"Mehr", immer mehr wollen
Für all' die Jecken, Clowns, Piraten, Prinzessinnen und sonstigen toll gestylten Individuen soll am Aschermittwoch alles vorbei sein? Nein, das kann im Ernst niemand verlangen. Warum sollen sie fasten oder gar auf etwas verzichten? Das sieht kaum noch einer ein. Wer lebt wirklich bewusster? keiner will das! Der heutige Mensch will nicht verzichten, er will mehr, viel mehr. Er will mehr Spaß, mehr Geld, mehr Freizeit und mehr Genuss. Jeder kennt das, man will stets das haben, was man nicht hat.
Dieser Wunsch oder diese Gier zieht sich durch alle sozialen Schichten. Hat jemand viel Geld, will er noch mehr. Hat man eine sehr gute Beziehung, findet man das toll, will aber mehr – zusätzlich seine Freiheit. Ist man alleinstehend, will man eine Beziehung. Was man hat ist ein alter Hut, kommt in die Ecke, was Neues muss her. Warum erkennt der Mensch nicht, dass das was er hat, wertvoll ist? Er wünscht sich den Zustand, in dem der Nachbar sich befindet und der wiederum möchte aus dem Zustand ausbrechen.
Wie wäre es, wenn wir das „Mehr“ mal anders auslegen ab heute und mehr Menschlichkeit und Freundlichkeit wollen? Wir könnten zum Beispiel mehr Acht geben und zu unseren Mitmenschen die Einstellung ändern. Wir könnten statt wegzusehen bei der Bewältigung von Problemen helfen: Vielleicht einer älteren Person mal die Einkaufstasche die Treppe hoch tragen. Oder wenn wir Menschen sehen, die Hilfe benötigen nicht einfach wegschauen; einem weinenden Kind die Tränen trocknen und es trösten; dem Nachbarn das Kopfnicken mit einem freundlichen Gruß erwidern. Wenn wir so mit unseren Mitmenschen umgehen würden könnte es sein, dass uns auch so etwas wie ein Glücksgefühl überkommt. Wäre das nicht einen Versuch wert? Was haltet ihr von der etwas anderen Auslegung des immer mehr wollen?
Eine Freundin die bei der Kirche arbeitet hat mir erzählt dass ein Kollege von ihr die Fastenzeit etwas anders auslegt. Er meint man solle nicht auf etwas verzichten, sondern sich überlegen was einem wirklich wichtig ist und jede Minute damit einmal wirklich bewusst genießen. Die meisten Sachen sind für uns selbstverständlich geworden und so finde ich das wirklich eine tolle Alternative zum normalen Fasten. Auch das ist ja irgendwo eine Variante von 'mehr wollen' aber auf positive Weise.
Das ist wirklich meiner Meinung nach völlig richtig, was du da geschrieben hast. Es ist mir erst nach deinem Text so richtig aufgefallen, dass wir wirklich immer mehr wollen.Bei mir ist es zwar genauso, aber es gibt auch viele Dinge bei denen ich sage, dass es mir so gefällt wie es ist. Es gibt eigentlich bei allem eine Steigerung, die man sich schon wünschen würde. Wenn man mit etwas zufrieden ist, hat man trotzdem immer im Unterbewusstsein das Wissen, dass es noch etwas besseres gibt, das mir noch mehr gefallen würde. Das macht die ganze Sache so irgendwie aus. Aber mir ist auch aufgefallen, dass man sich meist erst so richtig eine Sache wünscht, wenn man sie sich auch leisten kann oder wenn man immer mehr gute Informationen von dieser Sache bekommt.
Früher war es aber sicherlich anders, da die Leute von früher viel mehr Bescheidenheit hatten, als die Leute von heute. Früher gab es halt auch viel mehr Sachen, die für die "normale Gesellschaft" unbezahlbar war. Heute ist vieles billiger geworden, das früher viel teurer war. Eigentlich auch logisch. Man müsste eigentlich schon richtig nach diesem Grund forschen, warum der Mensch immer mehr will und einen noch größeren Geiz hat als früher. Früher musste man sich aber auch einfach mit viel mehr Sachen einlassen lassen, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Heute ist alles irgendwie gelassener. Aber es ist auch gut Zeile oder Wünsche zu haben. Jeder darf sich etwas Wünschen und mehr haben als man schon hat, aber ob er ist wirklich verdient hat und bekommt ist eine andere Frage.
Du hast aber eine ganz schön negative Weltsicht. Sicherlich können Neid und Gier viel Schlechtes bewirken, aber wenn sich immer alle nur mit dem zufrieden geben, was sie haben, gäbe es ja keinerlei Fortschritt oder positive Veränderungen.
Und so feindselig, wie Du es beschreibst, verhalten sich doch die meisten Menschen gar nicht untereinander. Das man einen Nachbarn, der einem zunickt, zurückgrüßt, dürfte doch z.B. nichts Außergewöhnliches sein und sicherlich werden tagtäglich vielen alten Damen die Taschen getragen oder freie Plätze im Bus angeboten. Das macht zwar nicht jeder, aber viele handeln schon danach.
Bezüglich Deines Beispiels mit dem weinenden Kind: Stelle Dir vor, irgendwo würde ein kleines Kind weinen und ein fremder Mann würde zu ihm laufen und auf es einreden. Was würden dann die meisten beteiligten wohl denken? Wahrscheinlich würde man demjenigen nur schlechte Absichten unterstellen und sich die Einmischung verbitten.
Zitronengras hat geschrieben: aber wenn sich immer alle nur mit dem zufrieden geben, was sie haben, gäbe es ja keinerlei Fortschritt oder positive Veränderungen.
Meine Frage wäre jetzt, was Fortschritt ist? Ist es wichtig für das Leben? Ich denke, dass es viele Bereiche gibt, in denen sogenannte Fortschritte gemacht werden, diese sich jedoch aber deutlich auf die Umwelt, Mitmenschen und sowieso langfristig negativ auswirken. Dann werden die entsprechen Maßnahmen, Dinge als Fortschritt propagiert. Und was steckt meistens letztlich dahinter? Genau das, was der Themensteller hier meint, das "mehr wollen", im Sinne von Geld.
Das "mehr wollen" ist eine Sache, die dem Menschen innewohnt. Sobald jemand anderes etwas macht, möchte man es auch, weil dieses andere ein höheres Niveau als das eigene zu sein scheint. Der Mensch ist ein Wesen, dass im Tun glücklich ist. Vieles "Tun" jedoch ist heute nun mal auf das eigene Glück, auf den eigenen Erfolg ausgelegt. Es leben einfach zu viele Menschen auf der Welt, wenn ich es mal so sagen darf, wodurch ein Gemeinschaftsgefühl und ein Gefühl des Sozialen durchschnittlich schwer fällt. Dieses zunehmend formalisierte Leben drängt das, was man Menschlichkeit, Sozialität, Verbundenheit nenne könnte, zunehmend weg. Übrig bleibt eine Aggregation indiviueller Handlungen, die auf eigenes Interesse bedacht ist. Dies sieht man in der "Marktwirtschaft", also dort, wo viele Menschen leben, und kein "Gemeinschaftsleben" herrscht. Hier entstehen andere, egoistischere Werte. Angebot und Nachfrage. Geld, das hin und her huscht, als Antrieb zum "Tun" und als Möglichkeit sich "die tollen & wichtigen Dinge des Lebens zu kaufen". Auf der anderen Seite, wie soll man denn sonst eine überdimensionale Masse an Menschen "organisieren" ohne jetzt einen Herrscher an die Spitze zu positionieren?
Deshalb muss ein jeder die Möglichkeit haben, das zu tun, was er möchte. Aber das wiederum erhöht die egoistische Einstellung, weil man letztlich für niemanden verantwortlich sein "muss". Hier gilt es dann von einigen Seiten die Mitmenschlichkeit auf irgendeine Art und Weise zu unterstützen, in das System verstärkt mit einzubeziehen, und das sollte schon bei der Erziehung der Kinder verstärkt anfangen.
Du konzentrierst dich jetzt tatsächlich etwas zu sehr auf die negativen Dinge im Leben. Wie bereits gesagt wurde, existiert Hilfsbereitschaft und Loyalität schon. Zumindest bei uns am "Land" ist es nicht so, dass alle aneinander vorbeileben. Wenn man jemanden auf der Straße sieht, grüßt man. Wenn eine alte Person fällt, dann wird dieser nicht geholfen. Leider ist eben Mitgefühl und Hilfsbereitschaft sehr stark beschränkt. Letzten Sommer in Wien stürzte 20 Meter von mir entfernt auf dem Zebrastreifen eine alte Frau. Zwar schreckten viele Leute auf, aber sobald sie realisiert hatten, was passiert war, drehten sie sich auch schon wieder um und schauten weg. Schließlich eilte ich zu ihr, um ihr auf zu helfen, ein anderer Mann half mir dabei, andere Menschen schauten einfach zu.
Natürlich mag ich solche Situationen auch nicht, und auch wenn es sich nur um einen Sturz handelte, so fühlt man doch irgendwie Hilflosigkeit und möchte am liebsten davonrennen. Dennoch bemühe ich mich, genau das nicht zu tun. Viele Menschen meinen einfach nur, es gäbe genug "Wichtigtuer", die sich "aufspielen" würden. Prinzipiell sind aber genau die, die wegschauen die Armseligen. Eine weitere Situation die das belegt, ist mir letztens untergekommen. Ich saß im Bus und wir standen an einer Ampel. Plötzlich kippte am Gehsteig ein alter Mann um. Alle Menschen ringsherum schienen zutiefst erschrocken zu sein, dennoch dauerte es ca. 10 Sekunden, bis einer reagiert und das richtige tat. Am meisten hat mich erschrocken, dass zwei Personen vorbeigingen (!) und im Vorbeigehen zu dem Mann schauten, als würden sie einem Straßenmusikanten kurz ihre Aufmerksamkeit schenken.
Was unsere Lebensmoral betrifft, hast du vollkommen Recht. Der Horrorfilm "Saw" macht diese Tatsache recht deutlich. Wir Menschen schätzen unseren hohen Lebensstandard nicht. Ich frage mich oft, ob es an der Gewöhnung liegt, oder ob der Preis, den wir für diesen Standard zahlen, so hoch ist. Immerhin leben wir unser ganzes Leben im Stress und in Zeitnot. Können wir uns vielleicht deshalb nicht auf die kleinen Dinge konzentrieren und uns über diese freuen? Wir fixieren uns viel zu sehr auf Materielles. Das einzige, was zählt, ist Bares. Es liegt an unserer Gesellschaft, dass Kinder schon so erzogen werden, dass ausschließlich Materielles wichtig ist. Auch die Medien tragen ihren Teil dazu bei. Werbungen implizieren, dass uns dieses gewisse Produkt glücklicher machen würde. Für einen kurzen Zeitraum tut es das möglicherweise sogar, aber dann ist auch schon wieder Schluss mit dem Glück und mehr muss her. Dieser Prozess der materiellen Denkweise schreitet stetig voran. Mindestens 50% der Zehnjährigen haben heute schon einen Fernseher oder eine PlayStation im Zimmer.
Das führt auch schon zum Kernpunkt meiner Theorie. Ich denke, dass Eltern mit Materiellem kompensieren wollen, dass sie ihren Kindern nicht genug Zuneigung und vor allem nicht genug Zeit schenken können. Dafür ist wiederum der Stress und die kurze Zeit, die uns für gewisse Handlungen gegeben wird, verantwortlich. Es liegt deshalb denke ich nicht an uns Individuen, sondern an der ganzen Gesellschaft.
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