Kann man Mobbing in Intensitätsstufen einordnen?

In meiner Schule ist ein Mädchen, welches schon seit einigen Monaten gemobbt wird. Endlich ist sie mal zur Schulleitung gegangen und hat das Mobbing der Schulleitung angezeigt. Aber dort wurde sie gefragt, in welche Intensitätssufe sie dieses Mobbing einordnen würde. Da sie ein sehr schüchternes Mädchen ist, hat sie gesagt, dass es nicht ganz so schlimm ist. Ich bin dann noch mal zusammen mit ihr zur Direktorin gegangen und habe meine Meinung gesagt. Ich habe gesagt, dass es egal ist, wie intensiv mal gemobbt wird und man es als Opfer kaum sagen kann, wie schlimm es ist. Schlimm ist es, dass sie überhaupt gemobbt wird und Lehrer daneben stehen.

Die Schulleitung meinte dann, dass es mich gar nichts angehen würde und die Schülerin doch wissen muss, ob es schlimm ist oder nicht. Ich denke, dass man Mobbing nicht in Intensitätsstufen einordnen kann, weil Mobbing immer schlimm ist. Was denkt ihr darüber? Sollte man gegen jedes Mobbing vorgehen oder nur gegen schlimmes Mobbing?

Erstmal finde ich es sehr gut, dass du dann nochmal zusammen mit ihr zur Schulleitung gegangen bist. Die Aussage, die die Schulleitung gemacht hat, ist für mich kein bisschen nachvollziehbar. Mobbing geht jeden an, der in irgendeiner Weise involviert ist. Im Prinzip gebe ich dir recht, Mobbing sollte man nicht in Intensitätsstufen unterteilen - Mobbing ist in der Tat immer schlimm. Jedoch denke ich, dass Mobbing an einer Schule kein Einzelfall ist und die Schulleitung deswegen von nebensächlichen Hänseleien, die nur kurzweilig und ungefährlich sind von ernsthaftem Mobbing unterscheiden muss. Andererseits sollte die Schulleitung da auch nachhaken, wenn das Mädchen schon zwei Mal (das erste Mal ja alleine und dann mit dir zusammen) aus diesem Anlass dort war. Wenn das Mobbing nur von kurzer Dauer ist und sich auf ein paar Späße beschränkt, muss wohl nicht vorgegangen werden. Wenn das Mobbing aber anhält, intensiver wird und auf die physische und psychische Gesundheit gefährdet sind, sollte auf jeden Fall eingegriffen werden. Wie schwer das Mobbing in diesem Fall ist, kann ich natürlich nicht sagen, es sollte aber auf jeden Fall abgeklärt werden. In meinem Auge hat die Schulleitung diese Pflicht.

Wenn das Mobbing aber schon seit einigen Monaten anhält, scheint dort auf jeden Fall Handlungsbedarf zu bestehen. Das Mädchen sollte nochmals alleine zur Schulleitung gehen, alles noch einmal genau schildern und wenn die Frage nach der Intensität des Mobbing aufkommt, nichts verharmlosen und die Wahrheit schildern. Nur dann kann anscheind geholfen werden. Wenn sie sich allein nicht traut, solltest du notfalls noch einmal mitkommen.

Ich habe in den letzten Jahren erlebt, dass „Mobbing“ an unserer Schule zu einer Art Modewort herangereift ist und bei jeglichen Kleinigkeiten genutzt wird. Da wird ein Mädchen einen Tag lang von ihren Freunden geschnitten und spricht sofort von Mobbing, dem abgeholfen werden muss. Einem Jungen entsteht im Zuge einer unter Jungs üblichen Rauferei ein Loch in seinem Pullover, die Mutter rennt auch gegen den Willen ihres Sohnes in die Schule und spricht von mutwilliger Sachbeschädigung und von Mobbing ihrem armen, harmlosen und wehrlosen Sohn gegenüber. Zwei Mädchen-Cliquen können sich nicht besonders gut leiden und ignorieren sich gegenseitig; niemand steht alleine da und alles ist weitgehend friedlich, trotzdem spricht man von Mobbing und will unbedingt eine Klassengemeinschaft herstellen. Wenn ich mir überlege, wie viele Beschwerden alleine schon wegen Mobbing regelmäßig bei den Klassenlehrern oder bei der Schulleitung eingehen, dann kann ich deiner Schulleiterin die Nachfrage, wie intensiv das Mobbing denn sei, nicht verdenken, zumindest dann, wenn das Mädchen im Vorfeld nicht konkrete Ereignisse schilderte.

Mobbing lässt sich natürlich schwer in Intensitätsstufen einordnen und übt immer einen psychischen Druck auf die Betroffenen Personen aus, als ehemals Betroffene kann ich aber schon beurteilen, dass es Mobbing in verschiedenen Variationen gibt und jede auf eine unterschiedliche Weise schmerzt beziehungsweise mehr oder weniger erträglich ist. Es macht einen Unterschied, ob ich von der ganzen Klasse gemobbt werde oder nur von einem Teil. Es spielt eine Rolle, ob ich vielleicht trotzdem Freunde in der Schule habe, die fest hinter mir stehen und mir den Rücken stärken. Es wird unterschiedlich wahrgenommen, ob ich aufs Übelste beschimpft, nur ignoriert oder gar tätlich angegriffen werde. Natürlich nimmt jedes Opfer das anders wahr und was für den Einen schlimm ist, fällt dem Nächsten kaum auf, aber trotzdem ist es sinnvoll, das Mobbing einzuordnen, alleine schon, um wirklich passende Gegenmaßnahmen zu treffen.

Problematisch sehe ich in deinem Fall, dass viele Opfer auf diese Frage antworten würden, es sei nicht so schlimm, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben, wenn die Schulleitung oder ein Lehrer Kontakt zu den Tätern aufnehmen und die Situation zu klären versuchen. Die Angst vor der eventuell noch schlimmeren Reaktion der Täter verleitet dann in der Regel zur Verharmlosung und zum Schutz der Täter. Das Mädchen sollte sich also unbedingt besinnen und vielleicht einmal aufschreiben, inwiefern das Mobbing stattfindet, wozu du sie ermutigen könntest. Mit dieser Niederschrift kann die Schulleitung wohl wirklich mehr anfangen als mit einer aus Angst vorgebrachten Verharmlosung.

Ich persönlich bin der Meinung, dass man allgemein gegen Mobbing an den Schulen und auch an den Arbeitsplätzen vorgehen sollte. Auch wenn es jetzt und zur Zeit noch harmlos aussieht: auch dieses Mobbing kann ganz schnell ausarten und ich muss mal sagen, dass es schon genug Leute und vor allem junge Mädchen gab, die sich wegen starken Mobbings an der Schule umgebracht haben.

Natürlich ist es verständlich, dass gefragt wird, wie stark das Mobbing eingeschätzt wird, weil je nachdem auch unterschiedliche Schritte eingeleitet werden müssen. Wenn es sich dabei nur um leichtes Mobbing handelt, dann würde es vielleicht reichen, mal mit den Schülern zu reden und ihnen klar zu machen, dass das so nicht in Ordnung ist. Aber wenn es schon ein sehr starkes Mobbing ist, dann würde ich auf jeden Fall die Eltern dazu ziehen. Wenn das nämlich schon dabei ist auszuarten, dann wird es vielleicht nichts mehr bringen, wenn man ein Gespräch nur mit den Schülern führt. Eventuell sollte man da dann auch schon eine Schulstrafe in Betracht ziehen.