Fachkräftemangel und vermeintliche Überqualifizierung
In Deutschland wird ja schon seit geraumer Zeit ein angeblicher Fachkräftemangel bejammert. Nur stellt sich mir die derzeitige Arbeitsmarktsituation etwas widersprüchlich dar. In meiner Bekanntschaft gibt es etliche Personen die zum Teil schon einige Jahre arbeitslos sind. Nun ist es jedoch nicht so, dass sie sich nicht bemühen würden einen neuen Job zu finden. Der Bewerbungs- und Vorstellungsgespräche gab es schon zu Hauf, nur überall wird ihnen dann offeriert sie seien „Überqualifiziert“ und von daher nicht für diese Stelle geeignet.
Nun frage ich mich nur, was denn überhaupt für Fachkräfte gesucht werden? Man kann doch nicht ständig und überall überqualifiziert sein. Wo fehlen denn dann die vermeintlichen Fachkräfte? Sind diese dann doch eher in Hilfsarbeiter Segmenten zu suchen? Ich komme mit der ganzen Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht mehr ganz mit und wollte mich von daher mal nach euren diesbezüglichen Erfahrungen erkundigen. Ich kann mich jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren, dass der ganze Fachkräftemangel-Hickhack eine hausgemachte Politikposse darstellt …!?
Ich denke auch, dass viele Unternehmen gern jammern über angeblich fehlende Bewerber oder einen Fachkräftemangel. Sicherlich gibt es häufig weniger Bewerber auf manche Stellen und für einen Ausbildungsplatz gibt es dann statt 50 vielleicht nur noch 20 Kandidaten. Aber wenn man seine Ansprüche nicht all zu unrealistisch gestaltet, sollten auch da noch die meisten Stellen besetzt werden können.
Auch in gewissen Bereichen mag es zeitweilig passieren, dass geeignete Bewerber fehlen. Es nützt ja z.B. nichts, wenn in Hamburg Tiefbauingenieure gesucht werden und in Freiburg Hochbauingenieure arbeitslos sind. Regionale Aspekte und Spezialisierungen spielen auch eine Rolle.
In jedem Fall ist das Argument „Überqualifiziert“ eine Ausrede, weil man jemandem nicht sagen will, dass er aus anderen Gründen nicht für die Stelle in Frage kommt. Aus rechtlichen Gründen müssen sich Unternehmen ja gewissermaßen Ausreden einfallen lassen, wenn sie z.B. für eine bestimmte Stelle keine Frau / keinen Mann einstellen wollen oder der Bewerber ihnen einfach unsympathisch ist.
Ich kenne dieses Problem auch aus dem Bekanntenkreis. Meines Erachtens liegt es an der Zahlungsmoral. Menschen mit hohen Qualifikationen müsste im Normalfall mehr gezahlt werden. Das wollen die Arbeitgeber natürlich vermeiden.
Weiteres denke ich, dass viele Angst haben, jemanden einzustellen, der höhere Qualifikationen als man selbst hat, oder als alle Anderen die im diesem Bereich arbeiten. Eventuell schämen sich die Arbeitgeber sogar dafür oder haben Angst vor "Besserwissern", innerbetrieblichen Konflikten oder Druck.
Dem Arbeitsmarkt entsprechende Fachkräfte müssen also scheinbar sich unterordnen können, möglichst konform zum Betrieb passen, keine hohen Gehälter fordern und eine fachlich kompetente, jedoch nicht allzu hohe und nicht auf einen kleinen Bereich spezialisierte Ausbildung haben. Natürlich läuft das nicht überall so. Aber ich denke, als solch durchschnittliche Fachkraft, hat man die besten Chancen.
Ich bin der Meinung, dass es so etwas wie eine Überqualifizierung gar nicht geben kann. Klar, manche Bewerber übertreffen die an die Bewerber gestellten Anforderungen. Aber ich verstehe nicht, wie ein Arbeitgeber dies als Grund dafür anführen kann, eine Person nicht zu beschäftigen, wenn diese ansonsten ein zufriedenstellendes Bewerbungsgespräch abgeliefert hat und gewillt wie auch motiviert ist, die Stelle anzutreten. Ich denke, dass jemand schon unterqualifiziert sein kann, also die gestellten Anforderungen nicht erreicht, aber wenn man mehr mitbringt als der Arbeitgeber erwartet, dann ist das doch eigentlich etwas positives, oder?
Ich würde eher jemanden einstellen, der überqualifiziert ist aber einen guten Eindruck gemacht hat und sehr um eine Arbeitsstelle bemüht ist und unter Umständen auch schon länger keine Arbeitsstelle mehr hat, als jemanden, der ausreichend qualifiziert ist, einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht hat, aber der keinen hohen Druck hat, eine neue Arbeitsstelle zu finden, weil er oder sie vielleicht noch eine feste Beschäftigung hat und sich nur umorientieren will.
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