Zuschauer "gemietet"? Jauch - Polittalk

vom 28.09.2011, 13:26 Uhr

Am Wochenende bin ich zufällig in den Polittalk mit G. Jauch gestolpert. Grundsätzlich schaue ich mir keine dieser nun täglichen Polit-Talkrunden mehr an, weil ich ein echtes Problem mit der weitestgehenden Staatspropaganda habe und mir mein Herz lieb ist. Weil aber dort Frau Kanzlerin angesagt war, wollte ich mal sehen, was Jauch da für ca. 4000 Flocken pro Minute loslässt. Schließlich hat er auch keine Hemmungen, Teilnehmer seiner Quizsendungen ab und zu mal kräftig und süffisant abzuservieren, wen sie ihm nicht passen. Leider kam da aber so gar nichts. Ich habe ca. 15 Minuten unter Qualen geschaut, dann habe ich das traurige Frage-Antwort Spiel zugunsten meiner Gesundheit beendet. Kritisch war an den Fragen des "Journalisten" Jauch überhaupt nichts und die in Agitation und Propaganda erfahrene Dame nutzte natürlich die Gunst der Stunde. Mutti erklärte Günther die Welt, bzw. ihre Sicht der Welt, die nicht zwangsweise mit der Realität oder Wahrheit zu tun hatte, aber der "Journalist" Jauch konnte, wollte oder durfte nicht, wie es von einem kritischen Journalisten zu erwarten wäre. Er war am Ende nur der gut bezahlte Stichwortgeber. Gebühren, die einfach rausgeworfen werden.

Was mich aber in diesem Zusammenhang tatsächlich etwas verwunderte, war das eigenartige Verhalten der Zuschauer. Das sahen wohl auch viele andere so, sogar das Handelsblatt. Das Klatschen war mir zu enthusiastisch, selbst wenn da wahrscheinlich ein Lämpchen "Applaus" leuchten wird und die Zuschauer womöglich mit Sekt fröhlich gestimmt waren. Ich frage mich, ob da nicht auch mal kritische Geister sitzen, denen der Kragen platzt, die lautstark eine Frage einwerfen. Wobei da Sekt eher kontraproduktiv, bzw. "brandbeschleunigend" wirken dürfte. Aber nichts davon. Und diese Sendung ist live. Wenn also was passiert, sollte man das mitkriegen.

Für mich ist die Frage, waren die Zuschauer in diesem Fall echt? War es ein CDU-Ortsverein, waren die Leute vielleicht schlicht gemietet? Hat jemand Erfahrung mit Live-Politsendungen, war vielleicht mal anwesend? Bekannt ist mir nur, man bekommt Karten nur, wenn man seine Personalien mitteilt. Haltet ihr es für möglich, dass hier potenzielle Störer im Vorfeld ausgeschlossen werden? Aber so etwas müsste doch heutzutage bekannt sein. Jedenfalls war das schon sehr eigenartig.

Fragen, die Jauch Frau Merkel mal abseits des Euro-Gedöns hätte stellen können und dann hätte nachbohren können, hat dann z. B. gestern Erwin Pelzig ansatzweise gestellt. Bitteschön!

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Am Wochenende bin ich zufällig in den Polittalk mit G. Jauch gestolpert. Grundsätzlich schaue ich mir keine dieser nun täglichen Polit-Talkrunden mehr an, weil ich ein echtes Problem mit der weitestgehenden Staatspropaganda habe und mir mein Herz lieb ist. Weil aber dort Frau Kanzlerin angesagt war, wollte ich mal sehen, was Jauch da für ca. 4000 Flocken pro Minute loslässt.

Ich habe etwas den Eindruck, dass Du Dich doch etwas zu sehr darüber aufregst. Klar würde ich auch gerne so viel wie Günther Jauch verdienen und sicherlich halten die Titel der Sendungen nicht immer das ein, was man auf den ersten Blick erwarte, aber dann schaltet man halt um und deswegen auf dem Moderator herum zu hacken finde ich auch unangemessen.

Ein Journalist muss doch aber auch nicht unbedingt kritische Fragen stellen, es kann doch auch Ziel sein, eben vorwiegend Verständnisfragen einzusetzen und sich etwas erklären zu lassen oder auch vielleicht etwas Persönliches über den Befragten zu erfahren. Es gibt andere politische Sendungen, bei denen eher gegensätzliche Meinungen vorgestellt und auch manchmal recht lebendig verteidigt werden – z.B. Hart aber fair – aber es sei jedem Format gegönnt, das Thema auf eine eigene Weise auszugestalten.

Ich frage mich, ob da nicht auch mal kritische Geister sitzen, denen der Kragen platzt, die lautstark eine Frage einwerfen. Wobei da Sekt eher kontraproduktiv, bzw. "brandbeschleunigend" wirken dürfte. Aber nichts davon. Und diese Sendung ist live. Wenn also was passiert, sollte man das mitkriegen.

Ich schaue mir oft solche Talksendungen an und habe es noch nie erlebt, dass jemand aus dem Publikum sich ungefragt eingemischt hat. Das ist ja auch ein etwas gehobeneres Publikum, was Anstand und benehmen mitbringt und dann nicht einfach mitten hinein ruft. Also das fände ich wirklich unangemessen, wenn dort jemand plötzlich etwas hineingeschrien hätte. Der Gast ist ja nicht dafür da um mitzudiskutieren, sondern er ist Zuschauer. Wenn jemand seine eigene Meinung einbringen möchte, muss er zu Sendungen gehen, wo das vorgesehen ist.

Du kannst das auch nicht mit Pelzig vergleichen, der hat eine ganz andere Art von Abendsendung. Pelzig würde ich eher als Unterhaltung oder fast schon Kabarett einstufen und wenn Dir das besser gefällt als Jauchs Show dann weißt Du ja sicherlich, wo sich Deine Fernbedienung befindet ;)

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von ten points am 01.10.2011, 17:34, insgesamt 2-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Zitronengras hat geschrieben:[...] Klar würde ich auch gerne so viel wie Günther Jauch verdienen und sicherlich halten die Titel der Sendungen nicht immer das ein, was man auf den ersten Blick erwarte, aber dann schaltet man halt um und deswegen auf dem Moderator herumzuhacken finde ich auch unangemessen.

Im Prinzip ist mir egal, was einer verdient. Nur sind wir nicht im Privatfernsehen. Wir sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und da verlange ich von jemanden, der in einer Minute so viel verdient, wie der Durchschnittsverdiener nicht mal in einem Monat, dass er wenigstens im Ansatz so etwas wie den kritischen Journalisten gibt. Obwohl, ehrlich gesagt wäre es nur recht und billig, bei einem Minutenpreis für Jauchs Firma von ca. 4400 €, auch journalistische Spitzenarbeit zu verlangen.

Wenn er dann aber nur die Funktion eines Stichwortgebers für eine Kanzlerin gibt, die dort hemmungslos ihre Vorstellungen von schwäbischer Volkswirtschaft von sich geben kann und so immer wieder zu Kritik einlädt, Jauch aber ein um das andere Mal wieder nicht nachhakt, dann könnte man uns Gebührenzahlern auch viel Geld sparen und stattdessen z. B. eine nette Kindersendung produzieren.

Zitronengras hat geschrieben:[...] Ein Journalist muss doch aber auch nicht unbedingt kritische Fragen stellen, es kann doch auch Ziel sein, eben vorwiegend Verständnisfragen einzusetzen und sich etwas erklären zu lassen [...]

Was? Wie bitte? Und dafür zahlen wir Gebührenzahler so viel Geld? Da könnte man aber auch die nächstbeste, schwatzhafte Frieseurin dorthin setzen, die sicher für eine geringe Gage in Höhe ihres Monatslohns ähnliche Fragen stellen könnte. Ich bin mir sicher, ein paar Pappkärtchen in der Hand halten und Fragen ablesen, das sollte nahezu jeder können. Das Problem ist, dass Jauch eben vor Kärtchen und Leserei vergisst nachzuhaken, wenn sich Gelegenheiten auftun. Das was da lief, war eine öffentlich-rechtliche Werbesendung für Frau Merkel.

Wie gesagt: Bei einem privaten Sender, egal. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Bank vor Unternehmern, egal. Aber im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, ist es wohl legitim, für Spitzengeld, gute Leistung zu verlangen.

Zitronengras hat geschrieben:[...]Ich schaue mir oft solche Talksendungen an und habe es noch nie erlebt, dass jemand aus dem Publikum sich ungefragt eingemischt hat.

Von wegen, schau mal hier ...

Zitronengras hat geschrieben:[...]Du kannst das auch nicht mit Pelzig vergleichen, der hat eine ganz andere Art von Abendsendung. Pelzig würde ich eher als Unterhaltung oder fast schon Kabarett einstufen[...]

Natürlich ist Pelzig (bzw. Barwasser) ein wunderbarer Kabarettist, er ist aber auch - oh Wunder - Journalist. Und er hat mal zur Süddeutschen was gesagt, was Jauch sich mal zu Herzen nehmen sollte, nämlich, dass der Biss seiner Sendung nicht von der Quote abhängt, sondern von den Themen.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Im Prinzip ist mir egal, was einer verdient. Nur sind wir nicht im Privatfernsehen. Wir sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und da verlange ich von jemanden, der in einer Minute so viel verdient, wie der Durchschnittsverdiener nicht mal in einem Monat, dass er wenigstens im Ansatz so etwas wie den kritischen Journalisten gibt. Obwohl, ehrlich gesagt wäre es nur recht und billig, bei einem Minutenpreis für Jauchs Firma von ca. 4400 €, auch journalistische Spitzenarbeit zu verlangen.


Du verlangst aber, dass ein Moderator mit hohem Gehalt Deine Ansprüche an eine Politik-Talk-Show erfüllen muss, ungeachtet dessen, ob die Mehrheit der Zuschauer Deine Anforderungen teilt. Für Dich ist ein guter Journalist nur derjenige, der kritische Fragen stellt, aber ich denke, dass Journalismus darüber hinaus geht und auch einfach nur ein Informieren oder Erklären-Lassen beeinhalten kann.

D.h. Journalismus kann daraus bestehen, kritische Fragen zu stellen und zu konfrontieren, aber man kann journalistisches Arbeiten auch anders gestalten. Nur weil eine Sendung nicht Deinem Geschmack entspricht, heißt das ja nicht, dass sie generell schlecht ist. Herr Jauch geht eben nur anders vor als Du Dir das wünscht - aber seine Art, Interviews zu führen, kennt man ja schon von z.B. Stern TV und die Tatsache, dass er so beliebt ist, hängt vielleicht gerade damit zusammen, dass viele Zuschauer diese ständige Konfrontation von Meinungen nicht möchten. Vielleicht möchten viele eben keine "Sendung mit Biss", weil dieses ständige Gestreite und Aufeinander-Herumgehacke anderer Shows ja auch nicht jedem gefällt.

Die Fernsehlandschaft bietet doch genug Alternativen und man muss sich nicht an einer Sendung festbeißen. Auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern existieren zahlreiche andere Formate, die Dir vielleicht besser gefallen könnten. Du kannst aber nicht fordern, dass alles, was auf den öffentlich-rechtlichen Sendern läuft unbedingt Deinem Geschmack entsprechen muss.

Aber im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, ist es wohl legitim, für Spitzengeld, gute Leistung zu verlangen.


Zum einen ist das Programm unabhängig von Deinen Gebührenzahlungen, damit erwirbst Du Dir keinen Einfluss auf die Programmgestaltung und zum anderen kannst Du ja umschalten. Warum regst Du Dich nur über das Programm auf? Ist es das denn wert? Sowohl die privaten als auch die öffentlichen Programme bieten doch so eine Vielfalt an Angeboten, da wird es doch bestimmt etwas geben, was Du Dir ansehen kannst, so dass Du Dich nicht über Jauchs Sendung aufregen musst.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Zitronengras hat geschrieben:[...]Du verlangst aber, dass ein Moderator mit hohem Gehalt Deine Ansprüche an eine Politik-Talk-Show erfüllen muss, ungeachtet dessen, ob die Mehrheit der Zuschauer Deine Anforderungen teilt.

Der Haken ist, dass wir vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk reden und da möchte ich ungerne Regierungspropaganda präsentiert bekommen. Was ist denn Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Es ist die Wahrung politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Das ist aber problematisch, wenn selbst auf offensichtlich inhaltlich falsche Aussagen des Gastes, die bereits mehrfach vorher in der Presse und den Medien ähnlich unreflektiert quergekaut wurden, keine Nachfrage kommt. Das ist Arbeitsverweigerung der Moderation. Bei dieser 1:1 Situation ist auch kein Krawall zu erwarten, wie es manchmal in diesen Sendungen der Fall ist, wenn alle auf einmal reden. Teure, wertvolle Zeit war da, Gelegenheit war da. Was kam? Eine PR-Veranstaltung.

Zitronengras hat geschrieben:[...]Für Dich ist ein guter Journalist nur derjenige, der kritische Fragen stellt, aber ich denke, dass Journalismus darüber hinaus geht und auch einfach nur ein Informieren oder Erklären-Lassen beeinhalten kann.

Ist das nicht eher anders herum. Die Grundaufgabe ist die der Informationsvermittlung. Das ist nun nicht so schwierig und das können viele. Natürlich kann man es schön verpacken, vielleicht auch unterhaltsam gestalten. Nur verlange ich von einem guten Journalismus natürlich deutlich mehr - selbstverständlich.

Was Frau Merkel da an bekannten Plattitüden von sich gegeben hat, dem konnte sich jeder halbwegs informierte Medienkonsument seit Wochen in schwarz, weiß und bunt auf allen möglichen Medienkanälen doch kaum entziehen. Insofern wurde hier lediglich wiederholt, was Kanzlerin seit geraumer Zeit zu verkaufen versucht. Dafür nutzt sie wohlwissend, ausgerechnet den Medienmann, der bekanntermaßen bei den Fernsehzuschauern das vermutlich höchste Vertrauen von allen besitzt. So wie Unternehmen Testimonials benutzen, lief das auch hier. Ich nenne so etwas eine Monkey-Show.

Zitronengras hat geschrieben:[...]Die Fernsehlandschaft bietet doch genug Alternativen und man muss sich nicht an einer Sendung festbeißen.

Was den politischen Diskurs und kritische Beiträge abseits der Regierungsmeinung anbetrifft, sieht es aber leider ziemlich dunkel aus. Die Talk-Shows fallen leider komplett raus. Mein Blutdruck, ne das geht nicht :wink:

Zitronengras hat geschrieben:[...] Warum regst Du Dich nur über das Programm auf? Ist es das denn wert? [...], so dass Du Dich nicht über Jauchs Sendung aufregen musst.

Hä? Das ist ein Diskussionsforum, da diskutiert man nun mal über allgemeine und speziellere Themen. Beißen tut da keiner. Wir wollen doch alle nur spielen.

Bin ich der einzige Spinner, der das mit Jauch kritisch sieht? Schauen wir mal quer durch die bunte Medienlandschaft: Bei der Süddeutschen trifft der Schwiegersohn die Mutti und man kritisiert einen zwar kritischen Moderator, der aber bei ausweichenden Antworten nicht hartnäckig nachfragt. Bei stern.de titelte man von einer Werbeveranstaltung ohne Botschaft. Welt-Online sprach von einer großen Euro-Werbeshow und von Jauch als bravem Hofjournalisten. Die werfen ihm vor, er hätte mehr führen, fordern und konfrontieren müssen. Das Hamburger Abendblatt fragt, ob Merkel bei Jauch war oder Jauch bei Merkel? Sie bezeichnen Jauch als Fernsehbubi. Dem Handelsblatt fiel auch das seltsame Verhalten der Zuschauer auf, auch hier die Rede von einer Euro-Lehrveranstaltung der Kanzlerin und davon, dass Jauch die Kanzlerin mit Kritik weitestgehend verschonte. Der Tagesspiegel wirft Jauch vor, nicht nachzuhaken, wo nötig und wundert sich über den Applaus. Vermutung: Die Junge Union Zehlendorf muss wohl komplett vor Ort gewesen sein. Das Medienmagazin Berliner Journalisten (NITRO) fasst zusammen, dass es eben nicht Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Journalisten sein kann, der Regierung ein Bühne zur Präsentation der Regierungspolitik zu geben und für diese Propaganda auch noch das Geld der Gebührenzahler einzusetzen. Sag ich doch.

Benutzeravatar

» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^