Verhaltet ihr euch bei blinden Menschen anders?
Zugegeben, ich komme aus einer Kleinstadt und es kommt hier wirklich nicht häufig vor, dass ich mal einem blinden Menschen auf der Straße begegne, aber hin und wieder passiert es eben doch. Heute war auch nach langer Zeit mal wieder so ein Tag und auf dem Weg nach Hause kam mir ein "typischer" Blinder mit Sonnenbrille, Armbinde und Blindenstock entgegen. Ich selbst möchte einfach mal von mir behaupten, dass ich ein Mensch bin der versucht möglichst vorurteilsfrei zu leben und dementsprechend betrachte ich nach Möglichkeit auch Menschen mit einer Sehbehinderung als völlig normale Menschen und ich versuche diese eigentlich nicht großartig anders zu behandeln, als jemanden ohne Einschränkungen.
Trotzdem habe ich es in der Vergangenheit und auch heute immer wieder bemerkt, dass ich mich doch automatisch ein wenig anders verhalte, wenn ich einem blinden Menschen auf der Straße begegne und dieser mir entgegen kommt. Ich weiß nicht wieso, aber ich nehme mich irgendwie immer von allein ein wenig in Achtung, fast als würde ich immer sofort befürchten, dass der Blinde von seinem Weg abkommen könnte und mit mir zusammen stößt. Ich weiß natürlich, dass dies eigentlich nicht passieren wird, trotzdem laufe ich immer etwas langsamer an einem Blinden vorbei und halte auch etwas mehr Abstand zu diesem, wenn ich an einem vorbeigehe - Vielleicht auch um nicht von seinem Blindenstock erwischt zu werden? Ich weiß es um ehrlich zu sein auch nicht genau, aber irgendwie ist es für mich immer ein befremdliches Gefühl, wenn ich an einem blinden Menschen vorbeigehe.
Kennt ihr dies vielleicht auch von euch selbst, oder bin ich hier mit meinem merkwürdigen Verhalten allein? Gibt es in euren Verhaltensweisen irgendetwas das sich verändert, wenn ihr Kontakt mit blinden Menschen habt oder euch in der nähe von blinden Menschen befindet? Was glaubt ihr, woran dies liegen könnte? Seid ihr/Bin ich einfach nur übertrieben vorsichtig, oder hat dies vielleicht auch ganz andere Gründe, die mir hier vielleicht gar nicht bewusst werden?
Da ich aus München komme, sind Begegnungen meinerseits mit Blinden keineswegs eine Seltenheit. In der Tat begegnen einem regelmäßig Personen mit Blindenstock, -hund oder -binde.
Dass man sich im Umfeld dieser Personen anders verhält als im Umgang mit nicht sehbehinderten Menschen ist nicht nur völlig normal, es ist sogar durchaus sinnvoll. Dass ich, wenn mit jemand mit einem Blindenstock auf dem Bürgersteig entgegenkommt, zur Seite ausweiche und ihn passiere ohne dass er mich registriert ist wohl sinnvoller, als frontal in ihn reinzulaufen oder seinen Stock zu berühren. Denn auch wenn es nur eine harmlose Situation ist, ist es für ihn sicher auf Dauer mühsam alle 5 Meter anzuhalten weil irgendjemand gegen den Stock läuft. Er weiß schließlich nicht sofort, wie die Situation einzuschätzen ist.
Auch zum Beispiel in der U-Bahn/S-Bahn/Zug ist es sicher für diese Personen angenehm, Hilfe zu bekommen. Bevor er sich durchfragt oder tastet, ob vielleicht ein Platz frei ist, ist es die bessere Alternative selbst aufzustehen -vorausgesetzt man hat selbst einen Platz- oder den Blinden zu einem freien Platz zu leiten. Die meisten Sehbehinderten reagieren auf so eine Hilfestellung auch sehr freundlich und bedanken sich so gut wie immer für die Hilfe.
Es gab übrigens auch schon Fälle wo Blinde in den Spalt zwischen zwei U-Bahn-Wagen gefallen sind, weil sie die Lücke mit einer Tür verwechselt haben. Solche Unfälle resultieren genau aus der mangelnden Zivilcourage. Wenn niemand auf diese Personen in so einem verhältnismäßig risikoreichen Umfeld achtet, sind die auf sich selbst gestellt und das kann auch schief gehen. Man soll natürlich nicht jeden Blinden am Arm rumführen, aber ein Auge auf ihn zu haben und bei Bedarf aus dem Weg zu gehen oder eben diesen Weg zu beschreiben ist häufig eine nützliche und sympathische Geste.
Ich kann nur aus der Sicht eines blinden Menschen sprechen, habe aber eigentlich stets das Gefühl, dass Menschen, die zuvor noch nicht direkt mit Blindheit konfrontiert wurden, immer ein wenig anders und zumeist sehr vorsichtig reagieren, vermutlich aus Unsicherheit und in der Befürchtung, irgendetwas Falsches zu machen oder zu sagen. Diese Unsicherheit ist bei vielen Menschen allgegenwärtig und beginnt schon mit der Frage, ob man einem herumstehenden Blinden nun Hilfe anbieten soll oder nicht, wenn man sich dann dazu durchgerungen hat, besteht die nächste Unsicherheit im richtigen Umgang.
Wie spricht man jemanden an, der Augenkontakt nicht versteht? Wie führt man ihn gegebenenfalls? Wie ist man eine sinnvolle Hilfe? Ich finde all diese Unsicherheiten völlig in Ordnung und weiß sie sogar zu schätzen, weil sie mir um ein Vielfaches lieber sind, als diejenigen Menschen, die ohne nach links und rechts zu sehen an mir vorbeiziehen und sich überhaupt keine Gedanken über ihre Umwelt zu machen scheinen. Der einzig hilfreiche Weg, alle Unklarheiten zu beseitigen, besteht letztlich im Fragen - und kaum ein blinder Mensch wird sich daran stören, sondern sich eher über das entgegengebrachte Interesse freuen.
In deinem konkreten Fall kann es schon sein, dass du einem blinden Fußgänger aus Unsicherheit ausweichst, um eben einen frontalen Zusammenstoß zu vermeiden. An sich finde ich diese Verhaltensweise sehr gut und bin froh über jeden umsichtigen Fußgänger, denn es gibt auch genug, die völlig eingenommen von sich selbst oder einem Gespräch auf dem Bürgersteig stehen und keinen Zentimeter vom Fleck rühren, ebenso diejenigen, die in ihrer Eile und Hast kaum auf das Geschehen um sich herum achten und dann in beachtlicher Regelmäßigkeit über den Blindenstock stolpern.
Somit ist es wirklich sinnvoll, einem blinden Fußgänger weiträumig aus dem Weg zu gehen, zumal viele blinde Menschen, darunter auch ich, oft Schwierigkeiten damit haben, wirklich schnurstracks geradeaus zu gehen, da ist ein kleiner Sicherheitsabstand wirklich nicht schlecht. Wenn du einen blinden Fußgänger siehst, der zurechtzukommen scheint, kannst du dein Verhalten kaum noch optimieren, angewöhnen solltest du dir höchstens noch, deine Hilfe anzubieten, wenn jemand den Eindruck macht, Unterstützung zu brauchen, weil er sich eventuell verlaufen haben könnte oder beispielsweise auf jemanden wartet, der über die Straße helfen kann.
Es ist für mich ganz normal, dass man sich anders verhält wenn man merkt, dass einem eine Person entgegenkommt, die aufgrund ihrer Ausstattung – Blindenhund, Binde, Stock – nicht sehen kann oder nur sehr wenig sieht. Selbstverständlich macht man etwas Platz, damit sie vorbei kann. Wenn ich jemanden wartend irgendwo stehen sehe, sei es auf dem Gehweg oder am Übergang an einer Kreuzung oder sonst wo, frage ich freundlich, ob ich helfen darf. Bis auf einen Fall hat man bisher dankend abgelehnt.
Anemone hat geschrieben:Ich kann nur aus der Sicht eines blinden Menschen sprechen, habe aber eigentlich stets das Gefühl, dass Menschen, die zuvor noch nicht direkt mit Blindheit konfrontiert wurden, immer ein wenig anders und zumeist sehr vorsichtig reagieren, vermutlich aus Unsicherheit und in der Befürchtung, irgendetwas Falsches zu machen oder zu sagen.
Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Ich hatte zwar in meinem Leben schon einige Blinde gesehen - das bleibt in einer Großstadt nicht aus - aber unsicher war ich nie, weil ich mit ihnen nie näher zu tun hatte. Seit ich eine Kollegin habe, die von Geburt an blind ist, ist das aber anders. Da war ich am Anfang auch sehr unsicher und wusste nicht, wie ich mich verhalten und was ich sagen sollte. Das lag aber auch an ihrem Charakter. Ich bin ein Mensch, der mein Verhalten dem Charakter der Mitmenschen ein Stück weit anpasst. Wenn ich den Charakter so gar nicht einschätzen kann bin ich immer etwas vorsichtiger.
Es gibt ja auch Menschen, die durch das Handicap ein wenig verbittert sind und dann entsprechend verschnupft reagieren, auch wenn man es gar nicht böse meint. Ich wusste zum Beispiel auch gar nicht, wie dann alltägliche Floskeln aufgefasst werden, die sich um das "sehen" drehen. Aber das hat sich dann nach einigen Wochen gelegt und mittlerweile bin ich da sehr routiniert. Meine Kollegin meinte aber auch, dass Unsicherheit total normal wäre und dass sie kaum einen Menschen treffen würde, der nicht so reagieren würde am Anfang.
Sie ist sehr offen was Fragen angeht und ich frage sie dann auch sehr direkt, wie sie im Alltag zurecht kommt, wo sie Hilfe braucht und dergleichen. Ich habe sie kürzlich zu einem Termin in der Nähe der Arbeit geführt und ich bekomme immer mehr ein Auge für die Probleme von Blinden im Alltag (z.B. Zebtrastreifen oder dass Autos nicht gesehen werden oder das Einkaufen und Suchen von Lebensmitteln, die ständig umgeräumt werden). Ich sage ihr dann auch immer, was ich gerade tue, also ob ich ihr etwas gebe oder ihr die Hand reiche oder dergleichen. Wir kommen sehr gut zurecht zusammen.
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