Wie verhält sich die Schweigepflicht bei Straftaten?
Frau A. arbeitet in einem Pflegeheim für Menschen mit Behinderungen. Vor Jahren kam es mehrfach zu Übergriffen eines männlichen Bewohners gegenüber weiblichen Bewohnern. Daraufhin und in Absprache mit den Eltern des Bewohners, wurde der Mann nachts eingeschlossen. Die Angestellten wurden dazu angehalten, sowohl über die sexuellen Übergriffe, wie auch über das Einschließen Schweigen zu bewahren. Die Vorfälle liegen Jahre zurück, aber in der Zwischenzeit kommt es auch tagsüber zu ähnlichen Vorfällen. Diese werden tot geschwiegen und auch nicht dokumentiert.
Das Pflegepersonal ging bisher davon aus, dass es eine richterliche Anordnung für das nächtliche Einschließen gibt. Dem scheint aber nicht so zu sein. Nun soll der männliche Bewohner nachts nicht mehr eingeschlossen werden. Außerdem wurde dem männlichen Bewohner eingetrichtert, dass er darüber auf keinen Fall sprechen darf. Laut Heimleitung werden die sexuellen Übergriffe mittlerweile als einvernehmlicher Geschlechtsverkehr deklariert. Außerdem wurden allen Mitarbeiter an die betriebliche Schweigepflicht erinnert und sie wurden ermahnt über die Vorfälle nichts nach außen zu tragen. Das wurde zwar während einer Dienstbesprechung gesagt, wurde aber bewusst nicht protokolliert.
Frau A. fragt sich nun, in wie weit die betriebliche Schweigepflicht wirklich geht. Geht es nicht auch um den Schutz der weiblichen Bewohnerinnen? Auf der anderen Seite ist das jahrelange nächtliche Einschließen ohne richterlichen Beschluss ja auch Freiheitsberaubung. In wie weit kann Frau A. haftbar gemacht werden, wenn es zu weiteren sexuellen Übergriffen in der Nacht kommt, während sie Dienst hat? Und wie sieht es aus, wenn sie die Vorfälle an diverse Stellen meldet? Immerhin steht im Arbeitsvertrag ja eine Klausel zur betrieblichen Schweigepflicht.
Das ist ein äußerst schwieriges Thema. An deiner Stelle würde ich dringend einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn das noch aktuell ist. Es kann nicht sein, dass man sich sexuell belästigen lassen muss, weil im Vertrag eine Schweigepflicht über sämtliche Vorfälle im Betrieb vereinbart ist.
Ich weiß nicht, inwiefern der Bewohner auch geistig behindert ist, aber sexuelle Belästigung ist ein Straftatbestand. Den Bewohner einfach einsperren scheint mir rechtlich auch problematisch, solange er keinen Vormund hat, der darüber bestimmen kann und das anordnet. Ich rate dir dringend, das so nicht hinzunehmen.
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