Abschätzen, ob eine Stellenanzeige zum Bewerber passt
A hat eine Ausbildung und auch Berufserfahrung im IT-Bereich und sucht gerade nach einer neuen Stelle. Wenn man die Stellenangebote liest, bekommt A augenblicklich Zweifel, denn eine absolut passende Stelle ist nicht in Sicht. An jeder Stelle ist immer irgendetwas dabei, das er nicht vorweisen kann. Wie weit kann man denn da auf sein Glück hoffen und sich auf Stellen bewerben, deren Aufgabenprofil man nicht hundertprozentig erfüllt?
Gerade in der IT-Branche sind die Berufsbezeichnungen und Ausbildungen oft sehr fließend. Welche Chancen hat man denn, da reinzukommen, wenn man nicht vollkommen dem Gewünschten entspricht?
Nehmen wir mal an, dass in der Stelle langjährige Berufserfahrung gefordert ist und A nur ein Jahr Berufserfahrung hat. Hat A damit trotzdem realistische Chancen auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch?
Anderes Beispiel: In der Stellenanzeige sind diverse Software-Produkte genannt, die der Kandidat beherrschen soll. Wenn man alle bis auf eines gut beherrscht, wie ist das zu beurteilen? Schließlich kann man alles lernen?
Wie ist es zu beurteilen, wenn der Personalchef fließendes Englisch erwartet, A aber nur über ein mittelprächtiges Schulenglisch verfügt, das ihm erlaubt Fachtexte zu lesen und zu verstehen. Ein selbstständiges Schreiben englischer Texte oder eine mündliche Kommunikation ist A nicht möglich. Wie ist das einzuschätzen?
Welcher der drei genannten Punkte, die A nicht bieten kann ist denn eurer Ansicht nach der schlimmste und welcher der harmloseste bei dem Personalchefs am ehesten die Augen zudrücken?
Generell sind solche Aussagen schwer zu treffen, daher erzähle ich einfach mal, wie das in den Betrieben die ich kenne gehandhabt wird, wo übrigens auch IT vertreten ist, daher hilft das vielleicht ein bisschen beim Einschätzen: Wenn A in etwa 90% der Stellenbeschreibung anbieten kann, ist er schon auf einer ganz guten Schiene.
Zum ersten Beispiel: Mit der Berufserfahrung ist das in der IT so eine Sache, die sehr stark vom Unternehmen abhängig ist. Ist es ein konservatives Unternehmen? Dann sollten es schon ein paar Jahre sein. Wenn das Unternehmen auch innerlich eher modern ausgerichtet ist, ist dagegen die Berufserfahrung nicht zwangsläufig ein wichtiges Kriterium, solange die Anforderungen erfüllt werden.
Der zweite Fall: Es wird generell viel verlangt, speziell wenn extrem viele verschiedene Programme aufgelistet sind, muss man nicht jedes einzelne aus dem Effeff beherrschen. Wenn alle anderen Anforderungen erfüllt werden (Abschlüsse, Sprachen, Soft-Skills etc.), hätte A hier also schon ganz gute Chancen, solang es wirklich nur ein bis zwei Programme sind und diese nicht rein zufällig die elementaren des Betriebes darstellen.
Im dritten Beispiel kommt es sehr stark auf die genaue Anforderung an: Werden einfach nur "Englisch-Kenntnisse" erfragt, ist das Schulenglisch gar nicht so schlimm. In den meisten Stellenausschreibungen wird das mittlerweile konkretisiert, was man können soll: Business-Englisch, Sehr gute Englisch-Kenntnisse in Wort und Schrift oder Fach- bzw. Branchen-Englisch-Kenntnisse zum Beispiel. Wenn so etwas gefragt ist, sollte A das in der Regel tatsächlich auch mitbringen, da es zum Beispiel für Kundenkommunikation dann für die Stelle auch so nötig ist. Einfach nur "Englisch" steht heutzutage in fast jeder Stellenausschreibung, egal ob es für den Job wirklich nötig ist oder nicht...
Im Zweifelsfall sollte A sich meiner Meinung nach einfach immer bewerben - mehr als absagen können die Betriebe ja auch nicht. Ich weiß, viele Bewerbungen verursachen natürlich auch viele Kosten die nicht jeder Arbeitslose einfach so vor strecken kann. Wenn aber wie eingangs erwähnt mindestens 90% der Anforderungen erfüllt werden (und zwar wirklich erfüllt), dann stehen die Chancen generell nicht schlecht, solange A keine überdurchschnittlichen Gehaltsanforderungen hat oder in ein sehr populäres Unternehmen unbedingt eingestellt werden will.
Einem Bekannten von mir, nennen wir ihn nun auch mal A, erging es vor Kurzem genau so. A hatte ebenfalls Angst, eine Stelle zu finden. A ist im Dezember mit seiner Ausbildung fertig (auch im IT-Bereich) und hat sich sehr viele Gedanken darum gemacht, ob A überhaupt einen Job findet, denn die Berufsanforderungen waren immer sehr ausführlich beschrieben und vieles davon wusste und konnte A auch gar nicht, weil ihm die Berufserfahrung dazu fehlt, die A aber nur bekommen kann, wenn A irgendwo eine Stelle findet.
Trotzdem hat sich A auf die ein oder andere Stelle beworben, obwohl sein Profil nur auf manche Anforderungen zu traf, manchmal sogar nur auf 2-3 Punkte von 8. Und A hatte Glück und kann nun nach seiner vollendeten Ausbildung im Dezember einen neuen Job anfangen. Und das, obwohl er vieles davon nicht kann. A hat allerdings im Vorstellungsgespräch zugesichert und gezeigt, dass er lernfähig ist. A ist einfach selbstbewusst aufgetreten und hat den Betrieb von sich überzeugt.
Sein Ausbilder hat ihm auch, während der Ausbildung, immer gesagt, dass die Anforderungen eines Betriebes nicht genau dem entsprechen was sie suchen. Die Betriebe würden oft und viel von anderen ähnlichen Stellenausschreibungen kopieren und manches was dann in der Stellenausschreibung ist, noch nicht einmal besitzen, was ich persönlich irgendwie arm finde.
Ich denke, man sollte es genau so machen wie A. Man sollte sich einfach auf alles, was einen interessieren würde, bewerben. Denn mehr als "nein" sagen, kann der Betrieb eh nicht. Noch dazu lernt man mit jedem Vorstellungsgespräch vielleicht lockerer zu werden, weiß was gefragt wird, kann die passenden flüssigen Antworten geben und irgendwann klappt es dann auch mit dem Beruf.
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