungen im Affekt ab. Selbst das Bewusstsein, im Fall des Falles auf dem heißen Stuhl zu landen, hält doch trotzdem offensichtlich nicht von einem Delikt ab. Schön wäre es, wenn Menschen so funktionieren würden, nur tun sie das nicht.
Ich empfinde es auch nicht als befriedigend, mich durch die Bestrafung auf die Ebene des Täters herabzulassen. Damit mache ich mich ihm gleich und sehe keinen Fortschritt darin. Rache vielleicht und Rachegedanken sind auch verständlich, aber äußerst schädlich für das Zusammenleben.
Was du als "einfache Gefängnisstrafe" bezeichnest, wäre für mich persönlich eine ziemlich grausame Strafe. Freiheit ist doch so ziemlich das höchste Gut, was wir haben und deren Entzug finde ich schon heftig.
Richtlinie2 hat geschrieben:Und weil dabei Rachegedanken schlechte Berater sind
Das sehe ich schon auch so, muss aber zugeben, dass es schon immer wieder zu Abwehrkämpfen kommen kann, weil sich der Rachegedanke offensichtlich für viele als "Strafe" aufdrängt. Insbesondere dann, wenn die Taten emotional weite Teile der Bevölkerung so sehr erschüttern, dass der Boulevard sich des Themas über einen längeren Zeitraum annimmt. Ob dann Rache als Leitmotiv bei der Bestrafung dienen soll oder nicht, ist ja immer durch eine Art Gesellschaftsvertrag auszumachen. Heute haben wir das Glück, uns auch an Verbrechern nicht mehr "rächen" zu wollen. Aber man muss sich dessen Bewusstsein, um dieses auch zu verteidigen.
Richtlinie2 hat geschrieben:unparteilichen Institution überlassen werden
Genau das ist ja in meinen Augen entscheidend, wenn wir in einer Gesellschaft leben sollen, die funktionieren soll. Justitia ist Blind gegenüber dem Angeklagten - und unvoreingenommen. Ganz gleich ob König, Bürger oder Bauer. Aber auch unvoreingenommen hinsichtlich der Tat selbst. Oder wie sollte ein Vater, dessen Kind ermordet wurde, über den Mörder "gerecht" urteilen können/sollen? Damit aber zurück zu "Auge um Auge". Als nämlich noch Betroffene bei der "Bestrafung" Hand anlegen durften, endete das Rächen im Auslöschen von Familien. Das "Auge um Auge" Prinzip sollte dann doch wenigstens hinsichtlich der Opferzahl eine Begrenzung bieten, um nicht "über das Ziel hinaus" zu gehen. Aber aus der Sicht von heute: wie gerecht ist es, wenn der Vater des Opfers nun das Kind des Mörders töten darf? Ist hier dann Gleichheit oder Gerechtigkeit geschaffen?
Nebenbei finde ich es auch etwas befremdlich, wenn der Freiheitsentzug schon gar nicht mehr als Strafe gesehen wird. Dabei bedeutet dies die völlige Aufgabe der eigenen Freiheit. Nicht nur der "Reisefreiheit"! Alles wird nämlich unmittelbar fremdbestimmt (der gesamte Tagesablauf) und auch die Freiheit bzgl. Essen und Trinken ist hinüber und man ist als Gefängnisinsasse absolut dem Staate ausgeliefert. Ein wirklich schrecklicher Gedanke.
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