Der Neid der Woche - Frankreich Spitzensteuersatz 75%

vom 08.03.2012, 10:43 Uhr

derpunkt hat geschrieben:[...] Allein die Frage, wie viel am Staatshaushalt allein durch die Einkommenssteuer bestritten wird - im Verhältnis zur Entwicklung über die Zeit - wäre aus meiner Sicht sehr interessant. Ich finde dies aber leider nicht.
[...]

Dafür gibt es eine Datensammlung zur Steuerpolitik vom Bundesfinanzministerium. Für 2009 gab es Steuereinnahmen von 523.986 Mio. Euro. Nun lagen 2009 die Einnahmen aus Lohn- und Einkommensteuer zusammen bei 161.595 Mio. Euro. Die Lohn- und Einkommensteuer macht also nur ca. 31% des Steueraufkommens aus. Der Anteil der Lohn- und Einkommensteuer ist im Lauf der Jahre immer kleiner geworden. Die indirekten Steuern (s. u.) spielen eine immer größere Rolle.

Richtig ist also, die einkommenstarken Gruppen zahlen zwar einen Großteil der Einkommensteuer, die aber macht nicht einmal 1/3 des Steueraufkommens aus. Das unterschlägt man, indem man einfach Steuer für Einkommensteuer sagt und so tut, als würden diese Leute unseren Staat alimentieren. Dabei verschweigt man dann auch, dass der größte Teil der Steuereinnahmen von der Umsatzsteuer (ca. 34%) und Verbrauchssteuern (das sind Strom-, Energie-, Kfz-Steuer) stammt (ca. 19%). Und das sind Massensteuern, die von allen getragen werden. Dabei müssen natürlich die niedrigen Einkommen viel größere Anteile ihres verfügbaren Einkommens konsumieren und tragen v. a. zu diesen indirekten Steuern bei.

Und noch etwas wird verschwiegen, wenn man von der großen Last der oberen 10% faselt. Nämlich dass diesen 10% fast 38% des verfügbaren Einkommens gehört. Und zielt man statt auf verfügbares Einkommen auf Vermögen, dann haben diese 10% (2007) ca. 61% des Vermögens zur Verfügung. Die Gegenseite - also die unteren 70!% haben gerade mal 9% des Gesamtvermögens zur Verfügung.

Und dann darf man nicht vergessen, wie die oberen Einkommen in den letzten Jahren entlastet wurden, dank Rot-Grün und der Großen Koaliton: Spitzensteuersatzsenkung (Einkommensteuer) von 53% auf 42%, verscherbelt man sein Unternehmen oder Anteile bleiben die Gewinne steuerfrei. Seit einigen Jahren werden Kapitaleinkünfte nicht mehr nach dem persönlichen Steuersatz besteuert, sondern mit einer pauschalen, niedrigeren Abgeltungssteuer abgegolten. Der Steuersatz auf Unternehmensgewinne für Kapitalgesellschaften ging runter von 51,8% auf 38,7%

Dann klinken sich die hohen Einkommensgruppen natürlich auch aus der Finanzierung des Sozialstaats aus. Entweder gibt es Beitragsbemessungsgrenzen oder man verlässt das System komplett (Krankenversicherung).

Gerne kommt auch das Argument: Wenn die Leute zu viel Steuern zahlen müssen, geht das auf die Leistung, denn niemand wird dann mehr leisten wollen. Wenn ich mich recht an Kohl erinnere, dann lag bis zum Ende seiner Regierungszeit der Steuersatz bei 53%. Ich kann mich nicht erinnern, dass das irgendwelche Prozesse gestört hätte. Schaut man sich das Wirtschaftswachstum der letzten 50 Jahre an, wird man sogar feststellen, dass gerade mit Senkung der Spitzensteuersätze das Wachstum abgenommen hat. All die Senkungen haben zu nichts weiter geführt, als zu einer Vermehrung des privaten Reichtums einiger weniger. Ja sogar der Zusammenhang zwischen Steuersenkung und einer wirtschaftlichen Leistung dürfte nur schwerlich nachweisbar sein.

Deutschland hat nicht umsonst den Ruf, ein Steuerparadies für Millionäre zu sein. Irgendwas ist faul im Staate D... - ne, gerade bei denen ist noch einiges deutlich besser. Und es wurde schon angesprochen. Natürlich zahlt hier niemand den Spitzensteuersatz. Das Statistische Bundesamt und das DIW haben vor einiger Zeit mal Werte von 36, bzw. 34% Steuerlast für die Reichsten dieser Republik errechnet.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Und dann darf man nicht vergessen, wie die oberen Einkommen in den letzten Jahren entlastet wurden, dank Rot-Grün und der Großen Koaliton: Spitzensteuersatzsenkung (Einkommensteuer) von 53% auf 42%, verscherbelt man sein Unternehmen oder Anteile bleiben die Gewinne steuerfrei. Seit einigen Jahren werden Kapitaleinkünfte nicht mehr nach dem persönlichen Steuersatz besteuert, sondern mit einer pauschalen, niedrigeren Abgeltungssteuer abgegolten. Der Steuersatz auf Unternehmensgewinne für Kapitalgesellschaften ging runter von 51,8% auf 38,7%


Das betrifft dann aber nicht nur große Konzerne, die Du hier vielleicht kritisierst, sondern auch den kleinen Tischler um die Ecke, der seine Firma weitergeben möchte. Auch freut man sich ebenso nicht sehr, wenn von den paar Zinsen, die man auf Anlagen bekommt, auch noch 30% an Steuern abgezogen. Um nämlich als Alleinstehender über den Freibetrag zu kommen, braucht es gar nicht viel. Jedem, der sich etwas anspart, um dann eher in Rente gehen können, wird es nicht sonderlich passen, dass auch noch Zinsen besteuert werden.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras hat geschrieben:[...]Das betrifft dann aber nicht nur große Konzerne, die Du hier vielleicht kritisierst, sondern auch den kleinen Tischler um die Ecke, der seine Firma weitergeben möchte.

Wir reden ja hier nur über die Unverfrorenheit, mit der immer wieder angebliche Fakten in die Welt geworfen werden, die sich bei näherem Hinsehen eher als Nullnummer zeigen. Da wird, basierend auf einem Taschenspielertrick ein Gespenst der "Enteignung" in den Raum gestellt und im Prinzip gilt gerade für "die da ganz oben" in Deutschland wohl eher das Gegenteil. Vor allem zur Zeit, wo es eine Enteignung auf dem Rücken der Völker gibt, zugunsten der Rettung der "Spareinkommen" einiger weniger (um es etwas verkürzt darzustellen). Kritiker dann noch mit einem Neidvorwurf mundtot machen zu wollen, das schlägt dann noch dem Fass den Boden aus. Darum ging es hier.

Natürlich hat auch der Handwerker an der Ecke einen Vorteil von Steuersenkungen. Wenn aber der Handwerker an der Ecke am Ende dann doch mehr Steuern zahlt, als ein Multimillionär oder Milliardär, dann stimmt was nicht. Und wenn sich dann noch Leute finden, die von "Enteignung" faseln, dann vibriert mir die Hutschnur.

Zitronengras hat geschrieben:[...] Auch freut man sich ebenso nicht sehr, wenn von den paar Zinsen, die man auf Anlagen bekommt, auch noch 30% an Steuern abgezogen. Um nämlich als Alleinstehender über den Freibetrag zu kommen, braucht es gar nicht viel. Jedem, der sich etwas anspart, um dann eher in Rente gehen können, wird es nicht sonderlich passen, dass auch noch Zinsen besteuert werden.

Ich sehe keinen Grund, warum Zinseinkünfte nicht besteuert werden sollten. Nur: Warum nicht mit dem persönlichen Einkommensteuersatz? Obwohl das natürlich auch unsinnig wäre, wenn gerade Reiche hier die Steuerschlupflöcher nutzen können. Welchen Grund gibt es, diese Zinseinkünfte mit einer Pauschalsteuer zu belegen, die sowohl der kleine Handwerker an der Ecke, als auch der Milliardär, bezahlt?

Wir haben nun mal seit einigen Jahren, angefeuert durch Steuersenkungen, eine unglaubliche Ansammlung von Einkommen und Vermögen bei einigen wenigen. Das hatten wir alles schon auf dieser Welt. Es führte und führt zu nichts weiter als spekulativen Beben, mit allen Nachteilen für die Masse der Menschen. In solchen Zeiten kommt es dann natürlich auch immer zu einer Diskussion über höhere Einkommen- oder Gewinnsteuern oder gar einen Höchstlohn. Und ehrlich gesagt, ich finde diese Idee charmant, logisch und schlüssig.

Die USA hatten nach dem 2. Weltkrieg über 2 Jahrzehnte einen Spitzensteuersatz von 90%, in den 60ern haben sie ihn dann auf 75% gesenkt. Mir wäre nicht bekannt, dass das den amerikanischen Aufschwung verhindert hätte - eher dürfte das Gegenteil der Fall gewesen sein. Das Unglück begann dann mit Reagan. Da ging es dann runter bis 28% und heute sind sie wieder bei 35%. Nur stört das Reiche ohnehin kaum. Im Schnitt zahlen die nur ca. 15-18% - dank Steuerschlupflöchern. Und auch, weil sie den Großteil des Einkommens aus Kapitalvermögen beziehen und das ist eben niedriger besteuert. Das System ist absolut krank.

Leider merken es viele noch nicht und trauen solchen Sprüchen von wegen Neid und Enteignung. Dadurch wird letztlich nur versucht eine Kampflinie zwischen Staat und Steuerzahler zu konstruieren und von der wahren Linie, die ganz woanders verläuft, abzulenken. Denn es ist bestimmt nicht ein zu viel, dass der Staat an Steuern nimmt, es ist wohl eher ein zu wenig und gleichzeitig ein von den Falschen.

Erinnert sich noch einer an Warren Buffet? Mal in Zahlen: 50 Milliarden Dollar nennt er etwa sein eigen. 2010 hat er ganze 6,9 Millionen Dollar Steuern bezahlt. Das seien dann aber nur 17,4 Prozent seines zu versteuernden Einkommens. Und ehrlich gesagt, wenn diese Zahlen stimmen, frage ich mich, wie man bei einem Vermögen von 50.000 Millionen Dollar nur auf eine jährliche Steuerzahlung von 6,9 Millionen kommt? Seltsam.

Klar, wir sind nicht die USA, aber auf dem besten Weg dahin. Wobei da sogar manches mehr reguliert ist, als bei uns.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Du diskutierst das natürlich alles auf einem sehr hohen Niveau, mit dem ich nun aufgrund meines in dem Bereich mangelnden Wissens auch nicht ganz mithalten kann. Ich kenne weder die historischen Zahlen noch habe ich mich jemals intensiv mit der Politik von z.B. Reagan beschäftigt. Die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge sind auch ganz ehrlich etwas, mit dem ich mich gar nicht so vertieft auseinander setzen möchte, wie Du es vielleicht tust.

Ich kann Dir nur sagen, wie ich es empfinde. Wenn ich etwa daran denke, dass von meinen 50 EUR Lohnerhöhung dann monatlich nur 10 EUR netto mehr heraus kommen, weil ich da wohl eine bestimmte Grenze bei der Besteuerung überschritten habe oder wenn ich bedenke, dass von meinem Weihnachtsbonus 1000 EUR einfach so an Abgaben abgezogen wurden, dann ärgert mich das. Mit den 1000 EUR hätte ich jede Menge Schönes anstellen können, aber so sind sie einfach weg, ohne das ich etwas davon habe.

Nur weil ich nebenberuflich noch ein klein wenig selbstständig arbeite und dafür zumindest die Beiträge für Krankenkasse und Rentenversicherung sparen kann, habe ich mir wenigstens ein kleines Schlupfloch geschaffen, aber reich werde ich dadurch nicht. Und eigentlich wollte ich mir ein bisschen was ansparen, damit ich nicht später mal bis 67 arbeiten muss. Wenn dann selbst noch Zinsen versteuert werden, dann erschwert mir das mein Vorhaben deutlich.

Muss es denn sein, dass auch Zinsen, die sich nicht in astronomischer Höhe bewegen, besteuert werden? Hätte man da nicht den Freibeitrag wesentlich höher ansetzen können? Ich fühle mich da schon irgendwie „ausgenommen“. Und vor allem tut es mir um jeden Euro leid, der sinnlos von meinem Einkommen verschwindet.

Dass es Leute gibt, die Millionenvermögen haben oder noch mehr und diese es irgendwie schaffen, sich vielen Angaben zu entziehen, dann mag das zwar problematisch sein. Aber andererseits soll derjenige, wie auch immer er zu diesem Vermögen kam, doch auch etwas davon haben dürfen. Vielleicht würden wir alle genauso handeln, wenn wir auf einem solchen Vermögen sitzen würden. Wenn es mich schon stört, wie wenig von meinem Lohn netto bleibt, obwohl ich nicht unbedingt zu den Spitzenverdienern zähle, wie fühlt sich dann wohl jemand, der wirklich über 50% „verliert“?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^