Ausdruck "um 1 %" = "um 1 Prozentpunkt"?
Ich sitze gerade über einer Hausarbeit für die Uni, die ich demnächst abgeben möchte, und nun stellt sich mir einer sehr wichtige Frage, die ich mir selbst (und auch mithilfe von Google) nicht wirklich beantworten kann. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn es hier vielleicht einen richtigen Experten in diesem Bereich gibt!
Ich würde gerne wissen, ob der Ausdruck "um 1 %" in Ausnahmefällen gleichzusetzen ist mit "um 1 Prozentpunkt". Es ist nämlich so, dass in einer Quelle geschildert wurde, dass die Inflationsrate jährlich "um etwa 1 %" überschätzt wird. Wären es wirklich nur 1 %, so wäre die Überschätzung ja kaum der Rede wert. Der Autor meint jedoch "um 1 Prozentpunkt" - das wird im weiteren Verlauf des Textes klar.
Nun frage ich mich, hat der Autor da einen Fehler gemacht? Was ich mir aber nur schwer vorstellen kann, denn eigentlich halte ich von der Quelle recht viel. Oder kann man das in diesem Zusammenhang wirklich so sagen, auch wenn es sehr missverständlich ausgedrückt ist? Wurde vielleicht absichtlich auf den Ausdruck "Prozentpunkt" verzichtet, weil dieser eigentlich gar nicht benutzt werden soll?
Gerade in solchen Fällen finde ich den Begriff "Prozentpunkt" aber unerlässlich, um nicht solche Verwirrung zu stiften! In diesem Fall könnte man ja auch gar keine tatsächliche prozentuale Angabe machen, weil dieser 1 Prozentpunkt je nach Inflationsrate von Jahr zu Jahr beispielsweise mal 100% ausmachen kann (bei einer Inflationsrate von 1%) oder auch mal nur 33% (bei einer Inflationsrate von 3%).
Hierbei musst Du zwischen der Experten-Sprache und der Laien-Sprache unterscheiden. In der Experten-Sprache ist es normalerweise nicht gleichzusetzen. Da sollte man auf den Unterschied achten. In dem Buch wird also entweder nicht aufgepasst worden sein oder man hat aufgrund der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet. Dann hätte ich allerdings erwartet, dass irgendwo vorne im Buch einmal darauf hingewiesen wird.
In der Laien-Sprache kennt kaum jemand den Unterschied. Ich habe einmal versucht, einen Juristen darauf hinzuweisen, dass der Verzugszins anders zu formulieren ist (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, nicht Prozent), doch selbst dieser als angeblicher Experte hat den Unterschied nicht begriffen. Er wurde später allerdings durch den Richter erneut darauf hingewiesen und dieser hat es dann berichtigt.
Du sprichst hier offensichtlich die Problematik des Laspeyres-Index an. Bei diesem Index bleiben die Güter(mengen) im Warenkorb gleich, nur die Preisänderungen werden betrachtet. Durch dieses Gewichtungsschema (Gewichtung auf die Basisperiode, im Gegensatz zu Paasche) ergeben sich die von dir angerissenen, speziellen Probleme. So berücksichtigt Laspeyres ja nicht, dass sich sehr wahrscheinlich durch eine Preisänderung eine Veränderung in der Verbrauchsmenge ergeben wird. In der Realität dürfte es ja (je nach Preiselastizität unterschiedlich) so sein, dass Güter die teurer werden, durch andere Güter substituiert werden. Das wird bei Laspeyres nicht berücksichtigt, bzw. erst bei einer neuen Gewichtung des Warenkorbes alle paar Jahre.
D. h. der Nachteil an Laspeyres ist, dass er die Inflation tendenziell zu hoch einschätzt. Bei berechneten niedrigen Inflationsraten ist es also möglich, dass in Wirklichkeit gar nicht eine geringe Inflation, sondern bereits eine Deflation vorliegt. Andere Messverfahren haben hingegen andere Nachteile. Weil man um all die Nachteile weiß, gibt man auch lediglich einen Zielkorridor an und nicht einen bestimmten Zielpunkt. Bei 1-2% Inflation herrscht bei uns Preisniveaustabilität.
In irgendeinem Schinken stand dann auch mal, dass das für die USA 1996 ca. 1% waren, die der Laspeyres-Index den wirklichen Wert überschätzte. Gemeint war, auch nach meinem Dafürhalten, 1 %-Punkt. Eine Abweichung von nur einem Prozent wäre keiner Erwähnung, geschweige denn Diskussion wert. Das ist in der Tat ungenau formuliert.
Vielen Dank für euer beider Beiträge, besonders dir, Richtlinie2!
Ja, es ging mir hierbei um den Laspeyres-Index, ich wollte es nur nicht komplizierter machen als es ist, indem ich für den Laien wahrscheinlich unbekannte Begriffe um mich werfe. Wahrscheinlich meinst du sogar die gleiche Quelle wie ich, bei mir ging es auch zunächst nur um die USA, als gesagt wurde, dass die "Inflationsrate um 1% überschätzt" würde, man könne jedoch davon ausgehen, dass diese Problematik auch hierzulande gilt.
Nun bin ich beruhigt und weiß, dass der Ausdruck wirklich ungenau, wenn nicht sogar falsch ist und ich mir nicht grundlos Gedanken dazu gemacht habe. Danke.
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