Dürfen sich Intellektuelle solche Lästereien erlauben?

Gestern erlebte ich etwas, was mich ein wenig stutzig und vor allem wütend machte. Vorneweg muss ich sagen, dass das alles, was ihr gleich lesen werdet, wirklich passiert ist. Ich stand am Bahnsteig, wartete auf die S-Bahn und hinter mir standen drei Leute, zwei Frauen und ein Mann, die alle etwa Ende Fünfzig gewesen sind. Die Gruppe machte auf mich einen eher intellektuellen Eindruck. Ich selbst zähle mich eher zur Punkszene, habe einen buntgefärbten Iro und rasierte Seiten. Dass ich mit meinem Aussehen anecke, weiß ich, aber darum geht es mir hier nicht.

Die Gruppe machte sich über alles lustig, was auf dem Bahnsteig präsent war, also auch über mich. Was sie sagten, möchte ich hier nicht wiedergeben, es hatte auf jeden Fall viel mit den üblichen Klischees zu tun. Ich machte mir nichts daraus, weil ich das schon gewohnt bin.

Schließlich fuhr die Bahn an, wir stiegen ein und standen gemeinsam im Stehbereich. In der Nähe des Bereiches saß auch eine Gruppe Jugendlicher, die sich über ihre Bildung unterhielten. Einer der Jugendlichen meinte, dass er auch theoretisch ein Gymnasium besuchen könnte, wenn er es wollte. Das haben wiederum die drei Leute zum Anlass genommen, um über die Aussage des Jungen und generell über die Jugendlichen Witze zu reißen. Das betraf das Aussehen, das Verhalten und ihre Art zu sprechen. Sie meinten, dass die meisten Jugendlichen aus der Unterschicht ja nur faul und kriminell wären und dass ja gerade die Jugendlichen aus den Migrantenfamilien sowieso nie arbeiten würden, um gleich nach dem Hauptschulabschluss ALG II zu beziehen. Anschließend sprachen sie über "Schulen für Gewöhnliche" und dass irgendeine wohlhabende Bekannte ihre Tochter auf so eine Schule geschickt hätte und da fast nur Kinder von asozialem Abschaum aus der Unterschicht waren, so dass die Tochter schnell auf eine Privatschule geschickt wurde.

Mir ist wirklich fast der Kragen geplatzt, vor allem, weil sie sich dann nochmal über die Jugendlichen ausgelassen haben, als diese am Hauptbahnhof ausgestiegen sind. Ich musste mich, als ich ausstieg, wirklich zusammenreißen, um die Gruppe nicht auf ihr (für mich) widerliches Verhalten anzusprechen. Wären die beiden Frauen und der Mann weiter weg gewesen, hätte mich das Gespräch auch nicht sonderlich interessiert. Doch leider standen sie derart dicht neben mir, dass ich sie mit meinem Arm hätte berühren können und darüber hinaus waren (natürlich seid ihr nicht dabei gewesen) die Lästereien nicht gerade leise.

Hättet ihr etwas gesagt? Habt ihr schon einmal ähnliches erlebt? Und was habt ihr gemacht?

Ich habe zum Glück noch keine solch arroganten Personen getroffen. Ob ich auf die reagiert hätte, kann ich daher auch nicht mit Sicherheit sagen. Manchmal ist es ja einfach besser, wenn man solche Personen einfach ignoriert. Denn wie heißt es so schön: Don´t feed the Troll.

Wenn ich reagiert hätte, dann mit nüchternen Argumenten und vor allem ruhig und freundlich. Am besten kann man solche Personen ja mit deren eigenen Waffen schlagen.

Ich habe solche Situationen leider schon mehrfach erlebt. Es gibt, auch, wenn das klischeehaft klingt, hier in der Stadt Gegenden, in denen sich viele reiche Menschen aufhalten, genau genommen reiche Menschen aus der "Oberschicht". Leider glauben viele, so habe ich es dort jedenfalls erlebt, sich über die ärmeren Menschen, die sie für weniger wert halten, lustig machen zu müssen.

Reichtum oder "Bildung" (oder was dafür gehalten wird), hat leider nicht zwangsläufig etwas mit Niveau oder der Fähigkeit zu einem sozialen Verhalten allen anderen Menschen gegenüber, unabhängig ihrer Herkunft, finanziellen Situation oder Kultur, zutun. Genau genommen habe ich sogar das Gefühl, dass sehr viele Leute, die immer damit prahlen, wie gebildet und hochkulturell sie eigentlich seien, ziemlich hohle Nüsse sind, wenn ich das mal so salopp ausdrücken darf. Denn kann ein Mensch wirklich intelligent sein, wenn er andauernd auf anderen Personen herumhackt? Dient dieses Verhalten nicht eher der Kompensation eigener Makel? Ich habe oft dieses Gefühl, also, dass die, die am lautesten schreien, wie gebildet sie seien, eigentlich nur gerne gebildet wären. Sie versuchen, sich bloß aufzuwerten, indem sie alle anderen schlechter reden.

Wie man in so einer Situation reagieren sollte, ist wohl jedem selbst überlassen. Ich persönlich mische mich jedenfalls manchmal ein. Wie schon geschrieben wurde, sollte man das freundlich, ruhig und nüchtern argumentativ tun. Auch, wenn es in der Wut vielleicht schwer fällt. Aber das wäre wohl die beste Möglichkeit, diesen Menschen vielleicht ihr vorurteilhaftes Denken bewusst zu machen. Auch, wenn ich leider denke, bei vielen Menschen mit argen Vorurteilen ist gar kein Wille vorhanden, davon abzukommen. Und wenn da kein Wille ist, helfen auch die allerbesten Argumentationen leider nur sehr wenig.

Ich schätze es hätte nichts gebracht da etwas zu sagen, sie wären ja doch von der Richtigkeit ihrer eigenen Meinung überzeugt und würde sich in deiner scheinbaren Aufmümpfigkeit darin nur bestätigt fühlen. Es hätte dich vielleicht etwas erleichtert, aber seinen Zweck nicht erfüllt, daher hätte ich es bleiben lassen und wäre einfach weiter gegangen. Sollen diese Menschen nur an ihren verkorksten Meinungen festhalten und sich dran klammern, zu glauben man wäre jemand besseres, nur weil man vielleicht eine Privatschule besucht hat oder so, ist nicht nur arrogant, sondern ziemlich auch ein Beweis geben die scheinbare Intellektualität dieser Personen. Überhaupt weiß ich gerade nicht, woran du festmachst, dass es sich bei diesen Personen um Intellektuelle handelt. Ich kann sowas in der Regel nur dann feststellen, wenn ich mich eine Weile mit jemandem unterhalten habe, vorher könnte es auch einfach nur jemand arrogantes mit ein bisschen Bildung sein und noch mehr Geld, wie vermutlich auch in diesem Fall. Die Anspielung auf die Privatschule könnte durchaus bedeuten, dass sie alle auf einer solchen waren und dies lässt nicht auf Intelligenz schließen, sondern vielmehr einfach nur auf Reichtum der Eltern, eine Oberschicht die sich selbst als solche erwählt hat, ohne geistig wirklich über den anderen zu stehen.

Trotzdem finde ich eigentlich nicht alle der angebrachten Punkte abwegig. Schon am Bahnsteig über andere Menschen und das ''normale'' Volk herzuziehen ist schon etwas armselig und zeigt eigentlich nur, dass man sich aufgrund von Wohlhaben abgehoben und besser fühlt. Selbst wenn sie eine bessere Bildung genossen haben, heißt das hier leider nicht, dass sie auch mehr im Köpfchen haben, mir sieht das eher nach dem Gegenteil aus. Was aber den schlechten Hauptschulabschluss und die mangelnden Zukunftschancen angeht, so stehe ich dem durchaus kritisch gegenüber, würde es aber dennoch als richtig bezeichnen. Man kann dies auf gar keinen Fall verallgemeinern, aber es ist offensichtlich, dass der Hauptschulabschluss extrem an Wert verloren hat und es Problemschulen gibt, in denen die Gewalt dominiert, Verhaltensgestörte in der Überzahl sind und das Hauptschulen generell einen sehr hohen Anteil an Ausländern haben, von denen viele auch kein gutes Deutsch können und ein gewisser Teil tatsächlich anschließend arbeitslos ist, ist auch kein Geheimnis.

Trotzdem ist das nichts, was man aufführen könnte, um sich von der Gesellschaft abzuheben, denn ist es nicht gerade an dieser speziellen selbsternannten Oberschicht, dies zu ändern? Sollten nicht gerade diese Personen sich auch politisch engagieren um Lösungsvorschläge für dieses Problem vorzustellen und eine alternative Schulform anzusterben, die es ermöglicht die wirklich verhaltensgestörten und faulen Hauptschülern von denen zu trennen, die lediglich eine Lernschwäche haben und daher auf dieser Schule gelandet sind? Da lediglich neben zu stehen und es zu belästern bringt rein gar nichts und zeigt eigentlich nur, dass diese Personen allgemeine Klischees und Meinungen übernommen haben und diese wie Stammtischparolen aus der Bildzeitung um sich werfen, um sich wichtig und abgehoben zu fühlen. Das zeigt nicht nur, dass diese Menschen scheinbar etwas brauchen, womit sie ihr Ego aufpuschen können, sondern durch die unverschämte und auffällige Art wie sie es tun auch, dass sie letztendlich überhaupt nicht verstanden haben, worum es geht.

Ich erinnere mich dabei an eine Sache in Spanien, wo ich draußen saß in einem Hotel mit mehreren Katzen. Da diese sowieso an den Tischen herum schlichen und auf die Stühle drauf sprangen, gab ich ihnen etwas unter dem Tisch, denn auf dem Tisch muss ich auch als tierlieber Mensch keine Katzen sitzen haben. Soweit so gut. Die Tische standen natürlich alle recht nahe beieinander und so vernahm ich nach kurzer Zeit vom Nachbartisch die ersten Kommentare über Leute, die irgendwelche Viechern füttern, während anderswo Menschen verhungern und überhaupt müsste das verboten werden. Man selbst als Hoteldirektor würde manchen Personen ganz schön die Meinung geigen. Wenn man so auf Katzen stehe, dass man mit ihnen von einem Teller essen müsse, dann sollte man sich doch Katzen anschaffen, dann könnte man anderen immerhin nicht den Urlaub versauen. Es ging so weiter und ich sagte nichts dazu. Warum auch? Egal was ich gesagt und argumentiert hätte, darum ging es diesen Leuten doch gar nicht.

Mit Intellekt hat das für mich wenig zu tun. Und es herrscht Meinungsfreiheit in Deutschland! Und da muss ich sagen, dass ich durchaus auch der Meinung bin, dass man manche Schulen meiden sollte. Wobei es durchaus auch ziemlich krasse Gymnasien gibt. Ich hatte mal mit vielen Schülergruppen zu tun und auch wenn man oft "erraten" konnte, von welcher Schulform die Klassen kamen, so gab es dennoch auch immer wieder Überraschungen, positiv wie negativ. Persönlich würde ich auch genau darauf achten, wie meine Kinder aufwachsen und dabei spielt die Schule nun mal eine große Rolle.

Wenn mich Lästereien stören würde ich vielleicht je nach Stimmung, Situation und den Personen etwas sagen. Vielleicht hätte ich gefragt, ob sie nicht etwas leiser lästern können. Oder ich hätte mich über Privatschulen informiert, ob man eine gewisse Arroganz benötigt, um dort aufgenommen zu werden.

Ich gebe zu, das es bei mir auf meine Tagesform ankommt. Aber ich kann da auch einen sehr bissigen Spruch ablassen, welcher dann noch die Aufmerksamkeit von anderen Fahrgästen erregt hätte. So das die Lästerer am Ende die Leute gewesen wären, über die man lästert. Aber so was kann ich nicht immer bringen, da es mich auch solche Dinge meist nicht interessieren.

Ich kenne auch einen Menschen, der sich für das Maß aller Dinge zu halten scheint. Er ist um die 50 Jahre alt und hat einen Professortitel. Ich muss zugeben, er ist wirklich ein sehr schlauer und gebildeter Mensch, aber was er so manchmal erzählt, entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber da könnte ich kotzen.

Ein schönes Beispiel über das er manchmal stundenlang philosophiert, ist das Thema Unterschicht und Hartz 4. Er nennt diese armen hilfsbedürftigen Menschen immer Transfermittelempfänger. Da wir in der Immobilienbranche tätig sind, kommen andauernd solche Sprüche wie: man sollte alle Transfermittelempfänger in eine Wohnsiedlung irgendwo im Gewerbegebiet der Städte einquartieren. Dort stören sie die normalen Menschen nicht.

In solchen Momenten denke ich mir dann nur meinen Teil. Also wie du siehst, solche eingebildeten, überhebliche Menschen gibt es leider überall.

Solche Lästereien kenne ich nur zu gut! Ich sehe selber eher punkig aus (rotgefärbte Haare, Lederjacke mit mehreren Ansteckern etc.) und habe auch noch längere Zeit auf der Straße gelebt, Beim Betteln kam dann auch mal eine recht gut gekleidete Dame auf mich zu und hat mich angesprochen. Nach einigen Minuten Gespräch war sie ganz erstaunt, dass ich mich doch recht gut ausdrücken kann und zudem auch scheinbar noch Erziehung genossen habe. Genauso drückte sie es aus. Meine Antwort war ein noch recht freundliches "Natürlich, schließlich bin ich nicht in einer Höhle groß geworden".

Daran sieht man, dass man vom Aussehen nicht auf Bildungsstand und von Wohlstand nicht auf vernünftiges Benehmen schließen kann.

Nein ich hätte nichts gesagt, solche Leute machen nur Ärger. Intellekt kann man eben erst dann sehen wenn jemand den Mund öffnet, und ein Anzug macht eben noch keinen Kopf zum Denken zwischen den Ohren. Mehr lässt sich zu solch einem kindischen Verhalten nicht sagen, da muss man in der Situation drüberstehen, denn die bringens fertig sich über "diese Punks" zu mokieren falls du doch was sagst, um dann eine weitere Stunde Gesprächsstoff auf Stammtischniveau zu haben...

Das war dann wohl eine Gruppe von 50-Jährigen, die sich wohl sonst nichts mehr zu sagen hat, als sich in ihrer anscheinenden besseren Position innerhalb der Gesellschaft zu suhlen. Wahrscheinlich haben sie wenig Freude in ihrem Leben und denken sich, warum sie so traurig sind. Sie haben doch gute Bildung, guten Job, ein großes Gehalt, können sich auf abstrakterer Ebene unterhalten. Sie denken sich, sie müssten doch glücklich sein, über das, was sie erreicht haben.

Was bleibt dann also übrig? Man muss dieses innerliche und unbehagene Gefühl irgendwie loswerden. Das geht in diesem Fall nur, wenn man versucht sich gegenseitig klar zu machen, dass man es doch gut hat, aber tief im Inneren weiß man, es ist nicht so. Arroganz ist meist eine überspielte Unsicherheit bzw. gewisse Art von Traurigkeit, wie in diesem Fall.