Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer - wieso?

vom 03.03.2012, 17:46 Uhr

Vor einer Weile habe ich in irgendeiner Tageszeitung ein Diagramm gesehen (es kann die FTD gewesen sein), das dieses Phänomen graphisch darstellt, jedoch habe ich da nicht wirklich durchgeblickt. Ich verstehe zwar, wieso die Reichen reicher werden, zum Beispiel in Form von hohen Zinsen oder der gesunkenen Steuern für Unternehmen und Reiche. Trotzdem sehe ich den Zusammenhang nicht, wieso dadurch die Armen ärmer werden.

Ich fühle mich gerade so, als hätte ich ein Brett vorm Kopf, kann mir da jemand weiterhelfen? In der Graphik war übrigens zu sehen, dass zu einem bestimmten Punkt bei beiden Gruppen das Einkommen wächst, aber ab einen bestimmten Punkt, wenn die Reichen noch reicher werden, beginnen die Löhne aller anderen zu stagnieren. Leider habe ich die Graphik nicht mehr, aber vielleicht habt ihr ja trotzdem eine Idee.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Talkmaster am 03.03.2012, 18:04, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Das liegt ganz einfach daran, dass wir die Wertschöpfung nicht unbegrenzt vollziehen können. Der Wirtschaft wird zwar ständig Geld zugeführt, aber nur so viel, dass der Geldkreislauf stabil bleibt ohne eine Inflation zu begünstigen. Dadurch, dass mehr Geld im Umlauf ist, kann natürlich auch Jeder mehr davon haben. Ob die Menschen in Wirklichkeit reicher geworden sind, hängt dann natürlich davon ab, wie hoch die Inflationsrate liegt. Haben sie 1,6 % mehr Geld und die Inflation liegt bei 2 %, dann sind die Löhne real dennoch gesunken. Das nennt man reales Lohnwachstum.

Und dieser Wert sagt noch nichts darüber aus, wie sich die Löhne in den einzelnen sozialen Schichten entwickelt haben. Generell ist es so: Geld kommt zu Geld, denn es ist einfacher ein Vermögen arbeiten zu lassen damit es wächst als sich eins aufzubauen. Da es nur begrenzt viel Geld gibt und die Reichen einfacher mehr Geld bekommen kann ein zu starkes Lohnwachstum bei den Reichen nur bedeuten, dass die Armen nicht mehr Geld bekommen. Geld gibt es eben auch nicht unbegrenzt, nur sehr, sehr viel!

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Eine Volkswirtschaft erwirtschaftet ja in einem bestimmten Zeitraum nur eine bestimmte Menge an Werten. Nehmen wir mal an, es wurde in diesem Jahr mehr an Wert produziert als im letzten Jahr, dann kann im Prinzip auch nur das verteilt werden. Wer wie viel von diesem "Mehrwert" bekommt, ist letztlich eine Frage von Macht und Moral.

Die Besitzenden sagen: "Ohne uns könnten die abhängig Beschäftigten kein Geld verdienen, wir tragen das Risiko, wir müssen investieren, uns gehört der größte Teil des Wertzuwachses.", die Beschäftigten sagen:"Ohne uns keine Produktion, Geld her.". Was der eine dann bekommt, kann der andere natürlich dann nicht mehr bekommen.

Spätestens mit Schröder hat man sich politisch entschieden, die Löhne stagnieren und die Gewinneinkommen steigen zu lassen. So liegen die realen Löhne in Deutschland 2012 noch unter denen von 2000. Es gab einige steuerliche Entscheidungen, die z. B. dazu führten, dass Gewinneinkommen immer geringer besteuert wurden. Dadurch begünstigt, hat sich immer mehr Geld auf dieser Seite angesammelt. Sicher hast du auch in den Medien mitbekommen, das es einige Reiche gab, die öffentlich bekannt haben: "Was ist hier eigentlich los? Ich zahle weniger Steuern als meine Sekretärin." Und wohin mit dem Geld? Geld sucht natürlich Anlage, das nennt TuDios "Vermögen arbeiten [...] lassen". Natürlich arbeitet Geld nicht. Im Besten Fall arbeitest du. Geld wird investiert. Der Vermögende steht dann z. B. vor der Frage: Investiere ich in die Werkbank (also in dich), was mir am Ende 3.5% Rendite bringt, oder investiere ich in Finanzgeschäfte, die mit höchsten Renditen winken, aber letztlich für eine Volkswirtschaft nur nutzlose Spekulation ist und außerhalb realwirtschaftlicher Ströme stattfindet. Und was da in den letzten 10 Jahren passiert ist, das weißt du selber.

Dass der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt, an dem Spruch ist durchaus was dran.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Mit viel Geld stehen einem auch ganz andere Anlagemöglichkeiten zur Verfügung, an die Otto-Normal-Sparer gar nicht rankommt. Die Leute können sich dann aussuchen in welchem Land zu welchem Steuersatz sie ihr Geld anlegen. In Stiftungen investieren, Fonds oder Hedgefonds, die sehr hohe Mindesteinlagen haben.

Auch ist die Einkommenssteuer ab einem gewissen Einkommen gedeckelt. Höher als der Spitzensteuersatz geht halt nicht. Bei geringem Einkommen steigt halt häufig direkt auch der Steuersatz, so dass von Gehaltserhöhungen oder Mehreinkommen selten mehr als ein Inflationsausgleich übrigbleibt. Das führt dazu, dass Obwohl man ein bisschen mehr auf dem Konto hat man letztendlich wegen der gestiegen Lebenshaltungskosten immer ärmer wird. Das gilt auch fürs Sparen. Wenn man Rücklagen bilden möchte oder auf den Urlaub oder ähnliches spart, gleichen die aktuellen Zinsen wieder nicht die Inflationsrate aus.

» dom227 » Beiträge: 31 » Talkpoints: 16,05 »



dom227 hat geschrieben:[...]so dass von Gehaltserhöhungen oder Mehreinkommen selten mehr als ein Inflationsausgleich übrigbleibt. Das führt dazu, dass Obwohl man ein bisschen mehr auf dem Konto hat man letztendlich wegen der gestiegen Lebenshaltungskosten immer ärmer wird.

Das ist eine Verdrehung der Tatsachen. Wir haben seit Mitte der 90er Jahre sehr geringe Teuerungsraten in Deutschland. Eine Ursache der Probleme in Europa ist die Tatsache, dass Deutschland auf Teufel komm raus, das innerhalb der EU-Verträge vereinbarte Inflationsziel von 2% seit Jahren konsequent "unterboten" hat, um wettbewerbliche Vorteile gegenüber anderen Ländern zu erlangen - eigentlich eine Art Vertragsbruch. Denn das ist eine Art Falschspiel gegenüber anderen Ländern mit identischer Währung. Und hier spielt die "Lohnzurückhaltung" eine entscheidende Rolle. Die Tatsache, dass du mit deinem Geld nicht auskommst, liegt nicht an zu hohen Inflationsraten. Die der letzten fast 18 Jahre waren ein Witz. Es liegt an den zu geringen Lohnsteigerungen, wofür v. a. Rot-Grün das Bett bereitet hat.

Also: Nicht eine hohe Inflation ist oder war in den letzten 20 Jahren das Problem - und das ist es auch immer noch nicht, ich habe eher Angst vor deflationären Tendenzen. Das Problem ist das Wirtschaftsmodell Deutschland, dass seinen Wettbewerbsvorteil darin gesucht hat und immer noch sucht, dass es eine gnadenlosen Lohn- und Steuersenkungswettbewerb betreibt und betrieben hat. Und vor allem: Nun dieses Modell als Blaupause für eine "Rettung Europas" verkauft. Man kann nur hoffen, jemand zieht noch die Notbremse.

dom227 hat geschrieben:[...]Wenn man Rücklagen bilden möchte oder auf den Urlaub oder ähnliches spart, gleichen die aktuellen Zinsen wieder nicht die Inflationsrate aus.

Das hängt aber auch von deiner Risikofreude ab. Wenn man nur möchte, dann kann man seine Euros z. Zt. für 9% in Neuseeland als Tagesgeld anlegen. Was ich allerdings nicht empfehle.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Das Problem sind nicht nur stagnierende Löhne, sondern die Investitionskraft ab einer bestimmten Einkommensgrenze. Arbeitnehmer bezahlen bis zu gewissen Grenzen nicht nur bis zu 45 Steuern, sondern nochmals 25 Prozent Sozialversicherung. Wer jung und gesund ist und sich selbständig macht, zahlt oft viel weniger an Krankenversicherung und kann seine Zinseinkünfte mit 25 Prozent pauschal versteuern, wenn man überhaupt alle seine Einkünfte angibt. Und bis zu einem gewissen Einkommen geht alles für Lebenshaltungskosten drauf.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich verstehe allerdings nicht, was Juri1877 uns sagen will. Dass die Steuersätze zu hoch seien? Dir ist schon klar, dass es sich bei den 45% nur um einen Grenzsteuersatz handelt. Da werden nicht 45% weg gesteuert.

Wer z. B. 100.000€ zu versteuerndes Einkommen hat, der wird ca. 1/3 davon an den Fiskus abführen müssen. Und wenn du mal die 42% für "Normalsterbliche" nimmst, mit denen du so ungefähr bei knapp über 50.000€ konfrontiert wirst, dann gehen im Endeffekt nur knapp 13.000 € - also ca. 26% im Schnitt - an den Fiskus. 50.000€ zu versteuern heißt aber nicht, dass du ca. 4.200€ im Monat verdienst, sondern deutlich mehr. Davon kann man sehr gut leben, ich verstehe insofern nicht, was du mit der Investitionskraft meinst.

Obendrauf kommen noch die Versicherungen, aber das sind eben Versicherungen und nicht Steuern. Du erwirbst ja damit Anwartschaften. Abgesehen davon braucht ein Staat ja nun auch Steuern, sonst hättest du keine Straßen vor der Tür oder kein funktionierendes Rechtssystem.

Dass Zinseinkünfte mit 25% versteuert werden, das ist nicht richtig und müsste eigentlich geändert werden. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht einfach zum Einkommen zählen sollte. Man belohnt die, die "Geld arbeiten lassen", statt es zu investieren. Das ist heute leider in weiten Teilen eine Art Glücksspiel, das man da unterstützt. Selbstständige tragen auch höhere Risiken, das erwähnst du bei deiner Betrachtung nicht, aber natürlich haben die auch mehr Möglichkeiten ihr Einkommen klein zu rechnen. Aber was hat das mit der Investitionskraft zu tun? Vielleicht schreibst du noch mal.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Das Problem fing eigentlich schon nach dem Krieg, mit dem Wiederaufbau, an. Damals gab es Arbeit für jeden, jeder hat genug verdient. Soziale Ungerechtigkeiten haben nur wenige interessiert, es war ja genug da, die Motivation war ungebrochen. Es konnte jeder gut leben, der Wohlstand stieg stetig. Nun sehen wir die Kehrseite des Kapitalismus: Es ist eben nicht mehr so, dass das Wirtschaftswachstum bei 5% oder mehr liegt, sondern nur noch im Promillebereich. Nun ist es also so, dass es nicht mehr richtig vorangeht.

Und jetzt merkt man richtig, wie ungerecht die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland ist. Denn: den Arbeitern wird heute nicht viel mehr als vor 10 oder 20 Jahren gezahlt, gleichzeitig sind die Preise aber um ein Vielfaches der Lohnerhöhungen gestiegen. Die Differenz wandert, wer hätte das vermutet, in die Taschen der Arbeitgeber. Dadurch, dass die Arbeiternehmer immer produktiver wurden/werden, verstärkt sich das Ganze: Denn die Erlöse aus den Mehr-Produkten kommen wieder den Arbeitgebern, also den sowieso schon Reichen, zugute.

Diese Entwicklung wird so schnell auch nicht aufzuhalten sein. Die winzigen Lohnerhöhungen der letzten Jahre sind zwar vorüber, doch muss die versäumte Erhöhung nun nachgeholt werden. Und das kann Jahrzehnte dauern. Aber auch nur, wenn die Reichen wollen. Und dass sie das nur sehr ungern tun, steht wohl außer Frage. Schließlich würden sie dadurch eigene finanzielle Nachteile in Kauf nehmen.

» sTalkr » Beiträge: 86 » Talkpoints: 58,02 »


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