Feridun Zaimoglu - Kanak Sprak: Interviews echt?

vom 07.01.2012, 22:18 Uhr

Ich habe vor nicht allzu langer Zeit das Buch "Kanak Sprak" vom türkischstämmigen Autor Feridun Zaimoglu gelesen. Das Buch wurde 1995 veröffentlicht. Es enthält 24 Berichte von türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben. Diese Berichte sollen in authentischer Sprache wiedergegeben sein, haargenau so, wie sie von den Menschen ausländischer Abstammung geäußert wurden.

Angeblich hätten diese das Niedergeschriebene auch noch einmal vor der Veröffentlichung des Buches kontrolliert und erst freigegeben, wenn wirklich alles korrekt von ihren Tonbandaufzeichnungen, die durch den Autor hergestellt worden waren, transkribiert worden war. Thematisch sind die Aussagen alle sehr frei, es sind eben einfach spontane Berichte von Männern türkischer Abstammung, die in Deutschland leben.

In der Einleitung wird dann noch beschrieben, dass das alles ausgegrenzte Menschen seien, ghettoisierte, und dass es das Problem gäbe, dass diese Leute am Rande der Gesellschaft oft weder ihre Muttersprache noch die deutsche Sprache richtig sprechen oder schreiben könnten, und dass aus dieser Unfähigkeit in Gesprächen oft eine Frustration entstünde, die in Gewalt münden könne. Soweit empfinde ich das ja sogar schon als nachvollziehbar.

Es steht außerdem dort, was die interviewten 24 Personen so beruflich seien oder was ihr Lebensinhalt im Moment sei. Da sind mehrere Arbeitslose dabei, ein Zuhälter, ein Kfz-Schlosser, ein Schüler, ein Prostituierter, insgesamt also nicht unbedingt so gut gebildete Personen.

Und genau das irritiert mich jetzt enorm. Da heißt es, dass diese Leute Probleme mit der deutschen und der türkischen Sprache hätten, und ihr Bildungsstand wird als eher niedrig angegeben. Aber die Texte, die dort stehen, die ja angeblich authentisch von diesen Leuten stammen sollen, besitzen ein Vokabular, das so ein Mensch doch niemals hätte.

Es wirkt eher so, als hätte ein gebildeter Mensch, ich vermute einmal, der Autor Zaimoglu selbst, sich das alles einfach nur ausgedacht, und dann ab und zu ein paar vulgäre Wörter eingestreut, um seinem Geschreibsel einen Hauch "Ghetto" zu verpassen. Als wenn es über den höheren Stil hinwegtäuschen würde, wenn da ein paar Male eben "ficken", "fotze" oder "kack" steht. Nebenbei, abgesehen von den Satzanfängen ist in dem Buch alles klein geschrieben, also zitiere ich in diesem Fall mit der Kleinschreibung bloß auf korrekte Weise.

Oder meint ihr, dass ein arbeitsloser Hauptschüler von, ich zitiere, "güldenen trophäen ihres langen pirschens" sprechen würde? Würde ein ungebildeter Mensch tatsächlich formulieren, ebenfalls ein Zitat, dem Original gemäß in reiner Kleinschreibung: "wie nur könnt ich erlösung finden, wie könnt ich mich retten vor dem angriff des widersachers, der dich heimsucht in der nacht und an deinen scheiben kratzt?"

Also, entweder, die Leute waren damals noch weitaus versierter in ihrer Sprache als heute, denn heute kommen nur noch Sätze wie "Ey Alda, isch fick dein Mudda, man, du Schwuchtel!" heraus, oder aber, der Autor hat sich das alles nur zusammengesponnen und die Behauptung, dass das authentische, wörtlich wiedergegebene, Berichte seien, ist einfach nur eine Werbestrategie. Was meint ihr?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich kenne zwar das von dir zitierte Buch "Kanak Sprak" nicht, aber ich habe auch schon einige Dokumentationen zu diesem Thema gesehen. Es ist aber schwierig, etwas über den unverfälschten Wahrheitsgehalt auszusagen, denn es kann natürlich immer möglich sein, dass dieses vor dem Erscheinen, noch paar Mal redaktionell überarbeitet und einige Sprüche hineininterpretiert wurden. Aber ich muss mich deiner Meinung schon anschließen, so ein geschwollenes Deutsch, wird von deiner beschriebenen Klientel, wohl kaum gesprochen.

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» Pfennigfuchser » Beiträge: 3767 » Talkpoints: 34,25 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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