Junge Leute haben mit der Kirche nichts mehr am Hut

vom 24.12.2011, 18:00 Uhr

Ich kann das nicht ganz bestätigen. In unserer Gemeinde ist die Jugend sehr aktiv, sowohl in den verschiedenen Jugendgruppen, die sich in verschiedenen Altergruppen einmal in der Woche treffen, wir haben auch einen Jugendkirchenchor, und sehr viele Messdiener, die sehr aktiv sind.

Mir ist zwar aufgefallen, dass das in anderen Gemeinden leider auch anders aussieht, nach der Erstkommunion fehlen dann auch wieder die Kinder und später auch die Jugendlichen die in die Kirche gehen oder aktiv am Gemeindeleben teilnehmen.

» HelloKitty34 » Beiträge: 1651 » Talkpoints: 53,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Meine Eltern sind katholisch, haben uns alle auch katholisch getauft und waren immer sehr darauf bedacht, dass wir jeden Sonntag in die Kirche gehen, was tatsächlich auch schon der Fall war, als ich noch ein sehr kleines Kind war. Dass ich mich von dieser Verpflichtung langsam verabschieden konnte, kam erst auf, als ich etwa fünfzehn war und einige teilweise erbitterte Diskussionen mit meinen Eltern darüber geführt habe, dass man mich zu bestimmten Dingen wohl kaum zwingen kann und niemandem damit gedient ist, wenn ich solche Dingen wie der – ich nenne das mal absichtlich so – Glaubenspflege nur nachgehe, weil das jemand so von mir verlangt. Glauben sollte doch etwas sein, das man aus Überzeugung tut, wobei ich beinahe finde, dass „Glauben“ und „Überzeugung“ sich gegenseitig ausschließen, weil ich einer Überzeugung auch immer ein gewisses Wissen zuschreibe. Dennoch weiß sicherlich jeder, der ähnliche Erfahrungen gerade im Hinblick auf die Religion gemacht hat, was ich damit meine.

Von meinen Eltern kam damals allerdings aber kein solcher Spruch, dass wir jungen Leute nichts mit der Kirche am Hut hätten, sondern sie waren wohl vor allem enttäuscht davon, dass ich, denn so haben sie das damals verstanden, meinem Glauben und dieser Religion den Rücken kehre, nur, weil ich nicht mehr andauernd in die Kirche gehen wollte. Für mich sind der katholische Glauben und die Kirche allerdings doch zwei verschiedene Paar Stiefel und ich habe tatsächlich auch nicht das Bedürfnis, ständig in den Gottesdienst gehen zu müssen – schon gleich gar nicht in wöchentlicher Regelmäßigkeit. Das bedeutet aber wiederum nicht gleichzeitig, dass ich nicht gerne in die Kirche gehe, denn das tue ich tatsächlich gerne, wenn auch wirklich nicht oft und eben vor allem nicht in Verbindung mit einem Gottesdienst.

In die Kirche zu gehen, bedeutet für mich eher, an einen Ort zu kommen, der wirklich voller Ruhe, aber gleichzeitig nicht langweilig oder ermüdend ist. In einer Kirche fühle ich mich erstaunlich wohl, vor allem eben, wenn ich dort alleine bin und mich einfach nur dort aufhalten kann, ohne irgendetwas Bestimmtes tun zu müssen, weil das gerade Bestandteil eines Gottesdienstes ist und ich eben im Sinne der Gemeinschaft mitziehen muss. An einem Gottesdienst habe ich die letzte Zeit über tatsächlich auch nicht mehr teilgenommen. Gebete habe ich nicht laut gesprochen, Lieder habe ich nicht mitgesungen. Ich habe dem Pfarrer zugehört, ja. Aber mehr eben auch nicht. Was ich an einer Kirche deutlich mehr schätze als diese Gemeinschaft an mehr oder weniger Gläubigen, die das tun, was ihnen gerade gesagt wird, ist eben diese Ruhe und die Besinnlichkeit, ich kann mich dort hervorragend auf ein ganz bestimmtes Nichts konzentrieren, ohne wirklich innerlich leer zu sein. Wenn ich in einer leeren Kirche sitze, kann ich tatsächlich einfach mal ruhig sitzen, ohne nachzudenken. Das gelingt mir sonst fast nie.

Insofern kann ich wohl auch die Aussage widerlegen, dass die jungen Leute mit der Kirche nichts mehr am Hut haben, denn diese Aussage mag zwar vielleicht zutreffend sein, aber sie bezieht sich eben nur auf einen Teil der Kirche und meint vor allem den Gottesdienst, also diese teilweise wirklich ermüdenden Predigten. Dass die jungen Menschen sich dabei eher langweilen, kann ich allerdings bestens nachvollziehen, denn sonderlich unterhaltsam sind diese Predigten ja nun mal leider wirklich in den seltensten Fällen. Ich kann mich jedenfalls gut daran erinnern, dass ich bestimmte Bibelstellen wirklich zigfach im Laufe der Jahre gehört habe – und was ist daran in irgendeiner Weise besonders gut oder aufschlussreich für mich? Eben.

Die Kirche hat aber bedeutend mehr zu bieten als nur den Gottesdienst, und allein das ehrenamtliche Engagement in irgendwelchen kirchlichen Einrichtungen würde ich ebenfalls unter das Dach des Begriffes „Kirche“ packen. Einem solchen ehrenamtlichen Engagement gehen wiederum einige junge Menschen nach, also kann man diese Aussage Deiner Eltern direkt damit abschmettern, oder nicht? Nur nicht in einen langweiligen Gottesdienst gehen zu wollen bedeutet jedenfalls nicht gleichzeitig, mit der Kirche nichts am Hut zu haben. Diese Aussage ist schlichtweg falsch, wenn auch vor allem aufgrund der Unvollständigkeit in ihrer Formulierung.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich denke auch, dass die jüngere Generation seltener in die Kirche geht. Zu sagen "Die Jugendlichen haben mit der Kirche nichts mehr am Hut" ist allerdings sehr pauschal und voreingenommen. Ich kenne durchaus Jugendliche, die noch an Gott glauben und auch freiwillig in die Kirche gehen. Trotzdem denke ich, dass die jüngere Generation einfach nicht mehr in so konservativen Elternhäusern aufwuchs, weswegen auch Religion nicht mehr ein so wichtiger Bestandteil war.

Auch meine Eltern wollten, dass ich zu Weihnachten mit in die Kirche gehe. Ich sagte dann, dass ich nicht will, weil ich nicht an Gott glaube und die Kirche verabscheue. Dann gab es natürliche eine Diskussion von wegen das gehöre zur weihnachtlichen Besinnung dazu, irgendwann schienen sie es allerdings zu akzeptieren, waren gleichzeitig aber traurig, nicht weil ich das Christentum nicht mag, sondern weil sie gerne mit der ganzen Familie gemeinsam zur Kirche gegangen wären. Deswegen ging ich dann doch mit und vertrieb mir die Zeit, indem ich von den Zahlen in den Liederbüchern die kleinsten gemeinsamen Vielfache und Primfaktoren berechnete. Irgendwien schien die Zeit dabei schneller zu vergehen.

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» mendacium. » Beiträge: 750 » Talkpoints: 17,61 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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