"Heidenhüten" nicht erlaubt?!

vom 18.11.2011, 14:49 Uhr

Ich habe eben etwas von einer Bekannten gehört, dass mich hätte zum Lachen bringen können, wenn es nicht so ernst wäre.

Mal angenommen A ist in der Grundschule im ersten Schuljahr und in einer Grundschule im Ort, die nur einen katholischen Religionsunterricht hat, wo auch evangelische Schüler und auch islamische Schüler dran teilnehmen. Ungetaufte Kinder können vom Religionsunterricht abgemeldet werden. Bisher haben die Kinder immer in der letzten Stunde den Religionsunterricht gehabt und so konnte das Kind A dann freitags immer eine Stunde eher nach hause gehen, weil das Kind nicht getauft ist und an keinem Religionsunterricht teilnehmen soll. Die Eltern möchten, dass das Kind sich irgendwann frei entscheidet und nicht beeinflusst wird.

Seit letzter Woche hat sich der Unterricht geändert und der Religionsunterricht ist nun mittwochs in der dritten Stunde. So hat das Kind also praktisch eine Freistunde. Die Schule hat jetzt den Eltern geschrieben, dass das Kind entweder am Religionsunterricht teilnehmen muss oder die Eltern das Kind in der freien Stunde selber hüten müssen und das Kind diese 45 Minuten von der Schule abholen müssen. Da aber beide Eltern berufstätig sind ist es nicht so einfach getan in die Schule zu gehen um das Kind 45 Minuten zu hüten, weil die Schule es angeblich nicht machen darf, weil "Heidenhüten nicht statthaft" ist. So steht es genau in dem Schreiben von der Schule.

Habt ihr davon schon was gehört? Kann die Mutter von A dagegen angehen und auf eine Beaufsichtigung in der Schule bestehen? Kennt ihr dieses angebliche Schulgesetz, dass man keine "Heiden hüten" darf?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich habe von so einem Gesetz noch nichts gehört und für mich klingt es, wie absoluter Blödsinn. Vor allem den Ausdruck " Heiden hüten " finde ich eine Frechheit. Aus dem Religionsunterricht in der Schule, kenne ich es natürlich auch, dass Schüler dabei sind, die eben nicht getauft wurden und am Unterricht eigentlich nicht teilnehmen müssen. Es kam dann aber auch vor, dass die Religionsstunde mitten in den Schultag fiel. Die Kinder, die dann nicht getauft waren, blieben dann trotzdem im Klassenzimmer. Allerdings durften sie dann machen, was sie wollten. Manche haben dann schon angefangen Hausaufgaben aus den Stunden davor zu machen oder sie haben eben etwas gezeichnet. Sie durften eigentlich tun, was sie wollten, wenn sie sich eben ruhig verhalten. Manchmal haben sie sich auch am Unterricht beteiligt, wenn es eben ein Thema war, welches sich interessiert hat.

A.s Mutter sollte mal mit den Lehrern oder eben dem Direktor der Schule sprechen, ob es nicht möglich ist, dass A. auch in der Klasse bleiben und sich dort still beschäftigen kann.

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Das so genannte Heidenhüten ist nicht per Schulgesetz verboten. Vielmehr geht es darum, dass Kinder nicht widerrechtlich religiös beeinflusst werden sollen, alternativ auch nicht widerrechtlich in andere Klassen gesteckt werden sollen, damit die kleinen Heiden denn auch behütet sind. Keine Frage, ein etwas mittelalterliche Formulierung. Dieses Problem gibt es nicht nur in konfessionsgebundenen Schulen sondern auch in staatlichen Schulen.

Ich kenne das Problem aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen nimmt mein Sohn sehr gern am Religionsunterricht teil, der umfasst zwar eine Stunde mehr als der als Ersatz angebotene Ethikunterricht, aber das findet er gerade toll, weil man da halt mehr machen kann. Meine Große hat dagegen am Ethik-Unterricht ihrer Schule teilgenommen. Dieser umfasste auch an ihrer Schule weniger Unterrichtsstunden als der Religionsunterricht, so dass die Ethik-Kinder eine Freistunde hatten. In dieser Stunde konnten sie sich dann selbst beschäftigen, wurden aber von einem pädagogischen Mitarbeiter betreut, der eben auch bei Fragen helfen konnte. Aus der Schule meines Sohnes kenne ich es auch so, dass die Kinder in einer Freistunde von einer pädagogischen Kraft betreut werden, die ihnen dann auch schon mal bei Fragen hilft.

Eine klare Regelung gibt es nicht, was man denn in einem solchen Fall machen kann. Vielleicht hilft aber ein Blick in entsprechende Verordnungen und Schulordnungen. An staatlichen Schulen ist es beispielsweise Pflicht ab einer bestimmte Anzahl von Schülern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, einen Ersatzunterricht anzubieten. Eventuell könnten die Eltern auch ihr Einverständnis zum Heidenhüten erklären. Das hieße dann, dass das Kind diese Stunde in einer anderen Klasse verbringt und dort beaufsichtigt ist. Wenn es sich um eine Ganztagsschule handelt, dann könnte man nach anderen Betreuungsmöglichkeiten fragen. Sonst bleibt den Kindern wohl nur unbeaufsichtigt in einem freien Raum die Freistunde zu verbringen; das Schreiben der Schule deutet darauf hin, dass man sich in diesem Fall gegen eventuelle Regressforderungen im Schadensfalle absichern will.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Die Schule von A will aber nicht, dass die Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen von der Schule beaufsichtigt werden und in eine andere Klasse gehen. Die Schule will, dass entweder am Religionsunterrricht teilgenommen wird oder die Eltern für diese Kinder dann dafür verantwortlich sind, weil sie nicht teilnehmen dürften. Der Religionsunterricht ist für die Eltern eine Beeinflussung des Kindes und deswegen wollen sie nicht, dass das Kind daran teilnimmt.

Es sind noch 3 Kinder, die nicht teilnehmen dürfen, die aber dann unbeaufsichtigt auf dem Schulhof sind, was die Mutter von A nicht möchte, weil da zu viel passieren kann. Die Schule hat keine Verantwortung, weil sie dieses Schreiben rausgegeben haben, dass die Mutter von A vorliegen hat. Also wenn was passiert, haben die Eltern die Aufsichtspflicht verletzt. Die Mutter von A hat sich jetzt für nächste Woche erst mal frei genommen an dem Tag, damit sie ihr Kind beaufsichtigen kann. Aber das ist ja keine Dauerlösung. Ersatzunterricht oder Unterricht in einer anderen Klasse will die Schule auch nicht, weil es da wieder darum geht, dass "das Heidehüten nicht statthaft ist".

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ersatzunterricht meint aber in diesem Fall etwas wie Ethik oder Werte und Normen. Das dürfte aber bei insgesamt vier Kindern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen etwas wenig sein. Meist ist in den Schulordnungen von mindestens 12 Kindern die Rede.

Dass etwas nicht statthaft ist, ist die eine Sache, das spricht aber eher dafür, dass die Schule das nicht von sich aus so regeln will. Was ist aber dagegen einzuwenden, dass die Eltern ausdrücklich ihr Einverständnis geben, um den Heiden gehütet zu wissen? Fragen schadet doch in diesem Fall nichts.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Irgendetwas ist mir hier nicht ganz klar. An dieser katholischen Grundschule sollen nur getaufte Kinder am Religionsunterricht teilnehmen. Die ungetauften Kinder können abgemeldet werden. Da unter anderem an dieser Schule auch Muslime am Religionsunterricht teilnehmen können, die auch nicht getauft sind, frage ich mich, ob alle Muslime sich abgemeldet haben, oder die Eltern also so tolerant sind, den Kindern den Unterricht zu ermöglichen? Wenn das so wäre, sollte sich deine Bekannte ein Beispiel daran nehmen und ihr nicht getauftes Kind auch zum Unterricht schicken. Wie soll ein Kind sich später entscheiden, einer Religion beizutreten oder sie abzulehnen, wenn sie keine Ahnung davon hat? Also ist es doch nur die Entscheidung der Eltern, auch wenn diese sagen, dass ihr Kind sich selbst entscheiden soll, ob es getauft wird oder nicht.

Obwohl die Schule eigentlich für solche Fälle Ethikunterricht anbieten müsste, oder ist das in der Grundschule nicht so? Denn wenn das so geregelt wäre, müssten sie auch Heidenhüten, da sie den Unterricht nicht anbieten. Ich sehe hier eine Willkür der Schulleitung, die erreichen möchte, dass alle Kinder am Religionsunterricht teilnehmen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Cid hat geschrieben:Obwohl die Schule eigentlich für solche Fälle Ethikunterricht anbieten müsste, oder ist das in der Grundschule nicht so?


Das kommt vermutlich auf die Schule an. Ich war selbst auf einer katholischen Schule, obwohl ich evangelisch bin. Angeboten wurde nur katholischer und evangelischer Religionsunterricht. Aber es mussten alle Schüler am Religionsunterricht teilnehmen. Diejenigen, die nicht getauft waren oder einer anderen Religion angehörten, konnten sich dann aussuchen, ob sie am katholischen oder evangelischen Unterricht teilnehmen. Fast alle haben sich für den evangelischen Religionsunterricht entschieden. Ersatzfächer wie Werte und Normen oder Ethik gab es nicht, da es sich eben um eine katholische Schule gehandelt hat. Und wenn Eltern nicht damit einverstanden waren, dass das Kind überhaupt am Religionsunterricht teilnimmt, mussten sie das Kind eben auf einer andere Schule schicken.

Generell bin ich aber der Meinung, dass die Schule für eine Aufsicht der Schüler sorgen muss, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Was die nun in der Zeit machen - keine Ahnung, aber dass sich die Eltern um die Betreuung der Schüler kümmern sollen, kann nicht so ganz rechtens sein.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Cid hat geschrieben:Irgendetwas ist mir hier nicht ganz klar. An dieser katholischen Grundschule sollen nur getaufte Kinder am Religionsunterricht teilnehmen.

Also ich habe nirgendwo gelesen, dass es eine Grundschule mit religiösem Bekenntnis ist; nur dass eben ausschließlich katholischer Religionsunterricht angeboten wird. Denn dann wäre mein erster Tipp gewesen, dass man das Kind an einer Grundschule anmeldet, die Bekenntnisfrei ist ist. Das wäre das einfachste.

Cid hat geschrieben:Obwohl die Schule eigentlich für solche Fälle Ethikunterricht anbieten müsste, oder ist das in der Grundschule nicht so?

Und wie schon erwähnt ist ein Ersatzunterricht nicht verpflichtend. Das muss nicht mal Ethik sein, in Nordrhein-Westfalen ist das beispielsweise Philosophie, wie man im Schulgesetz des Landes nachlesen kann. Nur ist die Pflicht dazu an eine Mindestanzahl von Schülern gebunden. Hatte ich ja schon geschrieben.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich bin in Österreich, habe aber als Mama eines noch nicht getauften Kindes das sich später selber entscheiden können soll eine ähnliche Grundsituation. Sie haben auch mitten zwischen anderen Stunden Religion, aber nicht einmal hätte ich von der Schule gehört dass die Beaufsichtigung der Kinder während dieser Zeit ein wie auch immer geartetes Problem darstellen würde. Wo kämen wir denn da auch hin, wenn ich (regelmässig) extra am Vormittag eine Stunde lang zur Schule fahren musste? Das würde ich ehrlich gesagt in keinster Weise einsehen. Die Frage ob Religion oder nicht steht jedem frei und die Möglichkeit das zu entscheiden darf nicht von den Gegebenheiten abhängig gemacht werden. Zuallermindest müsste die Schule das von Anfang an explizit dazusagen, wenn die Betreuung eventuell ein Problem darstellen könnte.

» leasmom » Beiträge: 290 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^