Würdet ihr mehr über eure tote Schwester wissen wollen?

vom 29.11.2011, 18:08 Uhr

Gestern kamen ich, mein Banknachbar und noch ein paar aus der Klasse zufällig ins Gespräch. Mein Banknachbar berichtete von Call of Duty Modern Warfare 3, das er sich vor kurzem gekauft hat. Als dann der andere fragte, wie viel es denn gekostet hätte, sagte er, es wäre für ihn nicht zu teuer gewesen, da er sich den Preis mit seinem kleinen Bruder geteilt hat. Auf die Frage, wie alt der Bruder denn sei, folgte dann noch die Frage, ob er noch weitere Geschwister habe. Ihr müsst wissen, dass wir uns erst seit September kennen und auch nur alle zwei Wochen wegen den Praktikumsphasen zusammen sind, da wir alle von unterschiedlichen Schulen kommen. Er meinte dann, er hätte auch eine Schwester, aber die wäre bereits verstorben.

Wir waren dann erst einmal ein bisschen geschockt, worauf einer fragte, wie alt sie denn gewesen wäre und ob er sie denn gekannt hätte. Er meinte dann, sie wäre bereits früh gestorben, war wohl erst ein paar Monate alt und es wäre ein plötzlicher Kindstot gewesen. Erinnern kann er sich an sie kaum, meinte er, er wäre selbst erst so ungefähr drei Jahre alt gewesen. Seine Eltern haben das Thema jedoch mehr oder weniger verdrängt. Und er hat auch nie so richtig nachgefragt, was denn damals passierte, jedenfalls wusste er kaum etwas über seine Schwester.

Ich konnte das nicht so recht nachvollziehen. Hätte ich erfahren, dass ich eine Schwester gehabt hätte, die als Baby gestorben ist als ich so ungefähr drei Jahre alt war, dann würde ich alles mögliche über sie wissen wollen. Nun kann man ja über einen Säugling noch nicht allzu viel sagen, aber ich hätte beispielsweise gerne gewusst, welchen Namen sie hatte, woran sie eigentlich gestorben ist und allgemein wie es für die Eltern war. Man muss das Thema doch mal aussprechen, sonst heilen die alten Wunden doch nie, wenn man es mehr oder weniger nur verdrängt.

Wie wäre das bei euch? Würdet ihr mit euren Eltern darüber reden? Würdet ihr sie bitten, euch etwas über eure tote Schwester zu erzählen? Oder würdet ihr es einfach genauso verdrängen, weil es eure eigenen Eltern auch tun und weil ihr sie ja sowieso kaum gekannt habt? Würdet ihr so einfach damit fertig werden, dass ihr eure eigene Schwester nie kennengelernt habt und dass ihr heute noch jemanden in eurer Familie hättet oder würde es euch nichts ausmachen, weil ihr es ja nicht anders gewohnt seit.

» iCandy » Beiträge: 1584 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich würde es vermutlich wissen wollen und mit meinen Eltern darüber reden. Aber es ist nicht so leicht so ein Thema anzusprechen. Meine Mutter hatte nach mir eine Fehlgeburt und es war für mich auch schwierig sie zu fragen, wie das damals für sie war und ob Mädchen oder Junge und so.

Aber vor allem für die Eltern ist es schwer über so etwas zu sprechen und ich kann mir vorstellen, dass sie ihre Trauer umgehen zu versuchen, in dem sie die Situation verdrängen und dieses Thema meiden. Ich kann verstehen, dass er seine Eltern nicht traurig stimmen und darüber reden wollte, aber bei mir hätte wohl in dieser Situation die Neugierde gesiegt.

» enteenteente2 » Beiträge: 2 » Talkpoints: 0,97 »


Meine beste Freundin hat einen ähnlichen Fall in ihrer Familie: Sie hat eine ältere Schwester und eigentlich auch eine noch ältere - diese ist jedoch wenige Wochen nach der Geburt bereits an plötzlichem Kindestod gestorben. Ihre Eltern sprechen nicht so gerne darüber, was man sicherlich auch irgendwie nachvollziehen kann. Sie und ihre lebende ältere Schwester wissen darüber wohl Bescheid und kennen auch den Namen und das Geburtsdatum der verstorbenen Schwester, aber insgesamt wird in der Familie nicht gerade oft darüber gesprochen. Warum auch? Offensichtlich haben ihre Eltern das überstanden und danach noch zwei weitere Kinder in die Welt gesetzt, denen es glücklicherweise ja auch gut geht. Verarbeiten muss man so etwas aber doch nicht mit den Kindern gemeinsam, sondern in erster Linie als Eltern selber und das auch nicht zehn, zwanzig Jahre später sondern möglichst bald wenn es passiert ist. Von der Kleinen gibt es noch nicht mal so viele Fotos, das man ein eigenes Album für sie anlegen könnte, denn sie war ja nur so kurz auf der Welt.

Über sowas denkt man auch als beteiligtes Geschwister wohl erstmal nur dann nach, wenn man davon erfährt und malt sich vielleicht auch aus, was für ein Leben das hätte sein können wenn das Kind nicht gestorben wäre. Andererseits kann man genauso gut darüber nachdenken wie es wäre Einzelkind zu sein (oder keines zu sein), oder was wäre wenn man ein Junge/Mädchen wäre und sonst ganz viel - aber solche Themen kann man wohl ziemlich schnell vergessen und gedanklich abhaken. Menschen an die man sich nicht oder nur kaum erinnern kann vergisst man auch ganz schnell wieder, man vermisst sie nicht so wie Personen die man längere Zeit gekannt hat. Als Eltern mag das sicherlich schon anders aussehen, ganz besonders wohl als Mutter, die das Kind geboren hat, aber auch als solche hat man kaum eine andere Wahl als das Leben weiter zu leben, wie eigentlich bei jeder Art von Todesfall der einen betrifft.

Wenn ich einen solchen Fall in meiner Familie hätte, wäre das letzte was mich interessieren würde, wie das mir unbekannte Kind war - mir wäre viel wichtiger, wie es meinen Eltern damit ginge, denn das sind Menschen, mit denen ich eine sehr tiefe Verbindung habe, und mit dem verstorbenen Kind dagegen gar keine. Ich würde meine Eltern auch nicht damit quälen wollen, mir jedes winzige Detail zu erzählen, wie sie ihre kleinen Fäustchen geballt hat und was für niedliche Zehen sie hatte. Wem nützt das etwas? Damit würde ich doch nur alte Wunden wieder aufreißen. Und entgegen deiner Ansicht finde ich, dass meine Eltern in so einem Fall nach zehn Jahren auch damit abgeschlossen hätten und es verdient hätten, in Ruhe gelassen zu werden. Nur weil sie jetzt nicht mehr darüber sprechen mögen heißt das ja noch lange nicht, dass sie damals alles nur verdrängt hätten. Bis man sowas überhaupt erfährt vergeht in der Regel so viel Zeit in der die Eltern bereits ganz andere Sachen im Kopf haben - zum Beispiel das Leben der Kinder, die sie außerdem noch haben - und das ist in meinen Augen so viel wichtiger als über die Vergangenheit nachzudenken oder irgendwelche was-wäre-wenn-Szenarien, die sowieso völlig irrelevant sind, durchzuspielen.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Natürlich möchte man über seine Familie so viel wie möglich wissen. Ich finde es aber auch schwer, über ein Baby zu reden, das erst ein paar Monate alt war. Was gibt es da schon viel zu erzählen.

Ich denke, dass sich Dein Bekannter sich das denken könnte und für ihn die Sache erledigt ist, da er ja eigentlich nie eine Beziehung zu dem Baby hatte, da er ja damals selbst noch so klein war. Was der Grund des Ablebens des Babys war, ist ihm ja auch schon bekannt.

Ich denke bei Jungen ist der Drang vielleicht nicht so groß, manche Dinge groß zu thematisieren. Vielleicht sollte er aber doch einmal seine Eltern ansprechen. Vielleicht können sie ihm ja doch so manche Sachen über seine Schwester erzählen. Eltern wissen da ja wirklich mehr. Vielleicht hatte sie gewisse Eigenheiten, die sich schon in dem jungen Alter bemerkbar machten.

» lisa1902 » Beiträge: 249 » Talkpoints: 0,08 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke nicht, dass man ein solches Ereignis unbedingt verdrängt nur weil man nicht darüber redet; und grade wenn ein Baby mit wenigen Monaten am plötzlichen Kindstod stirbt, gibt es doch gar nicht soviel darüber zu sprechen. Ja gut, nach dem Namen könnte man fragen, aber sonst? Sonst gibt es wohl nicht arg viel zu erzählen und von daher macht es für mich auch wenig Sinn, die Eltern da auszuquetschen.

Würden mir meine Eltern nun erzählen, dass ich noch ein Geschwisterchen hatte, welches sehr früh gestorben ist, würde ich natürlich fragen was passiert ist, wie das Kleine hieß und vielleicht eben noch, wie die damals damit klargekommen sind. Wobei letzteres ja wohl klar ist; wenn das eigene Baby plötzlich stirbt geht es einem sicher scheiße. Man lernt damit fertig zu werden und schaut in die Zukunft; das Baby bekommt man so oder so nicht zurück.

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» Nana_2011 » Beiträge: 2250 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Wenn dein Banknachbar drei Jahre alt war, als seine kleine Schwester verstarb, hat er gewusst, wie sie hieß. Warum sollte er seinen Eltern das Leben mit Fragen schwer machen, wenn das Baby den plötzlichen Kindstod gestorben ist, haben sich die Eltern schon genug Vorwürfe gemacht, dass sie das nicht verhindern konnten. Wenn sie darüber sprechen wollten, hätten sie es getan. Ich glaube nicht, dass ein Außenstehender beurteilen kann, ob die Eltern diesen Verlust verdrängt haben oder bereits früher verarbeitet. Aber wie auch immer finde ich es nicht gut, wenn man einen Klassenkameraden mit solchen privaten Fragen löchert. Es müsste eigentlich reichen, wenn er schon sagt, das er eine Schwester hatte, die am Kindstod verstarb.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Meine Schwester ist tatsächlich gestorben, wobei ich sie nie getroffen, mit ihr gesprochen oder kennen gelernt habe, da ich erst zwei Jahre später auf die Welt kam. Sie starb an einem bösartigen Hirntumor, der auftrat als sie sieben Jahre alt war. Natürlich habe ich ab und zu mir mein eigenes Bild von meiner Schwester, die ich nie kennen gelernt habe, gemacht. Ich habe dann meine Eltern gefragt wie sie denn hieß, was sie gerne macht, also Hobbymäßig oder was sie überhaupt nicht mochte. Sonst habe ich nicht so viel darüber erfragt.

In erster Linie liegt das an daran, dass es nicht nur selbst einen belastet, wenn dieses Thema angesprochen wird, sondern werden auch die Eltern ein wenig belastet. Es herrschen bei solchen Fragen eine gewissen Länge an Stille, dann wird alles ernst und angespannt. Meine Mutter wurde immer, wenn ich sie etwas fragte, immer ein wenig weinerlich und traurig, da sie dann anfing, immer etwas mehr zu erzählen und darüber nachdenkt, was wäre, wenn sie noch am leben wäre. Es ist für mich selber dann auch unangenehm zu fragen, aber vor allem ist man selber ebenfalls traurig, dass die eigene Schwester tot ist und ich sie nicht einmal kennen gelernt habe. Ich denke, solche Gefühle kann man als "Außenstehender" nicht begreifen.

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» TonyMontana » Beiträge: 259 » Talkpoints: -0,54 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke, es kommt auch auf das Alter an, in welchem Alter das Geschwisterkind verstorben ist und wie alt man selbst gewesen ist. Als dreijähriger Knirps versteht man nicht unbedingt, dass und wie so etwas gewesen ist. Eventuell wird man auch verunsichert und die Eltern müssen so etwas auch erst einmal für sich selbst verarbeiten. Schwieriger wird es dann, das Ganze kindgerecht aufzubereiten und ich kann da schon verstehen, wenn man als Elternteil quasi wie ein Ochs vorm Berg steht, und nicht weiß, damit umzugehen. Aber etwas verschweigen stelle ich mir sehr schwierig vor. Aber ehrlich gesagt würde ich schon ganz gern den Namen wissen, das Geburts- und Sterbedatum und auch Bilder von einem verstorbenen Geschwisterchen sehen, einfach, um zu wissen, dass es sie gegeben hat.

Mein Bruder ist bereits verstorben, allerdings war ich da schon über zwanzig und dennoch hat uns das alle auch mehr oder weniger den Boden unter den Füßen weggerissen. Aber da man sich bereits zwanzig Jahre und mehr kannte, er war zwei Jahre jünger als ich, brauchte man da nicht mehr so viel zu erfahren. Man wusste, was der andere für Hobbys hatte, welche Interessen er hatte und so weiter. Aber ich finde es schade, dass er zum Beispiel die Kinder meines anderes Bruders nicht mehr erlebt hat und da würde ich schon gern wissen, wie er damit umgegangen wäre, ob er zu ihnen einen Bezug gehabt hätte und so weiter. Doch lässt sich das nicht mehr herausfinden.

Du fragtest, ob man damit fertig werden würde, dass man ein Geschwisterchen nie hat kennenlernen können. Natürlich wird man damit fertig, ansonsten kann man sich auch gleich die Kugel geben und das Leben sein lassen. Es geht immer weiter, die Welt dreht sich weiter und trotz aller Trauer, die man verspürt, ist es auch wichtig, dass es so weitergeht. Zumal man als dreijähriges Kind sowieso nicht ganz genau weiß, was geschieht und was nicht, man kann doch nicht nur in der Vergangenheit leben.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Also wenn mir einer von seiner Schwester erzählt hätte, die jedoch verstorben ist, hätte ich ehrlich gesagt nicht nachgefragt. Das würde aber daran liegen, dass ich Menschen nicht mit Erinnerungen an jemand verstorbenen verletzen möchte und vor allem kommt es darauf an, wie lange und vor allem wie gut ich diese Person kenne. Wenn ich diese Person alle 2 Wochen sehe, dann habe ich auch gar nicht das Recht die Geschichte zu hören, wenn man mich eben persönlich fragt.

Wenn meine Schwester als ich drei Jahre alt war, verstorben ist an einem plötzlichen Kindestod, dann muss ich auch ehrlich gesagt nicht mehr wissen. Es ist nun ein Mal der plötzliche Kindestod und das hätte ich dann auch dabei belassen. Das Eltern solch ein Geschehen verdrängen ist doch auch normal, denn so etwas tut verdammt weh. Gerade eine Mutter, die das Kind 9 Monate getragen hat und schon bereits vom ersten Tag wahrscheinlich Gefühle aufgebaut hat wird darunter besonders leiden. Ein kleines Kind, welches seine Schwester kaum bis gar nicht kannte, nimmt den Tod so hin und wird danach auch nicht weiter harken.

» paddelfisch » Beiträge: 655 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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