Werden Vorbestrafte vorurteilsfrei behandelt?
Es gibt ja doch einige Vorbestrafte in Deutschland. Wenn ihr jemanden kennenlernt und ihr würdet erfahren oder wüsstet, dass derjenige oder diejenige vorbestraft ist, egal weswegen, würdet ihr dieser Person vorurteilsfrei entgegenstehen können? Würdet ihr immer daran denken, dass diese Person etwas getan hat, wofür sie bestraft wurde, für dass sie möglicherweise sogar im Gefängnis gesessen hat?
Könntet ihr beispielsweise einem Menschen, der einen anderen Menschen krankenhausreif geprügelt hat vorurteilsfrei begegnen? Wir wäre es bei einem Menschen, bei dem ihr wüsstet, dass dieser alten Omas die Handtasche geklaut hat? Wie würdet ihr solchen Menschen begegnen und wie würdet ihr sie behandeln? Würde es euch schwer fallen nicht an die Straftat zu denken und euch ein eigenes Bild von diesem Menschen zu machen?
Ich denke, dass es immer auf die Straftat ankommt. Wenn jemand eine andere Person verprügelt hat, weil es Notwehr war oder so jemanden schwer verletzt hat, dann ist es natürlich gerechtfertigt. Die Tat ist dann zwar trotzdem nicht schön, aber zum Teil gerechtfertigt.
Jedoch könnte ich es zum Beispiel niemandem verzeihen, dass er einen anderen Menschen umgebracht hat. Auch wenn es sich dabei um Notwehr handelt, ist es einfach unverzeihlich. Denn meiner Meinung nach hat keine andere Person ein Recht dazu, das Leben von einem selbst oder einer anderen Person auszulöschen.
Wenn ich wüsste,dass mein Gegenüber jemanden umgebracht hat, dann wäre es wohl kein Vorurteil, ihn für einen Mörder zu halten. Schließlich hat er tatsächlich getötet, insofern könnte ich ihn wohl kaum wie eine gewöhnliche Person behandeln, da er eben keine solche ist. Allerdings hätte er evtl. eine zweite Chance verdient, wobei beim Extrembeispiel Mörder ich wohl stark verunsichert wäre.
Einem solchen Menschen könnte ich nicht vorurteilsfrei begegnen. Es wäre allerdings wichtig für mich zu erfahren, warum er verurteilt wurde. Wenn er jemanden krankenhausreif verprügelt hat, müsste ich erst einmal wissen, warum er das tat. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, unter denen man schon unterscheiden sollte. Handelt es sich aber um eine Person, die älteren Menschen die Taschen geklaut hat, um an deren Geld zu kommen, habe ich dafür kein Verständnis und möchte solch einen Menschen nicht in meiner Nähe wissen. Von diesem Menschen würde ich mir kein eigenes Bild machen wollen, der ist für mich von vorneherein Luft.
Ich denke, dass ich mich damit schwer tun würde, einer solchen Person ohne Vorurteile zu begegnen. Auf jeden Fall hätte ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich zum Beispiel einem Mann gegenüber stehe, der wegen einer oder vielleicht gleich mehrere Gewaltdelikte wie einer Körperverletzung vorbestraft ist. Ich hätte wohl immer Bedenken, dass ich sein nächstes Opfer sein könnte und er mir etwas antun würde.
Allerdings denke ich, dass nicht jeder Vorbestrafte auch automatisch gefährlich sein muss oder wieder rückfällig werden muss. Manchmal sind es ja auch ganz bestimmte Umstände, die einen Menschen zu einer Tat bewegen. Und wenn diese Umstände nicht mehr vorherrschen, dann gibt es vielleicht keine weiteren Aggressionen oder Motivationen mehr, die eine Tat auslösen würden. Deshalb glaube ich, dass ich einem vorbestraften Menschen vielleicht mit Vorurteilen begegnen würde, aber dass diese sich auch abbauen lassen.
Ich denke auch, dass ich da eher Unterschiede mache, die sich vor allem daran orientieren, wofür genau denn derjenige rechtskräftig verurteilt worden ist. Es mag sein, dass jemand seine Strafe abgesessen hat, aber rehabilitiert ist er für mich deshalb nicht wirklich, denn jedenfalls weiß ich doch, dass dieser Mensch gewisse Hemmschwellen nicht hat und zu bestimmten Handlungen fähig ist, vor denen ich einfach Angst habe. Durch meine Arbeit bei einem Rechtsanwalt, der auch Strafverteidiger ist, sind mir nun einige Vorbestrafte näher bekannt, von denen ich zwei auch schon vor meiner Arbeit in der Kanzlei kannte, allerdings eher flüchtig. Einer der beiden ist ein Nachbar von jemandem, den ich häufiger besuche, der andere ist der Bruder einer guten Bekannten von mir.
Der Bruder dieser Bekannten, mit dem ich mich ein paarmal unterhalten habe und der mir auch eigentlich recht friedliebend und nett erschien, aber durchaus auch ziemlich naiv, ist nun wegen einer Körperverletzung verurteilt worden. Ich habe in seiner Sache einiges geschrieben, und als ich einen Schriftsatz gefertigt habe, in dem es darum ging, wie die Verhandlung verlaufen ist, musste ich ein wenig schmunzeln, weil auch daraus wieder hervorging, dass er eigentlich ein ganz netter Mensch ist, der sich allerdings leider ziemlich leicht reizen lässt. Wenn er dann noch alkoholisiert ist, dann passieren bei ihm Dinge, die andere eben nicht tun würden. Es handelte sich aber immerhin nicht um eine gefährliche Körperverletzung und ich kann auch nicht sagen, dass ich vor diesem Menschen Angst hätte. Vorurteilsfrei bin ich ihm gegenüber nur insofern als ich ihn trotzdem mag und das auch nicht weniger als zuvor, aber ich hatte schon zu Beginn meines Kennenlernens mit ihm das Gefühl, dass er jemand ist, der bei Alkoholkonsum aggressiv wird – und damit lag ich scheinbar nicht so verkehrt.
Dieser oben kurz angesprochene Nachbar ist da schon ein ganz anderes Kaliber, denn er hat ein wirklich langes Vorstrafenregister mit sechzehn Einträgen. Einer davon lautet auf räuberische Erpressung mit Todesfolge zum Nachteil eines Lkw-Fahrers, und der Mandant war zum Tatzeitpunkt gerade mal fünfzehn. Einige seiner Straftaten, wegen derer er auch verurteilt wurde, hat er zwischen seinem vierzehnten und seinem einundzwanzigsten Lebensjahr verübt, und ich kann mich nicht davon abhalten, dass sich in mir der Eindruck breitmacht, dass es sich bei ihm um eine wirklich verkorkste Existenz handelt. Ich kenne außerdem seine Aussetzer im Alltag und weiß auch, dass er seine Nachbarschaft ganz schön tyrannisiert und teilweise auch bedroht. Gegen ihn laufen zur Zeit auch erneut zwei Ermittlungsverfahren. Übrigens ist dieser Mann mittlerweile knappe vierzig Jahre alt, also ist es wohl nicht verkehrt, zu sagen, dass er einen recht konsequenten Lebensweg beschritten hat, auch, wenn ich meine, dass er diesen nicht unbedingt gewählt haben muss.
Würde nun dieser Mandant eines Tages wirklich vor mir stehen – bisher hatte ich allerdings nur das Vergnügen mit seiner Ehefrau –, dann würde ich vermutlich nicht denken: „Du bist ein Totschläger“, sondern ich hätte eher so eine Art Grundangst vor ihm. Jedenfalls würde ich mir aber denken, dass es sich bei dem vor mir stehenden Mandanten um einen wirklich „armen“ Menschen handelt, der vermutlich wirklich nie gelernt hat, was ein soziales Verhalten ist und der vermutlich mehr oder weniger sich selbst überlassen wurde. Jedenfalls gingen einige Dinge, die wohl Bestandteil einer vernünftigen Erziehung sind, offenbar spurlos an ihm vorüber, denn ich denke, dass es anders kaum zu solchen Ausfällen kommen kann.
Wie ich diesen Vorbestraften jeweils begegne, ist übrigens etwas, das mich in seiner Folge belustigt, denn mir kam neulich der Gedanke, dass eine Gruppe unserer Mandantschaft wirklich ausgesprochen umgänglich ist, und das sind wiederum all diejenigen, die wegen einer Strafverteidigung bei uns sind. Ich erlebe es wirklich jedes Mal, dass sie sich sehr freundlich und zugänglich verhalten, beinahe schon höflich – ich werde schon im Treppenhaus sehr freundlich und mit Blick in die Augen gegrüßt, in der Kanzlei unterhält man sich noch etwas mit mir, gerne auch über private Belange. Immer wieder stelle ich fest, dass die Mandanten, die eine Strafverteidigung bei uns laufen haben, wirklich diejenigen sind, mit denen ich am meisten lache und mich unterhalte. Ich finde es auch nicht schwer, ihnen mit demselben Grundrespekt zu begegnen wie allen anderen Menschen auch, und ich fände es falsch, jemanden anders zu behandeln, weil oder obwohl er eine Straftat begangen hat.
Vermutlich merken diese Mandanten, dass ich ihnen gegenüber doch eher unvoreingenommen bin, oder vielleicht wäre es treffender zu sagen, dass mich ihre Straftaten nicht interessieren, weil sie mich nicht zu interessieren haben. Mein Job ist es, meinem Chef zuzuarbeiten und ich finde, dass es sich nicht gehört, irgendjemanden anders zu behandeln als einen anderen Menschen, nur, weil einer von beiden etwas getan hat, das der andere niemals tun würde, was ich im Endeffekt ja nicht einmal wirklich wissen kann. Es ist also, würde ich sagen, auf jeden Fall möglich, einen Menschen vernünftig zu behandeln, auch, wenn man das „Vorurteil“ hat, dass er möglicherweise wieder etwas tut, wozu er vielleicht neigt. Es handelt sich dabei nicht um ein Vorurteil, und ich denke, dass der Begriff „Vorurteil“ ohnehin nicht ganz zutreffen ist, wenn wir von einem rechtskräftig verurteilten Straftäter sprechen.
Sagen wir einmal so, ich hätte Bedenken. Vorurteile würde ich das nicht nennen. Der Mensch hat ja Verbrechen begangen und ich kann ihn danach durchaus ein bisschen beurteilen. Wenn jemand sehr gewalttätig war, wenig Frustrationstoleranz hatte und dauernd Leute verprügelt hat, würde ich ihm meine Wohnung nicht vermieten, wenn ich zur Auswahl auch noch eine Familie mit Kindern hätte. Wenn jemand alte Leute durch einen Enkeltrick hereingelegt hätte, fände ich ihn unsympathisch und wollte mit ihm nichts zu tun haben, da ich solche Verbrechen an alten Leuten als ziemlich verwerflich und auf der niedrigsten Stufe stehend empfinde.
Am besten ist es, wenn man von diesen Verbrechen nichts weiß. Einen wegen Pädophilie angeklagten würde ich nicht als Hausmeister in einem Haus einstellen, in dem Kinder wohnen oder oft zu Besuch sind. Jemandem der wegen Untreue bestraft würde, würde ich meine Finanzen nicht anvertrauen.
Dass entlassenen Straftätern ihr Delikt noch nachhängt, kann man aktuell in Sachsen verfolgen. Da ist ein ganzes Dorf im Ausnahmezustand und ich kann es auch verstehen. Denn wer will schon gerne zwei Menschen in seiner Nachbarschaft wohnen haben, welche wegen sexuellen Straftaten eingesessen haben.
Ich jedenfalls würde auch ein mulmiges Gefühl dabei haben, da ja nun hinreichend bekannt ist, dass diese Menschen nicht wirklich therapierbar sind. Ansonsten käme es doch eher auf das Delikt an, warum jemand verurteilt wurde. Ein Mensch welcher Steuern hinterzogen hat, stellt ja für die unmittelbare Umgebung eine geringere Gefahr dar, als jemand der wirklich anderen körperlichen und/oder seelischen Schaden zugefügt hat.
Ich bin kein Mensch, der anderen nicht zuhört. Also würde ich mir erklären lassen, was war und warum man so gehandelt hat. Manche Straftaten entstehen aus Situationen, die man nachvollziehen kann. Einem Mörder würde ich nicht vorurteilslos vertrauen schenken können, da ich die Rückfallquote kenne. Jeder hat aber eine zweite Chance verdient und das sollte man auch jedem zu gestehen. Manche konnten nichts für ihre Tat, weil sie in einer Notlage waren oder in die Enge getrieben wurden.
Sicher ist es im Dorf schwieriger wieder auf die Füße zu kommen, wenn man mal im Gefängnis gesessen hat, da dort alle wissen, was man getan hat. Aber warum sollte man nicht so einen Menschen in sein Leben lassen? Er hat doch die Tat verbüßt und im besten Fall etwas dazu gelernt. Man kann dann immer noch den Kontakt abbrechen, wenn man der Meinung ist, dass sich da im Knast nichts getan hat.
Bei mir käme es auf die Art der Vorstrafe an. Jemand, der zum Beispiel zu oft beim Schwarzfahren bestraft wurde, ist am Ende vorbestraft, aber ich hätte keine Probleme damit, Umgang mit so jemandem zu pflegen. Das ist Kleinkriminalität, und ich weiß, wie leicht Menschen in so etwas hineinrutschen können, gerade wenn sie kein Geld haben und ohnehin schon sozial benachteiligt sind.
Bei Mördern, Sexualverbrechern und sonstigen Gewalttätern hätte ich aber so meine Probleme, da hätte ich nämlich schlichtweg Angst. Und Delikte wie Diebstahl oder Einbruch sagen ja auch einiges über den Charakter eines Menschen aus. Also nein, ich denke, mit den betreffenden Personen würde ich nichts zu tun haben wollen. Selbst wenn die Strafe verbüßt wurde, bleibt ja die Tatsache, dass dieser Mensch offenbar einen Charakter hat, der ihn dazu erst befähigt, solche Straftaten zu begehen. So etwas macht ja nicht jeder.
Für ein "Vorurteil" halte ich das übrigens nicht. Es ist einfach ein Urteil. Ein Vorurteil wäre es, wenn ich einen unbescholtenen Menschen für einen Verbrecher halten würde, weil er die falsche Haarfarbe hat oder die falsche Kleidung trägt. Es geht hier ja ausschließlich um Personen, denen zweifelsfrei eine Straftat nachgewiesen wurde.
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