Scham wegen Luxusproblemen?

vom 04.02.2012, 08:01 Uhr

Wenn wir mal ehrlich sind, haben vermutlich die wenigsten von uns wirkliche Probleme, zumindest keine existenziellen. Natürlich kann man vieles als Problem ansehen und ich bin auch der Meinung, dass man, je besser es einem geht, verstärkt den Fokus auf die kleinen Probleme richtet, die vielleicht nicht so sehr ins Blickfeld geraten würden, wenn man mit großen, lebensbedrohlichen Problemen zu kämpfen hätte. Das Gefühl, dass man wirkliche Probleme hat, kann ja durchaus authentisch sein, allerdings halten diese Probleme vermutlich nicht stand im Vergleich mit den zahlreichen Problemen, die es auf der Welt leider gibt. Während man sich in Deutschland vielleicht schon darüber aufregt, wenn nichts Gescheites im Fernsehen läuft, die Nudeln im Supermarkt ausverkauft sind oder das Auto nicht anspringt, leiden in anderen Teilen der Welt viele Leute unter gravierenderen Dingen.

Habt ihr euch schon einmal wegen vergleichsweise nichtiger Probleme oder regelrechten Luxusproblemen geschämt? Es gibt sehr viel Leid auf der Welt. Den meisten Tieren und Menschen geht es schlechter als uns Menschen in Deutschland (und weiteren wohlhabenderen Ländern). Kriege, Hungersnöte, Folter, allgemein ein Leben unter unwürdigen Bedingungen und viele weitere Probleme bedrohen das Leben vieler Menschen. Auch vielen Tieren geht es schlecht, sie werden gejagt, ermordet, ausgebeutet und in grausamen Versuchen gequält.

Glaubt ihr, dass viele Leute sich ihrer privilegierten Situation überhaupt bewusst sind? Schämt ihr euch manchmal für eure eigenen kleinen Luxusprobleme, wenn ihr daran denkt, wie es anderen Lebewesen auf der Welt ergeht? Vermutlich muss sich niemand von uns Sorgen machen, dass er verhungert, erfriert oder seine Kinder aus finanziellen Gründen nicht in die Schule schicken kann. Denkt ihr manchmal an das Elend auf der Welt, kommen euch die üblichen Probleme, mit denen wir hier zu kämpfen haben, vergleichsweise gering vor, oder seid ihr der Meinung, dass jedes Problem seine Daseinsberechtigung hat?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Natürlich meckern wir hier in Deutschland oft auf hohem Niveau. Verglichen mit anderen Ländern geht es uns gut, das ist schon wahr. Trotzdem heißt das jetzt für mich nicht, dass unsere Probleme unbedeutend sind.

Wenn sich Jugendliche hier umbringen, weil sie dem Mobbing in der Schule nicht stand halten, ist das für mich durchaus ein ernst zu nehmendes Problem. Wenn meine Frau (hypothetisch gesprochen, denn ich bin nicht verheiratet) eine psychische Krankheit hat und in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie muss, dann ist das ebenfalls ein Problem. Warum sollte ich mich dann schämen? Das ganze wäre für mich und meine Familie eine Belastung und ein Problem.

Mal ein anderes Beispiel. Viele Sorgen der kleinen Kinder für die sie dann anfangen zu weinen wären für uns Erwachsene eher lächerlich und unbedeutend. Aber macht es die Probleme für unsere Kinder weniger real und schlimm? Doch eher nicht. Es wird immer Menschen geben, denen es schlechter geht und die mir dann auch Leid tun. Aber trotzdem nehme ich auch unsere Probleme wahr. Sie verschwinden ja nicht einfach, nur weil es Leute gibt, denen es noch viel schlimmer geht.

Du hast schon recht, dass sich viele der Probleme hier lösen lassen. Verlieren wir unsere Jobs, dann bedeutet das nicht gleich den Hungertod. Wir haben ein gutes soziales Netz das uns auffängt. Und sollten wir in der Universität versagen, dann ist das ebenfalls nicht das Ende aller Dinge. Aber wir haben schon ein Recht traurig zu sein und uns deshalb auch zu bemitleiden. Uns selber, aber auch uns gegenseitig.

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» Endymion » Beiträge: 1015 » Talkpoints: 21,43 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wegen Luxusproblemen schäme ich mich bei anderen eigentlich nicht, aber auf meine eigene Situation bezogen gibt es schon manchmal Äußerungen von anderen, die ich beschämend finde. So ist es so, dass ich momentan ja zu Hause bin und einige Zeit gar nicht wirklich fit war, ich konnte nicht laufen, mir war ständig schlecht und solche Sachen. Ich habe manchmal dann Besuch bekommen von Freunden, von meiner Schwiegermutter und so und diese haben dann mit mir so erzählt.

Meine Schwiegermutter hatte dann mal eine Zeit, in der ihr viele Geräte kaputt gegangen sind und da sagte sie eines Tages doch tatsächlich "Ich habe nie Glück im Leben, bei mir läuft immer alles schief". Ich habe sie dann erstmal angeschaut und sie gefragt, ob sie das jetzt ernst meint. Sie ist gesund, sie hat eine Arbeit, sie fährt ein neues Auto und hat eine abgezahlte Eigentumswohnung und beschwert sich, weil es mal eine Phase gab, in der ihr viele Geräte kaputt gegangen sind und sagte dann auch noch, sie hätte nie Glück. Ich habe ihr dann mal erklärt, dass das in meiner Gegenwart schon ein komischer Spruch ist, wenn man bedenkt, dass ich mich kaum bewegen kann, dass ich wahrscheinlich nie wieder so fit sein werde wie ich mal war und dann sagt sie so etwas. Sie hat das dann zwar eingesehen, aber ich war schon überrascht über so ein Verhalten.

Ich finde auch, dass wir hier in Deutschland wirklich auf hohem Niveau jammern. Allerdings macht sich darüber keiner Gedanken, der noch nie in einer Situation war, in der er vielleicht anders hätte denken müssen. Ich finde, dass wir hier viel zu selten die kleinen Dinge sehen, viel zu selten wird uns bewusst, welches Glück wir hier eigentlich haben. Ich sehe vieles gelassener seit einigen Monaten und bin einfach nur froh, dass es mir wieder besser geht und über das was ich habe freue ich mich auch mehr als früher. Ich rege mich über Kleinigkeiten gar nicht mehr auf und jeder der das tut, dem sage ich auch meine Meinung dazu.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich schäme mich mit Sicherheit nicht, wenn mein Problemgrad nicht so "schwerwiegend" ist, wie der der anderen. Es ist eher so, dass mich ab und zu dieser Vergleich "anderen geht es schlimmer" vielleicht ein wenig von meiner negativen Stimmung runterbringt, jedoch bleibt eine gewisse Grundstimmung immer erhalten. Ja, wir sind alle Menschen, wir sind alle gleich und haben das gleiche "verdient". Nur ist nun mal die Lebenssituation eine relative Angelegenheit, die von einem selber und von anderen gestaltet wird.

Ich denke nicht, dass ein Mensch am Existenzminimum die Situation in einem solchen negativen und pessimistischen Maße sehen und bewerten würde, wie wir es jetzt machen, weil er einfach in dieser Situation "hineingeboren" wurde und nichts anderes kennt. Das wäre jetzt ein Beispiel für die Armen in Afrika. Ja, sie sehen ihre Situation als schlecht an, sie sehen, dass es Menschen auf der Welt gibt, die anders leben, aber die Situation ist nun mal so eine. Schlimmer ist es für einen, der einen gewissen Lebensstandard hatte und nun die Leiter nach unten gehen musste. Der sich jetzt bspw. nicht mehr bestimmte Luxusgüter leisten kann. Es ist immer eine Sache der persönlichen Sicht. Baue ich mein Leben auf solchen Annehmlichkeiten auf, sind sie das, was mein Leben ausmacht? Oder reflektiere ich genug über das Leben, um zu wissen, dass man nichts "Besseres ist" und das Leben auch ohne den Luxuskram, der reine Illusion ist, gut sein kann.

Wenn man sich dieser Relativität bewusst ist und sich auf die wesentlichen Sachen konzentriert, dann weiß man, dass man sich in einem Spiel befindet. Scham braucht es hier absolut keine zu geben, solange man sich der Natur des Lebens immer bewusst ist. Ich glaube kaum, dass sich unter den Armen nur Leute befinden, die absolut am Boden zerstört sind. Das sind größtenteils Menschen, die sich dann einfach den wesentlichen Dingen des Lebens zuwenden, Dingen, nach denen auch "wir" das Bedürfnis haben, aber womöglich vor lauter Luxus vergessen haben und letztlich doch unglücklich sind.

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» esprit*87 » Beiträge: 456 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ob ein Problem groß oder klein ist, ist doch eine subjektive Sichtweise. Denn was für den Einen schon quasi den Weltuntergang bedeutet, das ist für eine andere Person schon kein Problem mehr. Warum sollte ich mich also meiner Probleme schämen, nur weil es anderen Menschen noch schlechter geht?

Klar, wird es immer Menschen geben, welches es schlechter als mir geht. Doch deswegen sind doch meine Probleme keine Luxusprobleme. So eine Sichtweise finde ich dann völlig überzeugen, weil bei jedem Menschen die Lebensumstände anders sind.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich denke schon, dass man irgendwie in Deutschland teilweise nur mit Luxusproblemen zu kämpfen hat. Allerdings finde ich eben auch, dass es nicht heißt, dass man unbedingt glücklich sein muss, nur weil eben die Grundbedürfnisse erfüllt sind. Es gibt auch in Deutschland einige Leute, denen es rein psychisch und manchen auch physisch sehr schlecht geht und das sollte man nicht unterschätzen.

Wenn man unglücklich ist, ist man eben unglücklich und ich denke auch nicht, dass man sich dafür schämen muss, außer man ist gerade traurig, weil man sich ein 5 Millionen Euro Haus nicht kaufen kann und nur 4 Millionen hat, das wären dann für mich wirklich "Luxusprobleme". Aber gerade auf zwischenmenschlicher Ebene ist man eben oft so traurig, dass man gar nicht daran denkt, dass es andere Menschen gibt, denen es schlechter gibt. Man kann sich natürlich hier eigentlich immer glücklicher schätzen als die Leute in anderen Ländern, wo Krieg ist und die Verhältnisse noch viel schlechter sind, aber wer denkt da schon in solchen Situationen dran.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Es gibt solchen Luxus, für den man sich schämen kann, und es gibt Luxus, für den man sich nicht schämen muss. Gehe ich von heute aus - einem Tag, an dem eisige Temperaturen herrschen – so kann ich mir erlauben, spät aufzustehen, mich warm anzuziehen, die Heizung so aufzudrehen, dass die Räume mollig warm sind, nicht in die Kälte rausgehen zu müssen, weil ich genug zu essen habe. Wenn ich also will, muss ich nicht frieren und kann es mir gemütlich machen. Soll ich mich deshalb schämen, dass einige Menschen erfrieren oder schon erfroren sind in der Kälte? Nein, deshalb schäme ich mich nicht. Das ist für mich sehr bedauerlich und unverständlich, weil diese Menschen es nicht nötig hätten, in der Hundekälte draußen in einem Hauseingang oder eingewickelt in einer Wolldecke auf der Parkbank zu übernachten. Es gibt viele Möglichkeiten für sie, das abzuändern. Doch wenn sie es nicht anders wollen, muss man das akzeptieren.

Was ich habe, empfinde ich nicht als Luxus. In dem Land, in dem ich wohne, bin ich in diese Normalität hineingeboren worden. Die elementarsten Dinge gehören für mich zur Normalität. Dazu gehört auch, dass ich eine Wohnung habe mit Elektrizität und Wasser, dass ich Geld habe um Lebensmittel kaufen zu können. Denke ich nun an die lebensbedrohlichen Dinge in vielen Ländern der Erde, die du aufführst, wie Hunger, Krieg und Folter, finde ich es schlimm, dass viele Menschen darunter leiden und auch sterben dadurch. Ich bedauere das aus tiefstem Herzen, aber ich kann das Elend nicht abstellen, in dem ich mich schäme, weil es mir besser geht, als diesen bedauerlichen Menschen. Auch in Deutschland gab es Kriege, Hunger und Not. Das ist hoffentlich für immer Vergangenheit. Darüber nachdenken darf ich allerdings nicht, dass es manchen Menschen und auch den Tieren so schlecht geht.

Glaub mir, dass ich gerne auf Luxus verzichten würde, wenn ich dadurch jemanden vom Hungertod abhalten könnte. Aber was habe ich an Luxus? Ja, mein Auto könnte man als Luxus bezeichnen oder das Laptop und den Fernseher, aber sonst? Mir fällt nichts ein, was an Luxus erinnert. Urlaub wäre Luxus für mich, aber den kann ich mir nicht leisten, Schmuck besitze ich nicht. Ich bin weder genusssüchtig noch verschwenderisch. Etwas, was für mich Luxus wäre, fehlt mir allerdings: „Zeit“! Manchmal, wenn es mir gesundheitlich gerade mal besser geht, bekomme ich einen Anflug von Luxus, weil ich sehe, dass es anderen nicht so gut geht.

Tatsächlich gibt es aber im Gegensatz zu mir viele Menschen, die im Luxus schwimmen, und viele von ihnen denken nicht daran, dass es die von dir beschriebenen Probleme gibt. Sie schämen sich nicht ihres luxuriösen Lebens, denn sie „spenden“ ja für gute Zwecke und deshalb haben sie auch kein schlechtes Gewissen, weder gegenüber den Menschen noch Tieren in Not.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Es gibt doch immer jemand, dem es schlechter geht, als einem selbst und es ist auch schon so, dass man den Blick auf das Wesentliche verliert, wenn es für einen nicht so läuft, wie man es sich vielleicht selbst vorgestellt hat. Dennoch ist das Problem nicht zwangsläufig besser, nur, weil es jemand anderen schlecht geht. Diese These erachte ich schon für wichtig, dass man sich selbst nicht immer so klein machen soll, nur, weil das Problem im Vergleich zu anderen Problemen vielleicht kleiner ist. Man kann es ja meist auch lösen, aber darf man deshalb selbst keine (kleine) Probleme haben? Ich sehe das nicht so eng, wobei ich mir in manchen Situationen auch an den Kopf greifen kann und konnte, wenn ich mich zurück entsinne.

Ein typisches Beispiel, was mir gerade durch den Kopf geht, ist halt, dass man vielleicht Probleme mit seiner Wohnung hat. Aber man hat im Grunde ein Dach über den Kopf, was dem Obdachlosen fehlt und wenn man nun in seinem Beisein über ein Wohnungsproblem berichtet, ist das schon für den Obdachlosen eine Art Luxusproblem. Es kommt also auch darauf an, aus welcher Warte es betrachtet wird, sich aber dafür schämen, ich wüsste nicht unbedingt, warum es mit Scham verbunden wäre, wenn man sich über das Wohnungsproblem aufregt, sofern man es eben nicht unbedingt in Hörweite eines Wohnungslosen tut.

Ein wenig muss ich ja schon auch schmunzeln oder den Kopf schütteln, wenn ich hier von manchen Problemen lese - auch das, was ich hier manchmal von mir gebe, ist ein eher kleines, luxuriöses Problem, welches sich selbst lösen lassen würde. Aber Scham empfinde ich nicht wirklich dabei.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Ich habe mich in meinem Leben bereits in der Tat einige Male um mein Leben ernsthaft sorgen müssen und es gab auch eine Zeit, in der es um meine Existenz nicht sonderlich rosig stand, in der ich nichts zu essen hatte und auch nicht wirklich wissen möchte, was mit mir passiert wäre, hätte ich nicht zwei Menschen gehabt, die sich wenigstens hin und wieder um mich gekümmert hätten. Dass ich nun über die aktuell vorherrschende Kälte jammere, ist im Vergleich dazu oder eben auch zu Problemen anderer Menschen in anderen Ländern sicherlich ein Luxusproblem und jammern auf hohem Niveau mag ich im Prinzip auch gar nicht, allerdings glaube ich aber trotzdem, dass dieses Jammern über Nichtigkeiten für uns in gewisser Weise wichtig ist, weil die meisten von uns wohl unfähig dazu sind, auch ohne dieses Jammern erkennen zu können, wie gut es ihnen eigentlich geht, wenn sie diese Gründe, wegen derer sie nun jammern, nicht haben. Dennoch denke ich gleichzeitig, dass die meisten von uns sich durchaus darüber im Klaren sind, dass es ihnen überdurchschnittlich gut geht, denn allein das Jammern auf hohem Niveau schließt doch das Bewusstsein der Tatsache, dass eine schwierige Entscheidung zwischen einem Plasmafernseher und einem LCD-TV kein Problem ist, nicht aus.

Vielmehr denke ich aber, wie gesagt, dass dieses Hineinsteigern in irgendwelche Problemchen, die allerdings gar nicht alle nichtig sein müssen, wichtig für uns, die wir solche Probleme wie Hungersnot, Folter und Kriege nicht ständig oder gar nicht erleben, wichtig ist, um uns vor Augen halten zu können, wie die Sonnenseite des Lebens eigentlich aussieht und dass wir normalerweise auch auf dieser Sonnenseite leben. Dauerhaft glücklich sein kann sicherlich kein Mensch, und genauso wenig wird es möglich sein, wirklich immer zufrieden zu sein. Vermutlich, jedenfalls glaube ich wirklich fest daran, kann man Glück und Zufriedenheit nur dann empfinden, wenn man sich in irgendeiner unbewussten Regelmäßigkeit vor Augen hält, dass man jetzt gerade mal unzufrieden oder unglücklich ist, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder beide Gefühle empfinden zu können.

Jedenfalls finde ich aber wiederum nicht, dass hier in Deutschland jeder, der jammert, sich nur wegen irgendwelcher Luxusproblemchen beschwert, die nicht ernstzunehmen wären. Auch hier gibt es Armut und Grausamkeit, sicherlich auch Folter, wenn man psychische Qualen, die durch Dritte verübt werden, hier miteinbeziehen will. Außerdem gibt es auch in Deutschland unzählige Menschen, die unter gravierenden Krankheiten zu leiden haben, um ihr Leben kämpfen oder schwere Schicksale zu ertragen haben, von denen ich nicht sagen kann, dass sie auf hohem Niveau jammern. Häufig jammern diese Menschen aber eben nicht, sie beklagen sich wenig – jedenfalls die, die ich kenne. Jammern ist für mich eher etwas, das ich von solchen Menschen kenne, die sich irgendwelche Probleme einbrocken und sich dann darüber beschweren, dass sie sie haben.

Wenn ich über irgendeinen Zustand wirklich einmal jammere, dann schäme ich mich dieses Jammerns aber nicht, nein. Ich weiß wohl, dass viele meiner Probleme, die ich als solche sehe, für andere Menschen, die mit anderen Widrigkeiten regelrecht zu kämpfen haben, wiederum keine Probleme sind, jedenfalls wohl keine ernstzunehmenden. Allerdings weiß ich so gut wie jeder andere auch, dass man selbst immer nur das als schlimmsten Fall bezeichnen kann, was für einen selbst den schlimmsten Fall darstellt, den man kennt, weil man ihn erlebt hat. Deshalb fällt es den Menschen doch auch so schwer, sich in Situationen hineinzuversetzen und diese nachzuempfinden, die sie selbst eben noch gar nicht erlebt haben. Eine Mobbing-Situation in meiner Arbeit kann für mich also ein wirklich riesengroßes Problem sein, das mich auch psychisch enorm belastet und somit meine Gesundheit schädigt. Dafür schämen, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin und an mir keine Foltermethoden angewandt wurden oder ich in einem Konzentrationslager arbeiten muss und somit meine Mobbing-Situation als schwerwiegend schlimm empfinde, muss ich mich allerdings sicherlich nicht.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe mir in meinem Leben auch schon eine Zeit lang richtig Sorgen gemacht und wusste wirklich nicht weiter. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich nicht weiß, wie mein Leben weiter verlaufen wäre, wenn ich meinen Partner nicht kennengelernt hätte. Ich hatte also durchaus auch schon ernste und dunkle Phasen in meinem Leben, die für mich sehr schlimm waren.

Oft wenn es mir mal schlecht geht, denke ich auch daran, dass es irgendwo Menschen gibt, denen es weitaus schlechter geht und das ich mich zusammenreißen sollte. Über solche Sachen wie ausverkaufte Lebensmittel oder das Fernsehprogramm, rege ich mich gar nicht auf und das würde ich keines Falls als Problem ansehen. Da fährt man dann eben in einen anderen Laden und legt eine DVD ein.

Einmal habe ich mich im Nachhinein für etwas geschämt. Ich war damals noch jünger und habe das alles nicht so realisiert. Ich lag damals im Krankenhaus und hatte eine Frau mit auf dem Zimmer. Ich habe damals sehr viel geweint, weil ich nervlich belastet war und auch ziemlich große Schmerzen hatte. Die Frau auf meinem Zimmer sagte dann, dass ich mich nicht so anstellen sollte. Es stellt sich dann auch raus, dass sie Krebs hatte. Als ich dann älter war und über dies nachgedacht habe, habe ich mich dann doch irgendwie geschämt. Das ich so labil war und gejammert habe, wo es der Frau wahrscheinlich viel schlechter ging und sie sich gar nichts anmerken ließ.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


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