Religionen im Kindergarten

vom 15.01.2012, 21:25 Uhr

*steph* hat geschrieben:Sollten die Erzieher auf meinen Wunsch nicht Rücksicht nehmen und es gebe noch andere Kindergartengruppen beziehungsweise noch andere Gruppen, in denen nicht gebetet würde, so würde ich versuchen, die Gruppe wechseln zu lassen.


Das würde ich persönlich gerne noch einmal näher thematisieren, denn es geht hier ja allgemein um Religion im Kindergarten und den Umgang damit. Du schreibst also, du vermutest, es wäre eine Lösung, wenn das Kind plötzlich zuhause Gebete von sich geben würde, bei denen sich herausstellt, dass das Kind sie im Kindergarten aufgeschnappt beziehungsweise gelehrt bekommen hat, eben dieses Kind die Gruppe wechseln zu lassen. Ich weiß aber nicht, ob das so optimal wäre. Ich jedenfalls würde dazu raten, dass betroffene Eltern dies auch nicht zu vorschnell in Erwägung ziehen sollten.

Denn einerseits ist es ja schon so, dass das Kind dann der religiösen Erziehung durch die Kindergarten-Angestellten entzogen wäre, was dieses Problem natürlich löst. Andererseits aber impliziert die Tatsache, dass man das Kind irgendwann einmal beim Beten erwischt, höchstwahrscheinlich, dass das Kind sich schon eine Weile im Kindergarten eingelebt hat, oder? Angenommen, es wäre so, und das Kind wäre nicht erst seit einer halben Woche da, so hat das Kind dann ja in der Gruppe schon soziale Kontakte aufgebaut. Vielleicht wurden schon Freundschaften gefunden. Sollte man das Kind wegen der durch die Eltern nicht erwünschten Gebete dann wirklich wieder aus diesem sozialen Gefüge reißen, weg von den Freunden? Sicher dürfte es in anderen Gruppen auch neue Freunde finden, aber dennoch finde ich es nicht so gut, neu geschlossene Kontakte dann gleich wieder abzubrechen.

Dass die Religion oder auch der Atheismus für viele Eltern wichtig sind, und dass man nicht möchte, dass das Kind die "falsche" Religion oder aber auch überhaupt eine Religion gelehrt bekommt, kann ich ja gut nachvollziehen. Aber sollte das so schwer wiegen, dass man dem Kind die neuen Freunde sofort wieder nimmt? Mir persönlich fiele es schwer, mich einfach mal auf die Schnelle zu entscheiden, was nun eigentlich wichtiger wäre, das Vermeiden der religiösen Erziehung des Kindes, oder aber der Erhalt von Freundschaften, die das Kind in der Gruppe bereits geschlossen hat.

Ein Gedanke von mir wäre ja beispielsweise auch, dass ein Kind sich nach dem Kindergartenalter logischerweise noch viel entwickeln und verändern wird. Möglicherweise gibt sich diese im Kindergarten anerzogene Religiosität ja mit der Zeit von alleine wieder. Wenn das Kind den Kindergarten verlässt, und danach die Folgejahre wieder unreligiös durchlebt, wenn die Familie unreligiös ist, wenn kein Religionsunterricht an der Grundschule und an der Oberschule besucht werden, ist es dann nicht wahrscheinlich, dass das Kind die religiöse Prägung im Kleinkindalter wieder verliert? Zwar sind die ersten Lebensjahre schon enorm prägend, aber es kann sich ja wirklich noch eine Unmenge an Dingen verändern.

Mal ganz zu schweigen davon, dass jeder Mensch ja zum Glück noch "seinen eigenen Kopf" hat, und sich demnach in alle Richtungen noch Dinge verändern können. So kann ja beispielsweise auch ein unreligiös erzogener Mensch später dennoch, eigenständig, zum religiösen Menschen welcher Religion auch immer werden. Es gibt ja zum Beispiel auch noch erwachsene Konvertiten zu Islam oder Buddhismus. Die wurden im Kindergarten, den sie vor vielleicht dreißig, vierzig oder fünfzig Jahren in Deutschland besucht haben, ja mit absoluter Sicherheit keinen islamischen oder buddhistischen Unterricht gehabt haben. Die Frage ist also: Wie wichtig und ernst muss man religiöse Attribute im Kindergarten überhaupt nehmen?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



@Wawa666, es soll durchaus Eltern geben, die so radikal handeln und trotz eines gewissen sozialen Umfeldes ihre Kinder lieber komplett aus der Gruppe herausnehmen und sie vielleicht in eine andere Gruppe unterbringen. Natürlich kann man so etwas mit einer gewissen Skepsis versehen, aber das gleiche Problem stellt sich quasi dar, wenn eine Familie aus dem bisherigen Wohnort wegzieht und das Kindergartenkind dadurch nicht mehr in den gleichen Kindergarten gehen kann. Es muss sich auch neu zurecht finden. Davon abgesehen bieten die meisten Kindergärten heutzutage eine gruppenübergreifende Arbeit an, sodass das Kindergartenkind unter Beachtung von gewissen Regeln durchaus weiterhin Kontakt zu den bisherigen Freunden halten kann.

Dazu kommt, dass hier erst einmal davon die Rede war, dass gerade eine Findungsphase, also Eingewöhnungsphase stattfindet, und ich denke, würde man eben als nicht gläubiger Vater oder als nicht gläubige Mutter sehen, dass die Gruppenerzieherin mit meinem Kind betet, obwohl ich davon nichts halte, so ist es dann nicht so ein krasser Schnitt, als wenn das Kind schon eine Weile im Kindergarten wäre.

Wie es nun wäre, wenn das Kind nach Kindergarten in eine völlig religionsfreie Schule hineinkommt und dort eben lernt, weiß ich nicht. Ich denke, man sollte aber dennoch bereits auf den Wunsch der Eltern bereits zu Kindergartenzeiten eingehen, gerade dann, wenn es sich um eine städtische/ kommunale Einrichtung handelt und eben nicht um eine christlich orientiere Einrichtung. Kritisch würde es dann auch werden, wenn nichts von einem gemeinsamen Beten oder generell von Religion im Konzept erwähnt wird und man dort eben doch recht christlich eingestellt ist und dieses vorlebt oder mit christlichen Ritualen den Alltag im Kindergarten gestaltet. Da sollte man sich als Betreuungsperson durchaus an das halten, was die Konzeption sagt und nicht an das, was man selbst vertreten würde.

Die Einflussnahme im Kindergarten mag auf das spätere Leben vielleicht nicht so groß sein, aber ich kann mir schon sehr gut vorstellen, dass Eltern es dennoch nicht wünschen. Ich denke auch, wenn Religion zu Hause verabscheut wird, um es mal ganz extrem auszudrücken, und sie im Kindergarten ausgelebt wird, so kann sich durchaus ein Kind hin- und hergerissen fühlen, ich könnte mir auch absolut vorstellen, dass das Kind so durcheinander kommt.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Ich bin damals in einem katholischen Kindergarten gewesen, deswegen irritiert mich dein Bericht etwas, denn obwohl es ein katholischer Kindergarten war, wurde bei uns niemals gebetet, weder beim Essen, sonst zu irgendwelchen anderen Gelegenheiten. In der Regel lief das bei uns so ab, dass die Kinder zu bestimmten Festlichkeiten wie Weihnachten oder Ostern Lieder einübten und dann musste die Kindergartengruppe am Sonntag zum Gottesdienst gehen und dieses Lied dann vortragen. Hiervon waren aber alle Kinder ausgeschlossen, die da entweder keine Lust drauf hatten oder deren Eltern dass nicht wollten, man konnte also durchaus sagen, dass man es sich aussuchen konnte und kein Kind gezwungen dazu war. In unserem Kindergarten gab es aber durchaus auch einige Türken und angehörige weiterer Religionen.

Ich selbst kann die Bedenken deiner Freundin ehrlich gesagt durchaus verstehen, denn wenn es sich um einen öffentlichen Kindergarten handelt, dann finde ich es ehrlich gesagt schon ein bisschen heftig, wenn dann hier gebetet wird, obwohl nicht klar gesagt ist, dass es sich hier um einen katholischen oder evangelischen Kindergarten handelt. Ich wüsste dann auch nicht, was ich denn machen könnte, wenn ich nicht wollen würde, dass mein Kind christlich erzogen wird, denn selbst wenn man sagt, dass es von diesen Gebeten ausgeschlossen wird, wird sich das nicht zum Vorteil auswirken, eben weil das Kind sich dann mitunter vorkommt, wie ein Außenseiter und dass muss auch nicht sein. Möchte man sein Kind nicht religiös erziehen, würde ich sagen, dass man dann diesbezüglich definitiv in einer Zwickmühle steckt, sofern es im Ort keine anderen Kindergärten gibt, die keine Gebete praktizieren.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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