Organspendeausweis und Patientenverfügung ein Widerspruch?
Nehmen wir mal an, dass die Patientin Y in ein Krankenhaus kommt, weil sie einen Unfall hat. Sie hat eine Patientenverfügung hinterlegt. In der Handtasche finden die Ärzte allerdings auch einen Organspendeausweis. Wegen der Patientenverfügung, die ja auch verbindlich ist für die Ärzte, darf sie eigentlich nicht an die Herz-Lungenmaschine. Allerdings muss sie an die Maschinen, damit ihre Organe für die Spende "frisch" gehalten werden.
Wenn man einen Organspendeausweis hat (hier in Deutschland nötig, wenn man Organe spenden will), schließt das dann eigentlich eine Patientenverfügung aus? Ist der Organspendeausweis gesetzlich der Patientenverfügung übergeordnet? Oder verstehe ich da was falsch?
Das Beispiel ist nicht so ganz gut gewählt. Mit einer Patientenverfügung wird ja nicht gesagt, dass man überhaupt keine medizinische Versorgung haben will. Wenn man also Angst haben müsste, dass man nach einem Unfall nicht versorgt wird, würde wohl kaum jemand eine Patientenverfügung unterzeichnen. Mit einer Patientenverfügung wird im Normalfall gesagt, dass man die unnützen, nur unnötig das Leiden verlängernden Maßnahmen nicht möchte. Es geht dann also um Maßnahmen, die nicht mehr zu einer Besserung des Zustands führen würden.
Ich denke mal, das wird bei der Versorgung nach einem Unfall nicht der Fall sein. Dort besteht regelmäßig Hoffnung, dass sich der Zustand wieder so bessert, dass derjenige weiterleben kann, also auch nicht nur ein sabbernder Pflegefall bleibt. Wenn Patientin Y also für die Versorgung der Unfallfolgen an eine Herz-Lungen-Maschine muss und sie danach wieder (zumindest halbwegs) gesund werden wird, dann wird sie da auch dran kommen.
Sollte nun während der Operation der Fall eintreten, dass Patientin Y den Hirntod stirbt, ist es auch kein Verstoß gegen die Patientenverfügung, wenn dann bis zur Entnahme der Organe für die Spende die Herz-Lungen-Maschine weiter betrieben wird. Schließlich wird kein Leben unnötig verlängert und leiden muss Y auch nicht, denn sie ist bereits tot. Patientin Y könnte in ihrer Patientenverfügung genau verfügen, wie sie es in diesem Fall haben möchte.
Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass sich die Patientenverfügung und der Wunsch nach Organspende nicht in die Quere kommen. Die Patientenverfügung betrifft noch lebende Menschen, die einen menschenwürdigen Tod haben und nicht unnötig lange leiden wollen. Die Patientenverfügung kommt vor allem bei todkranken Menschen zum Einsatz, die für die Organspende regelmäßig nicht infrage kommen. Die Organspende betrifft dagegen bereits (hirn-)tote Menschen, die einigermaßen gesund und an einem Unfall gestorben sind.
Die Aussage der Patientin ist doch nur, dass sie nicht künstlich am Leben gehalten werden will. Wenn die Patienten also einen schwerer Unfall hatte und absehbar ist, dass sie sich kaum wieder erholen wird, dann würde man in dem Falle auf jeden Fall nichts unternehmen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn sie ihre Organe spenden will. Dann werden, sehr einfach ausgedrückt, nur diese am Leben gehalten und das war es dann.
Am einfachsten wäre es dann natürlich, wenn die Patienten einen Hirntod erleiden würde. Dann kann man die Organe einfach entnehmen, weil das auch ihrem Wunsch entsprechen würde. Ist das Herz verwendbar und absehbar, dass die Patientin wirklich stirbt, weil die Schäden viel zu groß sind, dann rettet man natürlich das Organ. Auf der sicheren Seite ist man dann, wenn man einfach den nächsten Angehörigen nochmal direkt fragt oder besser: ihn darüber aufklärt. Tatsächlich könnte es von Außen natürlich so wirken, dass eventuell noch Hoffnung besteht und man nur die Organe haben will. Da ist in Deutschland definitiv nicht der Fall, weil das Leben das Patienten immer an erster Stelle steht und wenn es Hoffnung ohne lebensverlängernde Maßnahmen gebe, würde man die auch nutzen.
Ich sehe das so, dass ja mit Organspenderausweis und Patientenverfügung zwei völlig unterschiedliche Intentionen verfolgt werden. Mit der Patientenverfügung will ich, zumindest in dem im Beispiel dargestellten Fall, dass ich nicht gegen meinen Willen, bzw. nur weil ich den nicht mehr äußern kann, künstlich am Leben erhalten werde. Ich sehe da ehrlich gesagt keinerlei Widerspruch zum Organspenderausweis.
Nur weil jemand nicht künstlich am Leben erhalten werden will und vielleicht Angst davor hat in einem Krankenhaus vor sich hin zu vegetieren - sei diese Angst nun berechtigt oder nicht (!) - schließt das ja nicht aus, dass er oder sie nicht möchte, dass seine Organe damit sie zum Spenden an jemanden der oder die diese vielleicht dringend benötigt, nicht trotzdem schonend und verantwortungsbewusst gehandelt werden sollen. Das ist ja kein"Am-Leben-erhalten" im eigentlichen Sinn. Nur die gesteigerte Chance für den Empfänger der Transplantation, dass das Ganze für ihn gut geht. In meinen Augen widerspricht sich das also nicht.
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