Arroganz oder Selbsteinschätzung?

vom 17.01.2012, 11:58 Uhr

Immer mal wieder habe ich schon zu hören bekommen, dass ich ziemlich arrogant wirken würde. Ich persönlich kann das gar nicht bestätigen, weil ich mein eigenes Selbstvertrauen nicht unbedingt hoch einschätze, aber für fremde oder nicht gut Bekannte wirke ich wohl oft so.

Mich beschäftigt das Thema, denn ich stelle mir die Frage, wo hört eine korrekte Selbsteinschätzung auf und wo fängt Arroganz an? Ein Beispiel: mein Chef sucht eine Leitung für ein neues Projekt und jeder von uns Angestellten sollte ihm gegenüber kurz begründen, warum wir uns die Aufgabe zutrauen. Ich habe ihm ohne lange Vorreden gesagt, dass ich weiß, dass ich die Beste dafür bin und ich weiß, dass die anderen die Arbeit nicht so gut erledigen werden wie ich. Mein Chef weiß wie er mich einzuschätzen hat und lachte über meine Aussage, aber für andere könnte das wieder ziemlich arrogant wirken. Ist es das aber wirklich oder ist es einfach nur Selbsteinschätzung, wenn ich aus Erfahrung davon überzeugt bin, dass ich für diesen Job die qualifizierteste Person bin?

Für was steht Arroganz oder auch "eingebildet" sein? Wenn ich etwas gut kann und ein Talent habe, dann weiß ich das und stehe auch dazu. Wenn ich etwas besser kann als die anderen in Frage kommenden Personen, dann bin ich mir dessen auch bewusst, werte aber die anderen Personen nicht ab. Ich bin mir genauso bewusst, dass ich Schwächen habe und das es Gebiete gibt, wo mich andere Personen um Längen überragen. Aber darf man eigentlich heute noch zu seinen Stärken stehen, ohne dass man zwangsläufig in die Schublade "Arrogant" gesteckt wird?

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Natürlich darf man zu seinen Stärken stehen, auch ohne dafür als arrogant bezeichnet zu werden. Aber du widersprichst dir meiner Meinung nach in deinem Beitrag selbst. Einerseits sagst du zu deinem Chef, dass du die beste für die Aufgabe seist und die anderen die Arbeit nicht so gut machen würden wie du, andererseits aber erwähnst du weiter unten, dass du zwar deine Stärken hervorhebst, aber damit nicht andere abwertest. Damit hast du aber deine Kollegen abgewertet und das direkt vor deinem Chef. Warum ist das nötig, um zu zeigen, dass du etwas gut kannst? Ich finde, dass die Arbeit deiner Kollegen da nichts verloren hat, denn ob die anderen das gut machen würden, das kann dein Chef schön selbst entscheiden, dazu braucht er deine Einschätzung nicht. Aber du hast deine Stärke genannt und dabei gleichzeitig deine Kollegen abgewertet, das finde ich schon arrogant.

Wenn du das häufiger so machst, dann bin ich nicht weiter verwundert, dass dein Umfeld dich für arrogant hält. Denn man kann durchaus seine Stärken hervorheben, aber das ohne andere abzuwerten oder sich als besser als sie darzustellen. Jeder hat Stärken und Schwächen, aber man sollte nicht andere nieder machen mit dem was man selbst besser kann, denn das ist tatsächlich arrogant. Seine Stärken hervorzuheben und dabei nicht arrogant zu wirken gelingt meines Erachtens nach nur, wenn man es so machen kann, dass sich andere dabei nicht klein vorkommen oder das Gefühl bekommen, dass du über ihnen stehst.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Natürlich darf man zu seinen Stärken stehen, aber das kann man eben auf verschiedene Arten und Weisen machen. Und auf der einen Art wirkt es eben arrogant und auf der anderen nicht. Wenn man nun zum Chef einfach sagt, dass man die Beste ist und die anderen ihre Arbeit schlechter erledigen, finde ich das schon arrogant. Es mag ja sein, dass du tatsächlich bessere Arbeit machst, aber das kann man doch auch anders verpacken als es so direkt zu sagen und damit die anderen (auch noch vor dem Chef) schlecht machst. Kein Wunder, dass du oft für arrogant gehalten wirst, wenn du das öfter so machst.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Jess0708 hat geschrieben:Immer mal wieder habe ich schon zu hören bekommen, dass ich ziemlich arrogant wirken würde.

Wenn du das ab und zu zu hören bekommst, dann kannst du es schon ignorieren. Aber sollte das wirklich merkbar oft vorkommen, so würde ich mir schon auch Gedanken machen. Denn dann wäre es wirklich ein Problem, wie du auf andere wirkst. Wenn hier bei den anderen nur der Eindruck der Arroganz entsteht, ist das sicher in keinem Bereich (privat wie beruflich) hilfreich und verbaut mehr, als es einem selbst vielleicht bewusst ist.

Jess0708 hat geschrieben:Ich persönlich kann das gar nicht bestätigen,

Du kannst nicht bestätigen, arrogant zu sein? Wie würdest du das auch feststellen wollen? Und was deine Einschätzung betrifft, wie dich andere wahrnehmen, wärst du die letzte Person, die das unvoreingenommen machen könnte. Da musst du dich schon von anderen einschätzen lassen.

Jess0708 hat geschrieben:weil ich mein eigenes Selbstvertrauen nicht unbedingt hoch einschätze, aber für fremde oder nicht gut Bekannte wirke ich wohl oft so.

Arroganz hat eigentlich nichts mit Selbstvertrauen zu tun. Mit übertriebener Arroganz könnte man übrigens fehlendes Selbstvertrauen überspielen. Und wie schon geschrieben: wenn du wirklich merkst, dass Fremde diesen Eindruck gewinnen, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass du dich tatsächlich entsprechend verhältst.

Jess0708 hat geschrieben:Mich beschäftigt das Thema, denn ich stelle mir die Frage, wo hört eine korrekte Selbsteinschätzung auf und wo fängt Arroganz an?

Selbsteinschätzungen haben ja nicht mit Arroganz zu tun. Sich selbst einzuschätzen ist aber schwierig, weil die Außenwirkung eben nur von Außen richtig zu beurteilen ist.

Jess0708 hat geschrieben:Ein Beispiel: mein Chef sucht eine Leitung für ein neues Projekt und jeder von uns Angestellten sollte ihm gegenüber kurz begründen, warum wir uns die Aufgabe zutrauen. Ich habe ihm ohne lange Vorreden gesagt, dass ich weiß, dass ich die Beste dafür bin und ich weiß, dass die anderen die Arbeit nicht so gut erledigen werden wie ich. Mein Chef weiß wie er mich einzuschätzen hat und lachte über meine Aussage,

Ob diese Handlungsweise nur Arrogant war, würde ich hier mal bezweifeln. Du hättest in so einem Fall den Bogen Arroganz schon massiv überzogen. Und ich würde hier eher von unkollegialem bis unsozialem Verhalten sprechen. Vielleicht auch von denunzieren. Aber trotz allem wäre in meinen Augen der Schuss nach hinten losgegangen, weil du den Eindruck vermittelt hast, von den schlechten Möglichkeiten die erträglichste zu sein. Jedenfalls hat es nichts mit eigener Befähigung zu tun, wenn man sich dadurch abheben will, einfach nur nicht so schlecht wie die anderen zu sein. Zumal diese Einschätzung nicht mal prüfbar ist. Damit jedenfalls hättest du nicht mal einen Grund genannt, der dich eben befähigen würde. Hier hätte man dann vielleicht Anzeichen von Arroganz finden können.

Jess0708 hat geschrieben:aber für andere könnte das wieder ziemlich arrogant wirken.

An Stelle eines Kollegen von dir wäre Arrogant nicht das richtige Wort. Hier würde ich andere Begriffe in den Raum stellen und ich denke, dass du keine Hilfe mehr zu erwarten hättest.

Jess0708 hat geschrieben:Ist es das aber wirklich oder ist es einfach nur Selbsteinschätzung, wenn ich aus Erfahrung davon überzeugt bin, dass ich für diesen Job die qualifizierteste Person bin?

Nachdem du nur darauf verweist, besser als die anderen zu sein, schätzt du ja nicht dich ein, sondern die anderen! So gesehen kann man dir da Arroganz attestieren, hinter der wenig steckt. Aber auf Grund der unerfreulichen Art muss man auch wissen, dass das Verhalten von anderen eben wesentlich unsachlicher kommentiert werden würde, so dass das nicht zu einem Arroganten Ruf beiträgt.

Jess0708 hat geschrieben:Für was steht Arroganz oder auch "eingebildet" sein? Wenn ich etwas gut kann und ein Talent habe, dann weiß ich das und stehe auch dazu. Wenn ich etwas besser kann als die anderen in Frage kommenden Personen, dann bin ich mir dessen auch bewusst,

Solange das aber für die anderen nicht auch sonnenklar ist (also z.B. für deinen Chef), hast du diese Besser-Sein noch nicht oft unter Beweis gestellt. Wieso sonst sollte der Chef erst fragen müssen? Und wieso müsstest du diese Überlegenheit kundtun, wenn es so ist?

Jess0708 hat geschrieben:werte aber die anderen Personen nicht ab.

Du hast lediglich gesagt, dass sie für Projekte nicht taugen und dir zu keinem Zeitpunkt das Wasser reichen können. Was genau hättest du gesagt, wenn du sie hättest abwerten wollen?

Jess0708 hat geschrieben:Ich bin mir genauso bewusst, dass ich Schwächen habe

Mindestens mal, was die soziale Kommunikation angeht. ;)

Jess0708 hat geschrieben:und das es Gebiete gibt, wo mich andere Personen um Längen überragen. Aber darf man eigentlich heute noch zu seinen Stärken stehen, ohne dass man zwangsläufig in die Schublade "Arrogant" gesteckt wird?

Natürlich darf man das. Aber es stellt sich die Frage, wie sehr diese selbst ausgemachten Stärken zu einer Luftnummer gezählt werden müssen. Denn eigentlich ist es doch so, insbesondere wenn man schon länger dabei ist, dass die Stärken den anderen auch bewusst sind! Schließlich leistet man Tag für Tag was. Sich regelmäßig hinstellen zu müssen, um zu sagen, wie toll man ist (Eigenmarketing ist aber natürlich auch wichtig), deutet dennoch auf eine Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und Außenwirkung.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Da ich selbst „Chef“ bin, hackt bei mir die Frage „Warum bist du besser als die anderen ?“ Wie hast du die Frage denn konkret begründet ? „Ich weiß, dass ich besser bin !“ würde mir, als Chef nicht ausreichen. Ich würde schon wissen wollen, was genau dich besser macht. Ansonsten wäre deine Antwort nur heiße Luft.

Arroganz hat für mich etwas mit Konkurrenzgehabe zu tun. Man sagt sich selbst einen Status zu, der weit über dem Status der anderen ist. Wie ein König, der auf seine Untertanen herabschaut. Die Frage ist immer, wird man diesem „Status“ auch gerecht?

Wenn jemand immer fleißig ist, immer Höchstleistungen aufzuweisen hat und eine wirklich wichtige Bereicherung für die Firma ist, dann darf er auch mal arrogant ein. Aber es muss natürlich alles einen gesunden Rahmen haben. Wenn die Arroganz den Betriebsfrieden gefährdet, kann dass sogar eine Abmahnung wert sein.

» Friedmann » Beiträge: 561 » Talkpoints: -1,05 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Danke für eure Einschätzungen. Nun, ich glaube auch, für Außenstehende oder wie auch aus meinem Text ersichtlich, klang es ziemlich nach Abwertung meiner Kollegen. Da wir aber ein sehr eingespieltes und ehrliches Team sind, habe ich die Aussage vor meinen Kollegen getroffen und sie haben alle miteinander zugestimmt.

Wäre es um ein Projekt gegangen, wo ich mich nicht für die Geeignetste halten würde, hätte auch auch keinerlei Problem damit gehabt zu sagen "nimm XY", ich bin dafür zu unqualifiziert und besser als "XY" bekommt es niemand hin. Wir arbeiten in einem Betrieb wo es darum geht Kundenwünsche zufriedenstellend zu befriedigen, falsche Bescheidenheit oder falsche Selbstüberschätzung könnte uns einen Auftraggeber kosten, was für meinen Chef nicht besonders prickelnd wäre.

Um die Frage nach dem abwertenden Urteil zu beantworten, wenn ich jemanden hätte abwerten wollen, hätte ich gesagt, dass ich ohnehin nicht verstehe, warum die Person eingestellt wurde oder ähnliches. Allerdings hätte ich mir solche Kommentare ohnehin verkniffen, das war nur rhetorisch beantwortet.

» Jess0708 » Beiträge: 715 » Talkpoints: 47,47 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Arroganz kann sich in vielerlei Form äußern, aber bei dir denke ich, dass du möglicherweise einfach dadurch zu arrogant wirkst, dass du frei heraus deine Meinung sagst. Vermutlich hätte es, sofern ich deiner Aussage Glauben schenken kann, in einer anderen Situation auch so ausgesehen, dass du offen gestanden hättest, dass du für diese Aufgabe absolut nicht geeignet bist und man lieber jemanden anderen dafür auswählen sollte. Dann hätten vielleicht auch einige Personen geglaubt, du würdest an Minderwertigkeitsgefühlen leiden, was aber genauso wenig stimmen würde.

Selbst bei richtiger Einschätzung meiner Selbst, würde ich nur sehr wenigen Situationen auch wirklich die Wahrheit sagen. Wenn mich jemand beim Orchester oder Geigenbauer fragt, kannst du das oder das, dann würde ich auf jeden Fall wahrheitsgemäß antworten und auch das so sagen, wie ich mich selbst einschätze. Anders sieht das aber zum Beispiel in der Schule aus. Hier würde ich schon irgendwie Rücksicht auf die andern Mitschüler nehmen. Prinzipiell bin ich kein Mensch, der sich große etwas aus anderen macht und ich habe auch nur sehr wenige Gleichaltrige als Freunde, so dass ich mir keine Sorgen machen bräuchte, die Wahrheit zu sagen.

Problematisch wäre es allerdings, weil ich keine Lust hätte, der Klasse klar zu machen, dass ich in dem und dem Punkt vielleicht etwas besser bin, als der Rest und wenn dann so Fragen kommen wie ''Warum haben sie Physik denn nicht als Abiturfach gewählt, bei den Noten? In den anderen Fächern sind sie wohl auch spitzenklasse?'' dann halte ich mich zurück, praktisch aus Rücksicht.

Daher würde ich mal sagen, dass deine Selbsteinschätzung durchaus richtig sein kann, du dir aber selbst keinen Gefallen damit tust, wenn du diesbezüglich die reine Wahrheit sagst. Ich würde das vielleicht einfach etwas umschreiben, und dem Chef auch klar machen, dass ich die Beste dafür bin, aber so direkt hätte ich es vermutlich nicht gesagt. Mir wäre das einfach etwas zu riskant, wenn Leute einen nicht kennen halten sie es dann auch wirklich für Arroganz und nur wer einen kennt, weiß dass man auch seine Schwächen eingestehen kann.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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