Unberechenbarkeit als Erziehungsmethode?

vom 03.01.2012, 15:02 Uhr

Hier Kindererziehung - eher locker oder doch etwas streng? ging es ja schon um die unterschiedlichsten Erziehungsmethoden unserer Kinder. In diesem Zusammenhang fiel mir ein dass mir ein Kollege der jetzt so 60 Jahre alt ist einmal erzählte dass er Unberechenbarkeit der Eltern als wichtigstes Erziehungsstilmittel betrachtete. Er meinte dass seine Kinder damals ziemlich viel Prügel von ihm bezogen haben und er versuchte dabei immer unberechenbar zu sein. Das äußerte sich darin dass er mal die Jungen durch das ganze Zimmer verfolgte um sie zu bestrafen, ein andermal aber laufen ließ um sie am Abend oder ein paar Tage später wenn sie gar nicht mehr damit rechneten zu züchtigen. Oder beim Einkaufen wurden die Wünsche nach Süßigkeiten rigoros abgelehnt, beim nächsten Einkauf dann wiederum wurde gefragt ob sie etwas Schokolade möchten.

Ehrlich gesagt, ich war da doch etwas sprachlos über diese Erziehungsmethode. Die Kinder müssen ja in ständiger Furcht und Unsicherheit gelebt haben, es war für sie ja nur gewiss dass sie eine Strafe erhalten, das Damoklesschwert schwebte ständig über sie. Der Kollege ist mir als liebenswerter und weltoffener Mensch bekannt so lange ich ihn schon kenne, er gab aber auch zu ebenso erzogen zu sein und dass er als junger Mensch im Schichtdienst doch arg überfordert mit zwei kleinen Kindern war.

Was haltet ihr von der Erziehungsmethode „Unberechenbarkeit“ ohne mal jetzt die Prügelorgien in den Vordergrund zu stellen? Ehrlich gesagt habe ich noch nie davon gehört dass man Kinder damit erziehen kann, aber vielleicht gibt es hier ja auch jemanden der so „erzogen“ wurde. Ein bisschen erinnert mich das an die Erziehungsmethoden in den damaligen Jugendwerkhöfen in der DDR. Aber hier sollten ja auch die Willen der Insassen eher gebrochen werden.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich bin kein Freund von Erziehungen, die von Beständigkeit und klaren Strukturen abweichen. Dafür ist es einfach zu wichtig, dass eben ein Kind Unsicherheit als einen normalen Zustand wahrnimmt und dennoch damit überfordert ist. Ich finde diese Erziehungsmethoden Deines Arbeitskollegen als wirklich unmenschlich und würde gern mal wissen, wie sich diese Erziehung auf seine Kinder, die nun inzwischen erwachsen sein dürften, ausgewirkt haben. Aber ich denke, dass zu dieser Zeit leider die Erziehungsmethoden eben nicht so waren, wie sie heute die Regel sind- denn Unbeständigkeit und Inkonsequenz habe ich selbst auch zu spüren bekommen, wenngleich nicht in dieser Form wie es nun bei Deinem Kollegen der Fall gewesen ist.

Ich denke mal, dass Dein Kollege nicht überfordert mit der Erziehung gewesen ist, sondern auch, dass er es selbst nicht anders kannte. Wie hat die Frau, also die Mutter der Kinder, denn auf so etwas reagiert? Hat sie anders reagiert als es der Vater tat oder hat sie ihn gewähren lassen?

Dieses Hin und Her kenne ich wie gesagt selbst von mir, mal durfte ich etwas, dann plötzlich nicht, klare Regeln gab es nicht und so weiter. Nie hat man etwas erklärt, sondern es war so anzunehmen und ich durfte dann zusehen, woher ich eine Erklärung kam. Das hat eben bei mir zu einer gewissen Unwissenheit und vor allem zu einer gewissen Unsicherheit geführt, die bis heute noch anhält und wo ich mich frage, warum man in gewissen Situationen, die sich wiederholten, unterschiedlich gehandelt hatte. Ich kann da meinen Eltern auch keinen großartigen Vorwurf machen und werde es auch nicht tun, aber als Kind ist es doch etwas anderes und auch deshalb bin ich immer für ein konsequentes Verhalten und nicht für ein unbeständiges und inkonsequentes Verhalten bei einer Erziehung.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Wie grauenvoll ist das denn? Dieser Kollege hat seine Kinder nicht erzogen, sondern seelisch misshandelt. Das wichtigste Rüstzeug für einen Menschen, um ein gutes Leben führen zu können ist ein gesundes Urvertrauen in sich selber und andere. Wie soll ein Kind dieses entwickeln können, wenn es in ständiger Angst und Ungewissheit aufwächst? Außerdem brauchen Kinder dringend feste Regeln, an denen sie sich orientieren können. Von festen Regeln kann aber kaum die Rede sein, wenn es heute Hüh und morgen Hott heißt. Wenn die Kinder dieses Kollegen es als Erwachsene nicht irgendwann geschafft haben, sich von ihrer Kindheit und der ihnen angetanen Grausamkeiten zu lösen, werden es heute wohl zutiefst unsichere und unglückliche Menschen sein, die mir furchtbar leid tun.

» kerry3 » Beiträge: 892 » Talkpoints: 18,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich halte weder von der Prügelstrafe etwas, noch von der Methode der Unberechenbarkeit. Wenn die Kinder ihre Eltern nicht richtig einschätzen können, weil diese eben dafür sorgen, dass sie möglichst unberechenbar sind und dies auch zu jeder Zeit bleiben, dann können die Kinder doch überhaupt nicht richtig feste Regeln und Grenzen kennenlernen. Wenn es nicht um menschliche Wesen ginge, sondern um Hunde, dann wären sich sicherlich die meisten darüber einig, dass Unberechenbarkeit der falsche Weg in der Erziehung ist. Warum soll das denn nun unbedingt anders sein, nur weil es sich um menschliche Kinder handelt?

Einem Kind sollten seine Grenzen meiner Ansicht nach in jeder Situation klar und deutlich vor Augen gehalten werden, was nützt es dabei, wenn man ein Kind für ein Vergehen erst einige Tage hinterher bestraft? Das sollte in einem vernünftigen Maße geschehen und möglichst zeitnah, sodass sich auch eine gute Verbindung zwischen der eigentlichen Handlung und der Bestrafung aufbauen kann. Alles andere bringt meiner Meinung nach nichts.

Ich könnte meinen Eltern auch gar nicht vertrauen, wenn sie einen auf Unberechenbar machen würden. Ich hätte ja in einer Tour Angst, dass ich aus Versehen und unbeabsichtigt irgendetwas falsch gemacht hätte und würde mich immer ein wenig fürchten, wenn die Tür zu meinem Zimmer sich öffnet. Und andersherum wäre mir vielleicht auch gar nicht immer ganz klar, warum ich ausgerechnet in diesem Moment bestraft werde. Das ist in meinen Augen einfach keine vernünftige Art der Kindererziehung.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Von den Schlägen jetzt mal abgesehen. Aber ein Kind weiß doch Tage später gar nicht mehr, warum es dann bestraft wird. Strafen sollten sofort verhängt werden und dann eben auch konsequent durchgesetzt werden. Wobei ich jetzt nicht zu Schlägen rate. Da gibt es genug andere Möglichkeiten, wie man Kinder maßvoll bestrafen kann. Aber eben so, das sie auch wissen, das sie eben gerade Mist gebaut haben.

Das wäre ja genauso, wenn meine Kinder früher am Anfang der Woche einen Blödsinn machen und ich nur drohe, wenn der Papa nach Hause kommt. Der kam Freitags und wusste dann auch schon was gewesen ist. Er hat vielleicht mit den Kindern noch mal darüber gesprochen, was ich auch heute nochmal mache, wenn bei Oma was schief gelaufen ist. Nur damit sie eben wissen, das Mama von Oma erfahren hat, das etwas vorgefallen ist.

Aber dann gibt es weder meckern, noch eine Strafe von meiner Seite aus. Denn das bringt keinen Lerneffekt bei den Kindern, aber zerstört das Vertrauen. Du kannst aber deinen Kollegen ja mal fragen, wie er es finden würde, wenn er wegen einem Fehler erst eine Woche später von seinem Chef den Rüffel bekommt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich persönlich kenne leider ein einziges Kind, welches auch heute noch so erzogen wurde und ich finde diese Methode einfach völlig daneben, da damit ja - wie schon geschrieben - eigentlich nur der Willen des eigenen Kindes gebrochen wird. So eine Methode hat in der Kindererziehung nun wirklich nichts zu suchen.

Sicherlich bin ich auch nicht immer absolut berechenbar, aber wer ist das schon. Allerdings gibt es bei uns klare Regeln, an die sich die Kinder halten müssen. Das gibt ihnen zum einen Sicherheit, zum anderen ist es aber auch so, dass es dann auch für mich eine Richtschnur gibt. Sollte ich dann einmal wieder selbst gegen Regeln verstoßen, dann machen mich die Kinder schon einmal darauf aufmerksam. Dass auch ich mich an Regeln halte gibt den Kindern zusätzlich Sicherheit.

Bei dem Kind, dass ich kenne ist es so, dass es zwischenzeitlich schon so schlimm war, dass es viele Dinge heimlich tat und viel log, weil es vorsichtshalber dann gleich die Schuld von sich wies. Um Umgang mit anderen Kindern war es sehr berechnend, und handelte so, dass es immer einen Vorteil aus dem Handeln zog. Man kann sich sicher vorstellen, dass das Kind dadurch auch immer mehr Freunde verlor und es auch sonst durch sein Verhalten nicht einfach hatte.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich finde diese Erziehungsmethode schon recht deftig und Erziehung dürfte man es eigentlich auch nicht nennen. Ich sehe es auch so dass Kinder klare Regeln benötigen an denen sie sich orientieren können, ständige Angst ist kein guter Begleiter.

So wie ich weiß sind seine Kinder die jetzt natürlich schon lange Erwachsene und gestandene Männer sind doch recht eigenbrötlerisch. Einer lebt alleine und der andere Sohn hat immer mal wechselnde Beziehungen. Enkelkinder gibt es auch nicht, möglich dass das alles irgendwie zusammenhängt.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich denke auch, selbst wenn man von der Prügel absieht, das Unberechenbarkeit ein sehr schlechtes Mittel zum erziehen ist. Man sollte wirklich klare Strukturen und Regeln haben und vor allen Dingen sollte man Kinder "bestrafen" unmittelbar nach dem Entdecken der Straftat, gerade jüngere Kinder haben sonst gar keinen Bezug mehr zu ihrer Strafe und eine spätere Bestrafung ist doch wie beschrieben nur ein Damoklesschwert, auch wenn nicht mehr geprügelt wird. In ständiger Angst zu leben, ist mit Sicherheit nicht förderlich für die Entwicklung des Kindes, dann lieber direkt bestrafen und klare Regeln aufstellen, damit das Kind weiß wo dran es ist.

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» aries24 » Beiträge: 1748 » Talkpoints: 9,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde es immer schwierig, wenn Eltern in ihrer Erziehung nicht konsequent sind. Kinder müssen wissen, was sie dürfen und was nicht und davon darf man auch nicht abweichen, denn so etwas verunsichert Kinder bzw. führt dazu, dass sie dies ausnutzen. Ich bin Vater von 3 Jungs. Der älteste wird dieser Tage 6 Jahre alt und kommt im Sommer zur Schule. Sein kleinerer Bruder wird im Sommer 4 Jahre alt und geht seit dem letzten Herbst in den Kindergarten. Unser jüngster Nachwuchs kam im Juli auf die Welt und ist unsere kleiner Sonnenschein.
Was jetzt kommt, trifft auf den kleinen noch nicht unbedingt zu aber auf jeden Fall auf die beiden großen. Wir haben eine feste Schlafenszeit, die wir auch wirklich konsequent einhalten. Um 18 Uhr wird bei uns zu Abend gegessen, danach gibt es 30 Minuten Fernsehen und um 19 Uhr geht es dann ins Bad. Nach dem Zähneputzen und Duschen geht es dann ins Kinderzimmer, wo jedes Kind noch mal jeweils 15 Minuten mit jedem Elternteil den Tag Revuepassieren lassen kann bzw. eine Geschichte vorgelesen bekommt je nachdem, was halt gerade anliegt. Unsere Jungs wissen genau, wie es abläuft und es gibt auch keinerlei Diskussionen darüber bzw. Betteleien nach 15 Minuten länger aufbleiben oder so. Fernsehen gibt es bei uns fast gar nicht für die Kinder außer am Wochenende mal 30 Minuten KIKA oder so. Auch hierüber gibt es keine Diskussionen.

Kinder brauchen feste Regeln und vor allem eine Struktur, die ihnen Sicherheit gibt. Ist man sich in der Erziehung uneinig oder erlaubt heute Sachen, die man am Tag darauf den Kindern wieder verbietet, so führt das nur zu einer Verunsicherung des Kindes bzw. dazu, dass versucht wird die Eltern gegeneinander auszuspielen. Meine Frau und ich besprechen alle anfallenden Dinge untereinander und entscheiden gemeinsam. Diskussionen führen wir prinzipiell nicht im Beisein der Jungs und vor allem würden wir uns auch niemals im Beisein der Jungs streiten.

» andysun78 » Beiträge: 743 » Talkpoints: 0,46 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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