Steuern ohne Ende, wie kann der Staat verschuldet sein?

vom 19.03.2012, 11:58 Uhr

Wenn man arbeitet musss man Steuern zahlen auf das Geld, was man mit harter Arbeit verdient hat. Will man dann das Geld ausgeben muss man wieder Steuern zahlen, weil auf jedes Produkt, was man kaufen will wieder Steuern erhoben werden. Spart man das Geld, muss man auf die Zinsen Steuer zahlen. Hat man "zu viel" Geld, muss man Vermögenssteuer zahlen. Steuern ohne Ende und der Staat ist verschuldet. Wie kann ein Staat so verschuldet sein, wenn doch jeder kleine Bürger ständig Steuern zahlt? Irgendwie verstehe ich es nicht.

Dann wird auch noch immerzu von einer Steuererhöhung gesprochen und der Sprit ist mittlerweile so hoch versteuert, dass er Ausmaße annimmt, die noch nie gewesen sind. Ich frage mich dann wirklich manchmal, ob es rechtens ist, dass der Staat auf alles und jedes Steuern aufschlägt. Was ich überhaupt nicht verstehen kann ist, dass man Steuern zahlen muss, wenn man Geld verdient und dann auch noch, wenn man Geld ausgibt. Versteht ihr das mit den Steuern und denkt ihr, dass es einfach zu viel ist?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich finde es wirklich sehr viel. Meiner Meinung nach sollte jemand, der arbeiten geht, noch etwas drauf bekommen. Es ist schlimm, man zahlt Steuer bei Lohn, beim einkaufen, für Auto, Energie, Besitz und so weiter. Nur noch Steuern.

Bei so vielen Steuern kann ich wirklich gut nachvollziehen, dass man es nicht versteht warum unser Staat so hoch verschuldet ist. Schau mal, der Staat bekommt Geld und was macht er? Er gibt es zum Beispiel Griechenland. Damit haben sie vielleicht geholfen aber Schulden wachsen schon wieder damit.

» lucieskalova » Beiträge: 153 » Talkpoints: 0,29 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Der Staat hat ja nicht nur die von dir aufgezählten Einnahmen, sondern seinerseits ebenfalls viele Ausgaben. Denk doch nur mal daran, wie viel Geld Deutschland für die Rettung Griechenlands schon bezahlt hat und immer noch bezahlt. Damals nach der Wiedervereinigung hat Westdeutschland hohe Summen an Geld bezahlt, damit in Ostdeutschland wichtige Renovierungen und Instandsetzungen finanziert werden konnten.

Von den Steuern für das Benzin (es sind nicht nur die Steuern die diesen teuer machen, sondern der Grundpreis steigt einfach immer mehr an) werden dann halt die Straßeninstandsetzungen oder die Umbauten auf den Autobahnen finanziert. Woher soll denn das Geld kommen, wenn aus einer zweispurigen Autobahn eine vierspurige werden soll? Und vielleicht denkst du mal an all die Arbeitslosen. Die werden alle vom Staat und damit von unseren Steuern finanziert.

Der Staat sammelt das Geld ja nicht, weil er es lustig findet und damit die Politiker dann in einem Geldspeicher baden können wie Dagobert Duck, sondern weil das Geld eben gebraucht wird. Und gerade das macht uns doch aus, dass die Reichen eben auch die Armen mitfinanzieren. Wenn dir das nicht passt, wandere aus in die USA. Aber dann wirst du schön dumm schauen, wenn du mal deinen Job verlierst und dann plötzlich vor dem Nichts stehst. Da ist dann nämlich niemand da, der dich auffängt.

Ein weiteres Problem bei uns ist auch, dass die Alten eben immer älter werden. So muss die Rente immer länger bezahlt werden, was dann eben auch wieder die Jüngeren die noch arbeiten können, mit tragen müssen. Aber deshalb sind wir eben ein Sozialstaat. Und das ist mir persönlich lieber als die Alternative.

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» Endymion » Beiträge: 1015 » Talkpoints: 21,43 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Endymion hat geschrieben:Der Staat hat ja nicht nur die von dir aufgezählten Einnahmen, sondern seinerseits ebenfalls viele Ausgaben. Denk doch nur mal daran, wie viel Geld Deutschland für die Rettung Griechenlands schon bezahlt hat und immer noch bezahlt. Damals nach der Wiedervereinigung hat Westdeutschland hohe Summen an Geld bezahlt, damit in Ostdeutschland wichtige Renovierungen und Instandsetzungen finanziert werden konnten.

Für den Aufbau Ost wird ja zusätzlich auch noch Solidaritätsbeitrag bezahlt, welcher ursprünglich nur für ein Jahr gedacht war. Jetzt zahlt man schon über Jahre hinweg und es nimmt kein Ende.

Endymion hat geschrieben:Von den Steuern für das Benzin (es sind nicht nur die Steuern die diesen teuer machen, sondern der Grundpreis steigt einfach immer mehr an) werden dann halt die Straßeninstandsetzungen oder die Umbauten auf den Autobahnen finanziert. Woher soll denn das Geld kommen, wenn aus einer zweispurigen Autobahn eine vierspurige werden soll? Und vielleicht denkst du mal an all die Arbeitslosen. Die werden alle vom Staat und damit von unseren Steuern finanziert.

Steuern für den Sprit sind über 70%. Das Steht zumindest an den Zapfsäulen der Araltankstellen hier in der Gegend. Also ist der Grundpreis nicht dermaßen hoch. Der Staat kassiert das Meiste von dem Geld. Und die Straßeninstandsetzungen werden durch die Autosteuer finanziert. Oder wozu bezahlt man diese? OK, die Arbeitslosen werden durch die Steuern finanziert. Aber gleichzeitig auch aus den Arbeitslosenversicherungen von den Leuten, die jahrelang arbeiten ohne arbeitslos zu werden.

Endymion hat geschrieben:Wenn dir das nicht passt, wandere aus in die USA. Aber dann wirst du schön dumm schauen, wenn du mal deinen Job verlierst und dann plötzlich vor dem Nichts stehst. Da ist dann nämlich niemand da, der dich auffängt.

Ein weiteres Problem bei uns ist auch, dass die Alten eben immer älter werden. So muss die Rente immer länger bezahlt werden, was dann eben auch wieder die Jüngeren die noch arbeiten können, mit tragen müssen. Aber deshalb sind wir eben ein Sozialstaat. Und das ist mir persönlich lieber als die Alternative

In Amerika hat keine Abzüge beim Lohn. Da muss man sich freiwillig eine Arbeitslosenversicherung machen. Aber ohne was steht man auch nicht da, wenn man vorsorgt. Man muss es eben nur freiwillig und nicht gezwungener Maßen machen.

Klar werden die Alten immer älter. Aber man darf auch als Rentner nicht Unmengen dazu verdienen, auch wenn man will. Sowas darf nur ein Politiker bzw. ein Bundespräsident, der schon weit über 70 ist und im Geld baden kann, weil er ja Bundespräsident ist und auch noch eine Rente kassiert.

Ich muss sagen, dass ich es auch nicht verstehen kann, dass derartig viel Steuern bezahlt werden müssen und der Staat nur kassiert und die Hände aufhält.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Diamante hat geschrieben:In Amerika hat keine Abzüge beim Lohn. Da muss man sich freiwillig eine Arbeitslosenversicherung machen. Aber ohne was steht man auch nicht da, wenn man vorsorgt. Man muss es eben nur freiwillig und nicht gezwungener Maßen machen.

Klar werden die Alten immer älter. Aber man darf auch als Rentner nicht Unmengen dazu verdienen, auch wenn man will. Sowas darf nur ein Politiker bzw. ein Bundespräsident, der schon weit über 70 ist und im Geld baden kann, weil er ja Bundespräsident ist und auch noch eine Rente kassiert.

Klar zahlt man in den USA keine, bzw. nur sehr wenig Steuern. Aber viele können nicht so einfach noch Geld für eine Arbeitslosenversicherung aufbringen. Viele haben ja jetzt schon zwei oder drei Jobs um überhaupt über die Runden zu kommen. Wer seine Kinder auf ein College oder eine Universität schicken möchte, muss dafür teilweise Unsummen bezahlen. Da bleibt dann eben wenig Geld übrig, wenn man eine Altersvorsorge und andere Dinge schon bezahlt sich dann auch noch um den Fall zu kümmern, dass man arbeitslos wird.

Viele sehen dann ihr Eigenheim als eine solche Vorsorge an, aber diese Menschen stehen dann vor dem Nichts, wenn solche Unglücke wie mit Katrina (hab ich das jetzt richtig geschrieben?) passieren.

Bei den alten Menschen meinte ich jetzt eigentlich nicht unbedingt, dass sie noch Geld verdienen. Da ging es mir eher darum, dass wir eben das Problem haben, dass alte Menschen immer älter werden, es dafür aber immer weniger junge Menschen gibt. Das Pyramidensystem funktioniert also nicht mehr so, wie es sollte. Daher müssen die, die jetzt arbeiten eben mehr Steuern zahlen, um das irgendwie aufzufangen. Denn die Leute die jetzt alt sind, konnten damals ja schlecht Zusatzversicherungen abschließen wie wir das heute machen, weil es damals nicht abzusehen war, dass es sich so entwickeln würde.

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» Endymion » Beiträge: 1015 » Talkpoints: 21,43 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


MissMarple hat geschrieben:Steuern ohne Ende, wie kann der Staat verschuldet sein?"

Ich glaube, du unterliegst da etwas falschen Eindrücken. Dein Bild vom deutschen Steuerstaat ist vollkommen falsch. Die deutsche Besteuerung ist in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (also im Grunde zu dem, was wir hier erwirtschaften) international überhaupt nicht hoch und auch im EU-Vergleich durchschnittlich, ja eher günstig (selbst, wenn man die Sozialabgaben mit reinrechnet). Und die Steuerquote hat sich im Laufe der letzten 40 Jahre auch nicht so großartig verändert. Im Prinzip ist es sogar nicht falsch zu sagen, dass wir unter den alten Industrieländern das Niedrigsteuerland sind.

Wenn dir das allerdings als immer belastender vorkommt, wird das ganz einfach daran liegen, dass du in den letzten 10-15 Jahren keinen spürbaren Lohnzuwachs mehr hattest (während übrigens gleichzeitig die Gewinne der Unternehmen auch dank Steuerentlastungen sprudelten), gleichzeitig aber deine persönlichen Ausgaben immer mehr geworden sind. Zudem kannst du evtl. auch zu den Personengruppen gehören, die bei uns relativ hoch besteuert werden.

Wie entstehen nun die Staatschulden? Zum einen muss man sagen, dass es viele gute Gründe für Staatschulden gibt. Ich deute mal an: Ausgleich von Einnahmen Schwankungen, antizyklische Finanzpolitik, ohne Schulden keine Ersparnis (Staat tritt als "Lückenbüßer" auf, wenn in bestimmten Situationen niemand mehr dein Erspartes leihen möchte, ansonsten würde die Binnenkonjunktur einbrechen), Zukunftsinvestitionen. Ich mag nicht näher drauf eingehen, bitte suche selber im Netz. Ein großer Teil der Schulden ist zunächst in der Zeit der Wiedervereinigung entstanden. Das ist so und das ist ja auch irgendwie gut so. Trotzdem war der Schuldenstand damals noch total moderat.

Und dann ging der Spaß los. Denn es gibt ja nicht nur die Ausgabenseite, sondern auch eine Einnahmenseite. Etwa mit der Jahrtausendwende kam dann Schröder und die Rotgrüne Koalition: mehrfache Einkommensteuersenkung, Spitzensteuersatzsenkung, Körperschaftssteuersenkung, Einführung Halbeinkünfteverfahren, Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen bei Unternehmen, Senkung der Steuern für Beherbergungsdienstleistungen. Insgesamt sind dem Staat damit Unsummen an Einnahmen weggebrochen. Das allerdings war politisch gewollt. Und nun schreit man: Der böse Sozialstaat ist Schuld, denn diese Ausgaben gibt es natürlich weiterhin. Krank, absolut krank.

Man hat sich durch diese Steuersenkungen erhofft, dass das Investitionen ungeahnten Ausmaßes erzeugen würde (das sagt zumindest die neoklassische Volkswirtschaftslehre), hat es aber nicht. Ein großer Teil des Geldes fand stattdessen wohl eher den Weg an die Finanzmärkte. Und hier begann dann das Drama. Als nämlich die Banken zusammenbrachen, wurden die durch die Staaten, also durch Steuergelder gerettet. Und erst das führte dazu, dass viele Staaten heute so relativ hoch verschuldet sind. Wenn man also ehrlich ist, haben wir es nicht mit einer Staatsschuldenkrise zu tun, sondern mit den Folgen einer Finanzkrise.

Nicht der Staat mit zu hohen Ausgaben ist das Problem, es ist zum einen das gewollte Wegbrechen der Einnahmen, die gewollte "Verarmung" oder Stagnation bei der arbeitenden Bevölkerung und die Folgen der Rettung der Banken. Witzig sind da die Forderungen einiger Leute: Steuern runter! Wozu? Damit noch mehr Einnahmen wegfallen? Nein, wir brauchen eine hohe Einkommmensteuer im oberen Bereich, wir brauchen Vermögensteuern, wir brauchen Erbschaftssteuern, wir brauchen weniger Steuerschlupflöcher und und und.

Hätte der Staat noch eine Einnahmequote wie zu Kohls Zeiten lägen die Einnahmen der Haushalte fast 900 Milliarden Euro höher. So viel Geld ist insgesamt durch die ganzen Senkungen flöten gegangen. Die Schulden der Haushalte lägen heute fast nur noch halb so hoch. Wir hätten eine Schuldenquote von nur ca. 50%. Aber nein, das wollte man nicht (Zugegeben, ein bisschen eine Milchmädchenrechnung, aber die Richtung stimmt).

Nun daraus dann eine "Staatsschuldenkrise" zu konstruieren und in die Köpfe der Menschen zu hämmern, ist dreist, falsch, aber ganz im Sinne derer, die das große Geld drehen. Denn das Resultat ist, dass Menschen wie du das Gefühl haben, Steuern ohne Ende zu zahlen und sich einem raffgierigen Staat gegenüber sehen, der seine Ausgaben nicht im Griff hat. Aber wie gesagt, das Problem sind verschenkte Einnahmen und die Lasten der Finanzkrise.

Und damit du nicht nur denkst, es gäbe nur noch Schulden in diesem Land (frei nach der dämlichen Schuldenuhr des Lobbyistenvereins "Bund der Steuerzahler"), die Realität ist, es gibt weit mehr Vermögen und dieses Vermögen wächst auch noch fast dreimal so schnell, wie die Schulden (Die liegen übrigens bei ca. 2100 Mrd. Euro). Schau mal hier. Geld ist in diesem Land genug vorhanden, das Problem ist, dass es sich in immer weniger Händen befindet (schau, was das reichste Zehntel da so zur Verfügung hat) und zusätzlich noch von der Politik entlastet wurde.

P. S. Wie kommst du darauf, dass hier einer Vermögensteuer zahlen muss? Die wird dank Kohl seit 1997 nicht mehr erhoben. Yippie Yeah! Ach, da hast du nichts von. Macht nichts, haben wir alle nicht.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Mit den Steuern muss ja auch der Ehrensold von fünf noch lebenden ehemaligen Bundespräsidenten bezahlt werden und dies macht allein schon einen Betrag von 1,2 Millionen Euro aus. Wenn man dann noch bedenkt, dass jeder Ex-Präsident das Recht auf ein eigenes Büro und einen Chauffeur hat, vervielfacht sich der Betrag noch. Auch alle ehemaligen Politiker, die mal ein hohes Amt bekleidet haben, bekommen eine recht hohe Pension und ich möchte nicht wissen, wie hoch der Betrag allein für Politiker-Pensionen ist. Dies geht mit Sicherheit in die Milliarden und der kleine Mann wird mit kleinen Gehaltszuwächsen nahezu abgespeist.

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



kowalski6 hat geschrieben:Mit den Steuern muss ja auch der Ehrensold [...] der kleine Mann wird mit kleinen Gehaltszuwächsen nahezu abgespeist.


Das ist doch nun wirklich populistisches Stammtischgerede. Vornehmer kann ich das nun wirklich nicht ausdrücken. Natürlich gibt es im Detail ganz bestimmt Unanständigkeiten, Ungerechtigkeiten und auch Unglaublichkeiten. Wenn ein Politiker wie Steinbrück z. B. eigentlich ein Bundetagsmandat hat, aber so gut wie nie vor Ort gesehen wird, während er fleißig gut dotierte Vorträge quer durch die Republik abhält, gleichzeitig an seinem Buch schreibt und wir Steuerzahler bezahlen das alles auch noch, dann ist das sicher eine Sauerei und wir könnten viel Geld sparen. Natürlich, so etwas gibt es und diese Unverfrorenheiten ärgern mich auch zutiefst. Aber im Grunde sind das doch Marginalien.

Man muss den Beruf des Politikers ja auch mal in Konkurrenz zu einem Beruf in der Wirtschaft sehen. Denn dort würde ein Politiker in vergleichbarer Positionen noch weit mehr verdienen und auch weit höhere Altersbezüge erhalten. Wobei ich sagen muss: Auch das muss man heute natürlich kritisieren, wenn man da an die Gehälter im Top-Management denkt.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass der Politiker es heute einfacher hat, wenn er an seinem politischen Amt scheitert. Die Verflechtungen zu Lobbyisten und Netzwerken in der Wirtschaft sind heute dermaßen groß, dass es einen viel stärkeren Drehtüreneffekt gibt, als das noch vor 20,30 Jahren der Fall war. Damit nimmt leider auch das Ausmaß der Schweinereien zu. Nur, wer wird als Minister quasi sein Privatleben für viele Jahre opfern, d. h. 16 Stunden am Tag für sein Amt zur Verfügung stehen, wenn er dafür nicht anständig bezahlt wird?

Das Schimpfen über die Bezüge von Politikern mag beim 6. Bier ja durchaus Spaß machen, ändert aber doch gar nichts an den bestehenden Problemen. Zu kritisieren ist doch das, was Politik entschieden hat und was dann erst zu den Einnahmeproblemen geführt hat (es gab nie ein Ausgabenproblem). Zu kritisieren ist die Idee von freien, liberalisierten Märkten und schwachen Staaten, zu kritisieren ist, dass auf der einen Seite Reden auf die Demokratie und die Freiheit geschwungen werden und gleichzeitig Entscheidungen in diesem (und anderen) Ländern längst nicht mehr demokratisch getroffen werden, sondern nur noch an der Nützlichkeit für die Märkte gemessen werden. Zu kritisieren ist, dass nicht gewählte Technokraten ganze Länder regieren (siehe Griechenland, siehe Italien), die dann zudem mit den Unternehemen der Finanzwirtschaft verbunden sind, die die Finanzkrise erst so richtig ausgelöst haben. Zu kritisieren ist, dass eine Frau Merkel laut ausspricht, dass sie parlamentarische Mitbestimmung so gestalten wolle, dass sie marktkonform sei - nicht demokratisch. Zu kritisieren ist der Fiskalpakt und das komplette Spardiktat, mit dem am Ende unserem Parlament das Haushaltsrecht beschränkt wird, dem wichtigsten Recht, das ein Parlament überhaupt hat. Zu kritisieren ist, dass Politiker heute mehr Angst vor dem Vertrauensverlust der Märkte, als vor dem Vertrauensverlust der eigenen Bürger haben. Zu kritisieren ist, dass man den Unsinn verbreitet, dass Staaten durch simples Sparen (wie die schwäbische Hausfrau) ihre Schulden loswerden würden und den Eindruck erweckt, Staaten könnten so funktionieren, wie eine privater Haushalt.

Es gibt eine Menge, was man kritisieren kann, die Diskussionen um Altersbezüge von Politikern lenken aber nur von den wirklichen Problemen vollkommen ab. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist so eine Art Opium fürs Volk.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Das Problem sind ja nicht zu geringe Einnahmen, sondern zu hohe Ausgaben. Alleine für die Rentenzahlungen gehen ja jährlich 80 Milliarden Euro drauf. Dazu noch die andere Sozialausgaben, Straßenbau, der Beamtenapparat, Agrarsubventionen, Umverteilung vom Staatshaushalt nach Brüssel, Entwicklungshilfe, Staatshilfe für Banken und Länder, Verteidigungsetat und so weiter.

Deutschland leistet sich nun einmal den Luxus eines relativ ausgeprägten Sozialsystems und stopft gleichzeitig noch Subventionen in fragliche Dinge (ich finde es nicht so toll, dass Bauern in Spanien mein Geld bekommen oder wir demnächst dutzende Milliarden ausgeben um Hungersnöte in Griechenland abzuwenden, wenn das Land endlich aus der EU austritt) - die Augaben sind schlicht höher als die Einnahmen. Nicht vergessen darf man auch, dass wir Schuldendienst leisten müssen, das bedeutet, dass wir für die schon entstandenen Staatsschulden eine riesige Menge Zinsen zahlen müssen, die unseren Staatshaushalt natürlich auch belasten.

Es gibt 3 Auswege aus der Staatsverschuldung für Deutschland: Wirtschaftliches Wachstum, Sparen oder Währungsreform. Deutschland setzt auf wirtschaftliches Wachstum durch Lohnverzicht bei den Angestellten - nur das die Angestellten dem nicht freiwillig zustimmen, sondern Deutschland die Gesetze so regelt, dass die Reallöhne einfach sinken. Das ist super für die Wirtschaft. Gleichzeitig wollen wir ja zukünftig noch die Ausgaben begrenzen (Schuldenbremse). Das größte Risiko für Deutschlands wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit ist auch Deutschlands größte Stärke: Der Europäische Markt.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Diamante hat geschrieben:[...]In Amerika hat keine Abzüge beim Lohn. Da muss man sich freiwillig eine Arbeitslosenversicherung machen. Aber ohne was steht man auch nicht da, wenn man vorsorgt. Man muss es eben nur freiwillig und nicht gezwungener Maßen machen.

Die Systeme in den USA und in Deutschland zu vergleichen ist mehr als schwierig. In den USA ist die (staatliche) soziale Sicherung für mich schwierig zu durchschauen. Auch die Arbeitslosenversicherung ist eine windige Sache mit sehr vielen Fallstricken. Man wird dir jedoch bestätigen, dass die Zahlungen kaum ausreichen, die Miete zu bezahlen. Das Krankenversicherungssystem ist gruselig und ein Albtraum für die, die chronisch krank sind und sich natürlich privat versichern müssen. Insgesamt gilt in den USA, das System schützt nur die, die es sich leisten können und vor allem die nicht, die es brauchen. Alle anderen fallen in ein Netz aus privat organisierter, freiwilliger Hilfe, finanziert aus Spenden und ehrenamtlicher Tätigkeit. Oder sie landen ganz konsequent und ganz schnell auf der Straße. Und das ist etwas, was man in den USA ganz konkret "besichtigen" kann und was es in diesem Ausmaß hier (noch) nicht gibt. Aber das gehört in den USA dazu: It's not a bug, it's a feature!

Diamante hat geschrieben:[...]Ich muss sagen, dass ich es auch nicht verstehen kann, dass derartig viel Steuern bezahlt werden müssen und der Staat nur kassiert und die Hände aufhält.

Wenn ich das so höre, müsste dieser Raubtierstaat ja Unmengen an sprudelnden Steuerquellen haben. Kannst du das bitte, bitte mal an irgendwelchen nachvollziehbaren Zahlen belegen.

Schau dir mal die Zahlen von Eurostat zur Abgabenquote an. Falls du das nicht alles verstehst, wirf doch nur einen Blick auf die Grafiken und Tabellen. Da geht es um den europäischen Vergleich der Abgabenquote (Steuern und Sozialabgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt), auch im Zeitablauf (Tabelle 1, Seite 5). Deutschland liegt da völlig im Rahmen. Und dabei solltest du nie vergessen, wir sind eines der reichsten Länder dieser Erde.

Das Problem ist nicht die Höhe der Abgaben insgesamt, die haben sich im Zeitablauf bezogen auf das, was wir hier erwirtschaften, nicht so schrecklich verändert, sondern die Frage, ob bei uns nicht die Falschen mit zu hohen Abgaben belastet werden. Es ist wie immer eine Frage der Verteilung. Teil des Problemes ist also das hier. Ich hatte weiter oben angedeutet, wie vor allem Unternehmen und Vermögen in den letzten Jahren entlastet wurden und wie die Löhne stagnierten. Das Ergebnis zeigt die Grafik.

Man kann es nicht oft genug anmerken: Das war politisch so gewollt. Die Losung seit drei Jahrzehnten lautet: Es gibt keine Alternative ("There is no alternative = TINA-Prinzip). Beteiligt waren: SPD, GRÜNE, CDU, CSU, FDP. Dort kannst du dich bedanken. Änderung überigens nicht in Sicht.

TuDios hat geschrieben:Das Problem sind ja nicht zu geringe Einnahmen, sondern zu hohe Ausgaben.

Wirklich? Fragen wir doch mal einen unserer fünf Wirtschaftsweisen, Herrn Professor Doktor Bofinger. Er hat sich 2008 so geäußert und ich kann dir versichern, das Problem ist nicht geringer geworden. Und nochmal: Es gibt diverse Berechnungen über die Steuerausfälle durch die Senkungen der letzten Jahre. Das kann man nicht einfach wegwischen. Hier die des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung.

TuDios hat geschrieben:Alleine für die Rentenzahlungen gehen ja jährlich 80 Milliarden Euro drauf.

Und die möchtest du streichen oder was? Was wäre wohl gewesen, wenn sich die Lohnentwicklung der letzten Jahre nicht so dargestellt hätte, wie sie war? Und bitte vergiss nicht die Lasten der Wiedervereinigung, gerade für den Berich der Rente. Wir können die Leute ja schlecht verhungern lassen. Und wieso leisten wir uns so viele Leute, die in dieses System nicht einzahlen?

TuDios hat geschrieben:Dazu noch die andere Sozialausgaben

Zu den Grundwerten unserer Verfassung gehört nun mal das Sozialstaatsgebot. Man muss sich in diesem Zusammenhang dann fragen, wieso sich große Teile der besser gestellten Bevölkerung aus diesem System eigentlich verabschieden können und warum Beiträge in dieses System eigentlich gedeckelt sind?

TuDios hat geschrieben:, Straßenbau, der Beamtenapparat, Agrarsubventionen, Umverteilung vom Staatshaushalt nach Brüssel, Entwicklungshilfe, Staatshilfe für Banken und Länder, Verteidigungsetat und so weiter.

Einiges ist diskutierbar, aber bitte vergiss dabei nicht, wir sind bisher diejenigen, die am meisten von der EU profitiert haben. Oder war es unsere Wirtschaft? Na ja, die ist ja heute wichtiger, als wir Menschen.

TuDios hat geschrieben: die Augaben sind schlicht höher als die Einnahmen. Nicht vergessen darf man auch, dass wir Schuldendienst leisten müssen, das bedeutet, dass wir für die schon entstandenen Staatsschulden eine riesige Menge Zinsen zahlen müssen, die unseren Staatshaushalt natürlich auch belasten.

"Auch belasten" - aber: 2007 hatten der Bund eine Gesamtverschuldung von 962 Mrd. Euro (39,55% des BIP). Die Zinslast lag bei 38,8 Mrd. Euro. Das entsprach einem rechnerischem Zinssatz von 4% und entsprach 1,7% des BIP. 2010 waren es 1110 Mrd. Euro (44,4% des BIP). Die Zinslast lag aber nur noch bei 33,1 Mrd. Euro, was einem rechnerischem Zinssatz von 2,98% und 1,5% des BIP entsprach. Nun schau dir die letzte Auktion der Bundesanleihen an. Die 10-jährigen Anleihen liegen nun sogar noch tiefer, nämlich bei 2,0%. Die Kosten für die Verschuldung sinken für uns. Wir profitieren von der spekulationsbedingten Finanzierungskrise (ich sage absichtlich nicht Staatsschuldenkrise), weil wir mit Geld zugeschüttet werden. Wir sind die Krisengewinner und an der Zinsfront sieht es derzeit "Gold" für uns aus.

TuDios hat geschrieben:Es gibt 3 Auswege aus der Staatsverschuldung für Deutschland: Wirtschaftliches Wachstum, Sparen oder Währungsreform.

Wachstum - okay. Sparen - Unsinn, denn wie wir an Italien, Spanien, Portugal und Griechenland sehen, führt Sparen wohin? Sparen als Wachstumskonzept konnte mir noch niemand schlüssig erklären. Eine schwäbische Hausfrau kann sparen. Wenn aber die Konsumenten sparen, der Staat spart, die Wirtschaft spart, wer bezahlt denn dann die Zinsen für all das Ersparte? Da bleibt nur noch das Ausland. Dem aber verordnen wir ja gerade auch das Sparen. Droht vielleicht eine Invasion zahlungskräftiger Marsmännchen, oder wie soll das laufen? Und wenn alle sparen, wer kauft dann noch unsere Produkte? Währungsreform? Hölle, du bist zu viel auf den falschen Internetseiten ;) Streng genommen müsste Deutschland ja mit einer eigenen Währung kräftig aufwerten. Aber was heißt das für den Export, von dem wir leben? Richtig, wie würden teurer für das Aulsand und dann hätten die plötzlich viel weniger Interesse an unseren Autos.

Was ist so schwer daran zu verstehen, dass bei uns genug Geld vorhanden ist? Nur traut sich der Staat eben nicht mehr ran und das trotz einer historischen Krise. Die Umverteilung die wir haben, findet seit geraumer Zeit von unten nach oben statt und das kann man beeinflussen. Man tut es aber nicht.

Das geht dann eben so lange, bis uns die Bude um die Ohren fliegt. Wahrscheinlich kennt keiner von euch den guten alten Schumpeter (Ökonomen müssen ihn allerdings kennen). Er hat vor etwa 70 Jahren geschrieben, dass der Kapitalismus einen Prozess der schöpferischen Zerstörung als wesentliches Faktum benötigt. Damit müsse jedes kapitalistische Gebilde leben. Diese Problematik löst man normalerweise über Kriege, da das aber in unserer westlichen Gesellschaft nicht mehr so ganz angesagt ist - zumindest nicht vor der eigenen Haustür - beschäftigen sich jetzt eben entfesselte Märkte mit dem zerstörerischen Werk. Statt das zu erkennen, schimpfen viele lieber auf den Staat.

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