Todesursache "Herzversagen" - Komische Diagnose?

vom 05.11.2011, 23:23 Uhr

Wie oft liest man, dass irgendjemand an Herzversagen verstorben ist. Ist das nicht eine sehr schwammige und komische Diagnose? Schreibt der Arzt das in den Totenschein, wenn er nicht weiß, an was der Patient verstorben ist aber er dennoch glaubt, dass es ein natürlicher Tod war? Wenn das Herz aufhört zu schlagen ist man wohl tot und wenn dann keiner reanimiert wird es wohl auch bei dem Versagen des Herzens bleiben. Aber muss in einem Totenschein nicht eigentlich drin stehen, warum das Herz aufgehört hat zu schlagen? Die Todesursache ist doch nicht das Herzversagen, sondern das Herzversagen hatte doch eine Ursache.

In dem Totenschein meiner Schwiegermutter steht auch "Herzversagen". Damals habe ich mir nicht groß Gedanken darüber gemacht. Aber warum das Herz versagt hat kann doch viele Gründe haben und ist doch eine komische Diagnose und dass so eine Diagnose anerkannt ist, kann ich nicht verstehen. Was haltet ihr von der Diagnose "Herzversagen" in einem Totenschein?

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



"Herzversagen" ist eine Universal-Todesursache. Wie Du sagst: Jeder stirbt letzten Endes an Herzversagen. Wenn ich jemanden ersticke, stirbt er irgendwann auch an Herzversagen, denn ihm fehlt Sauerstoff. Deshalb stimmt es, dass es eigentlich etwas genauer erforscht werden müsste, woran jemand gestorben ist. Allerdings kosten Autopsien Geld, was keiner ausgeben will. Deutschland ist gerade in dieser Sache sehr geizig. Fast in jedem Ausland gibt es mehr Autopsien als in Deutschland. Und dann braucht man auch noch fähige Pathologen, die tatsächlich nach dem Grund forschen. Die gibt es selbst im Fernsehen selten. Deshalb werden wir uns weiterhin mit der Todesursache "Herzversagen" begnügen müssen.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Herzversagen kann einfach auch nur bedeuten, dass hier ein Mensch ein schwaches Herz hatte, dessen Pumpleitung schon deutlich nachgelassen hatte. Das Herz schlug nicht mehr kräftig genug, weshalb Ältere ja auch manchmal Wasseransammlungen im Gewebe haben und irgendwann hörte es ganz auf.

Was nützt es, dann ganz genau zu wissen, warum das Herz nun in einem bestimmten Moment aufgehört hat zu schlagen? Was bringt einem dieses Wissen?

» vde » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Du hast dir deine Antwort ja nun eigentlich schon selber gegeben:

Die Todesursache ist doch nicht das Herzversagen, sondern das Herzversagen hatte doch eine Ursache.

Die Todesursache ist und bleibt das Herzversagen. Stell dir einfach mal die Frage, woran der Mensch nun gestorben ist. Und wenn die Antwort darauf lautet: weil das Herz aufgehört hat zu schlagen, dann ist DAS die Todesursache.

Sicherlich hast du Recht, dass das sehr selten so ist, dass das Herz einfach mal aufhört zu schlagen, sondern das es immer etwas gibt, was das Ganze begünstigt oder letzten Endes verursacht hat. Sprich: es gibt eine Diagnose, die dafür verantwortlich ist. Aber das steht doch in dem Falle gar nicht zur Debatte. Man will nicht die Krankheit wissen, was das Herzversagen ausgelöst hat, sondern die Todesursache. Andernfalls muss man nach den Vordiagnosen oder Erkrankungen fragen.

Mal abgesehen davon kann man den Krankheitsverlauf der Krankenakte entnehmen. Wenn man also mehr wissen muss, dann schaut man einfach da hinein. Wichtig ist im Grunde vor allem, dass man ausschließen kann, dass es eine unnatürliche Todesursache war. Welche Krankheit da im Vorfeld eine Rolle gespielt hat, ist in dem Falle erst einmal unwichtig. Gehen wir mal davon aus, dass der Patient Lungenmetastasen aufgrund eines Primärtumors hatte. Dann wäre das also sein Leiden. Nun bekommt er demnach Atemnot und das Herz versagt - an was ist er dann also verstorben? An Herzversagen!

Benutzeravatar

» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



@winny2311: Dann kann ein Arzt ja bei jedem Tod, egal, ob derjenige erstochen wurde, an Nierenversagen starb, erschlagen wurde oder sonst was immer reinschreiben, dass derjenige an Herzversagen gestorben ist. Das tut er aber nicht, weil der Arzt reinschreibt, dass er infolge dieser Krankheit oder dieses Einflusses gestorben ist. Wenn das so wäre, wie du schreibst, dann müssten in den Totenscheinen ja nur diese eine Todesursache "Herzversagen" drin stehen. Aber weil es das nicht ist, finde ich es schon verwirrend, wenn so was überhaupt in einem Totenschein drin steht.

Mein Opa ist an Lungenemphysemen verstorben und das stand dann auch im Totenschein. Es stand nicht darin "Herzversagen infolge von......" Also kann man durchaus die Krankheit reinschreiben, warum ein Patient verstorben ist.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Wie schon in meinem vorigen Beitrag erwähnt wäre es selbstverständlich nicht das gleiche, wenn jemand erstochen werden würde. Dann ist die Todesursache erfolgt durch äußere Gewalteinwirkung. Und derjenige ist dann mit Sicherheit auch nicht an Herzversagen gestorben. Soweit mir bekannt ist auch das Nierenversagen eine eigenständige Todesursache. Im letzten Totenschein den ich gesehen habe stand auch Herzversagen drin und nicht die Krankheit, die das herbei geführt hat.

Benutzeravatar

» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Diamante hat geschrieben:@woinny2311: Dann kann ein Arzt ja bei jedem Tod, egal, ob derjenige erstochen wurde, an Nierenversagen starb, erschlagen wurde oder sonst was immer reinschreiben, dass derjenige an Herzversagen gestorben ist. Das tut er aber nicht, weil der Arzt reinschreibt, dass er infolge dieser Krankheit oder dieses Einflusses gestorben ist. Wenn das so wäre, wie du schreibst, dann müssten in den Totenscheinen ja nur diese eine Todesursache "Herzversagen" drin stehen. Aber weil es das nicht ist, finde ich es schon verwirrend, wenn so was überhaupt in einem Totenschein drin steht.

Nein, das stimmt so nicht. Mal abgesehen von den äußeren Einflüssen und so, also wenn zum Beispiel jemand einen Schlaganfall erleidet, aufgrund von Problemen an der Lunge stirbt oder etwas derartiges, dann ist das was ihn sterben lässt nicht, dass das Herz früher oder später aufhört zu schlagen. Wenn zum Beispiel die Lunge aus irgendwelchen Gründen versagt, dann erstickt man entweder, oder das Hirn stirbt ab, weil es nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden kann (obwohl noch Blut durch den Körper fließt). Das Herz schlägt dann aber vielleicht trotzdem noch den einen oder anderen Schlag und hört danach auf. Dann kann ich das, was zum Tod geführt hat, aber nicht mit Herzversagen benennen, sondern nenne wenn bekannt das Krankheitsbild der Lunge.

Auch ein Erstochener stirbt nicht am Versagen des Herzens, sondern verblutet in der Regel und der fehlende Druck in den Adern führt dazu, dass der Kreislauf nicht weitergeführt werden kann. Dann hat nicht das Herz versagt weil es nach dem Tod aufgehört hat zu schlagen, sondern der Blutverlust ist die Ursache des Todes.

Von Herzversagen spricht man doch für gewöhnlich nur dann, wenn wirklich das Herz aufgehört hat zu schlagen und das dann den Tod hervorruft - und nicht andersrum das Herz aufhört zu schlagen weil jemand tot ist. Dass das Herz versagt kann verschiedene Ursachen wie Alter oder angeborene Herzfehler (oder auch Rauchen, ständiger Stress usw.) haben. Dann sind aber Alter, Herzfehler, Zigaretten oder Stress nur Bausteine hin zum Versagen des Herzens. Eine Zigarette bringt einen ja nicht sofort um, und auch ein angeborener Herzfehler kann viele Jahre eines angenehmen Lebens nicht verderben, ehe die ständige Malträtierung dann irgendwann zum Organversagen führt und das Versagen des Organs dann den Tod bedeutet.

Benutzeravatar

» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich habe das mal erlebt, dass der Notarzt einen Totenschein ausstellen musste. Da die Person irgendwann im Laufe der Nacht gestorben war, schrieb der Notarzt „Herzversagen“ als Ursache in den Totenschein. Da in diesem Fall ein Defillibrator eingepflanzt war, nahm er an, dass das seine Richtigkeit hatte, obwohl noch andere Krankheiten vorhanden waren. Er sprach uns an, dass wir eine Obduktion machen lassen könnten, wenn wir die Todesursache genau wissen wollten. Was hätte es uns geholfen, wenn die Ursache eine andere gewesen wäre? Eine Obduktion kosten viel Geld, das man selbst bezahlen muss. Die Todesursache Herzversagen kann richtig sein, muss aber nicht.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Diamante hat geschrieben:Wenn das Herz aufhört zu schlagen ist man wohl tot und wenn dann keiner reanimiert wird es wohl auch bei dem Versagen des Herzens bleiben.

Selbst wenn man reanimiert bleibt es oftmals bei dem selben Ergebnis, dass das Herz von selbst nicht mehr anfängt zu schlagen. Bei anderen Patienten fängt es kurzzeitig wieder an mit einem eigenen Rhythmus und dieser versagt nach kurzer Zeit wieder. Deswegen wird gerne die allgemeine Formulierung hergenommen, dass das Herz versagt hat. Die Ursachen dafür können natürlich sehr unterschiedlich sein, zum einen durch angeborene Herzfehler oder auch durch das Alter. Auch Krankheiten und Herzinsuffizienzen beeinflussen das Reizleitungssystem am Herzen. Neben dem elektrischen Ausfall, kann es auch zu einem mechanischen Ausfall kommen. Dann sieht man zwar auf einem EKG einen Ausschlag und kann einen Puls fühlen, aber das Herz ist nicht mehr in der Lage die notwendige Menge Blut zu transportieren. Damit kommt es dann zu einer Sauerstoffunterversorgung und die Zellen fangen an zu sterben was von der zeitlichen Einschätzung bereits nach wenigen Minuten der Fall ist. Das ist vor allem der Grund warum der Rettungsdienst nicht sehr häufig erfolgreich reanimiert.

Was soll ich also von der Diagnose in einem Totenschein halten, der Arzt vor Ort kann schlecht in die Leiche rein schauen an welcher Ursache sie nun schlussendlich verstorben ist. Somit müsste man jeden Patienten obduzieren lasse was zum einen mit einem erheblichen Aufwand und damit auch hohen Kosten verbunden ist die in solchen Fällen in der Regel von den Angehörigen selbst getragen werden müssen wenn sie es genauer wissen wollen. Und selbst wenn man es anordnen würde, dann könnte man es nicht zu 100% sagen ob es nun ein mechanischer oder ein elektrischer Defekt am Ende gewesen ist was zum Herzversagen geführt hat. Deswegen nimmt man lieber die allgemeine Formulierung für den Totenschein, da dieses Wort das Geschehen an sich gut beschreibt. Schreibt ein Arzt in einen Totenschein rein, Herzversagen in Folge von Krankheit XY lehnt er sich mit dieser Aussage weiter aus dem Fenster da es schon sehr spezialisiert worden ist, trifft diese Todesursache dann nicht zu handelt es sich um einen formalen Fehler der auch Konsequenzen für den Arzt haben könnte. Bei jüngeren Patienten die vorher keine Vorerkrankungen hatten wird sowieso in der Regel eine Obduktion gemacht um etwas anderes ausschließen zu können.

Allerdings solltest du auch einmal genauer werden welchen Totenschein du meinst, denn davon gibt es zwei Unterschiedliche. Ein Notarzt darf nur einen vorläufigen Totenschein ausstellen der jedoch noch nicht die Leichenschau mit dem anschließenden endgültigen Totenschein darstellt. Die endgültige Leichenschau wird in der Regel durch den Hausarzt vorgenommen, der dazu die Leiche eingehender Untersuchen muss als ein Notarzt dazu verpflichtet ist. Wie es danach mit der Leiche weiter von statten geht richtet sich danach was auf dem Totenschein angegeben worden ist, bei äußerer Gewalteinwirkung die hier schon als Offtopic angesprochen worden ist, kümmert sich die Polizei um alles weitere. Bei der Diagnose Herzversagen als natürliche Todesursache kann man mit dem Totenschein dann das Bestattungsunternehmen beauftragen.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


In meiner Familie gab es vor Kurzem erst einen Fall, in dem der zu Hilfe gerufene Hausarzt "Herzversagen" feststellte. Vor diesem Hintergrund kann ich beide Positionen hier gut nachvollziehen.

Zum einen handelt es sich beim Herzversagen meines Erachtens nach - und da muss ich mich der hier herrschenden Meinung anschließen - durchaus um eine eigenständige Todesursache. Natürlich hat dieses Herzversagen irgendwo seinen Ursprung, ist durch irgendetwas ausgelöst worden, aber der Tote ist letzten Endes dadurch gestorben, dass das Herz aufgehört hat zu schlagen.

Als besonders befriedigend empfinde ich diese Feststellung allerdings nicht. Ich weiß, dass es am Ergebnis (=dem Tod) nichts ändert, aber ich hätte trotzdem gerne gewusst, weshalb ein geliebter Mensch gehen muss. In diesem Fall auch noch sehr plötzlich und unerwartet. Es standen viele Krankheiten im Raum, die einen Tod hätten verursachen können - und am Ende soll es einfach das Herz gewesen sein? Warum? Waren es Stenosen, eine Entzündung, eine Herzschwäche? War es ein kumulatives Zusammenwirken? Hätte man irgendwo intervenieren können, wenn man um die Bedrohlichkeit gewusst hätte? Hätte ICH sehen können und müssen, wie schlecht es um denjenigen steht? Es sind wirklich viele Fragen aufgekommen bei mir - und die lassen sich auch durch das Anerkennen des Herzversagens als eigenständige Todesursache nicht beantworten.

Und in Richtung vde ("Was nützt es, dann ganz genau zu wissen, warum das Herz nun in einem bestimmten Moment aufgehört hat zu schlagen? Was bringt einem dieses Wissen?"): Ruhe. Inneren Frieden. Die Fähigkeit, abschließen zu können. Vielleicht auch das Ende von Selbstvorwürfen.

» LadyB » Beiträge: 44 » Talkpoints: 39,80 »


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^