Wie seht ihr heute die Erziehung eurer Eltern?

Servus

Ich erinnere mich kaum an Erziehung durch meinen Vater. Der hat seine Familie nämlich verlassen, als ich noch ziemlich jung war. Während seiner Vaterzeit allerdings war er ziemlich seltsam. Man konnte nicht richtig mit ihm sprechen, obwohl er wohl versucht hat, es richtig zu machen. Wir fanden aber irgendwie keinen Draht zu ihm, er war zuweilen auch recht streng.

Größtenteils wurde ich von meiner Großmutter und ihrer Schwester erzogen, leider im alten Stil mit Hausmütterchen und so, da waren extravagante Dinge nicht drin. Damit meine ich die Bundeswehrausstellung damals, zu der wir mit der Klasse marschiert sind und wo man einen Hubschrauberflug gewinnen konnte. Vorausgesetzt, man gewann, brauchte man aber die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten, und weil meine Mam damals im Urlaub war, bekam ich eben diese Erlaubnis nicht von meinen alten Damen. Ansonsten war die Erziehung durch die alten Mädchen nicht schlecht, ein bisschen altbacken vielleicht, was die Männerwelt betraf, aber ansonsten ging es. Nur in den Kindergarten ging ich damals nicht, die alten Damen waren ja für mich da.

Meine Lieblingserzieherin, meine Mutsch, war natürlich große Klasse. Wenn sie von der Arbeit kam, konnte ich mit ihr über alles sprechen, sie hat mir auf ihre unnachahmlich liebevolle Weise Kochen beigebracht, war nicht so eingefahren, was die Männerwelt betraf und war und ist mir auch heute noch eine verflixt liebe Freundin.
Streng war sie nie, selbst wenn ich eine Schularbeit versemmelt hatte oder als ich Sitzen geblieben bin. Sie hat die Ehrenrunde zwar mit einem schiefen Blick zur Kenntnis genommen, aber mir dann gesagt, dass ich eben nochmal Zeit hätte, alles nochmal neu zu lernen und dann zu verstehen. Es sei kein Beinbruch.

Ich habe sehr viel gelernt bei meiner Erziehung durch meine Mutter. Zum Beispiel, dass ich Dinge, die ich mir nicht leisten kann, auch nicht brauche. Und wenn ich der Meinung bin, sie DOCH zu brauchen, kann ich drauf sparen und mich dabei darauf freuen. Ich habe bei ihr eine geniale Erziehung zur Bescheidenheit und zum Anstand erlebt, von der ich heute noch profitiere. Konsumzwang wurde mir nicht anerzogen, auch nicht, dass man unbedingt jeden Trend mitmachen muss. Individualität habe ich auch von ihr gelernt.

Im Grunde war und ist Mutsch bei meiner Erziehung immer wie eine große Schwester für mich, hat mir oft genug Dinge erlaubt, die niemand sonst so leicht erlaubt hätte und mich so oft es ging, unterstützt. Ich konnte und kann auch jetzt noch mit allen Problemen zu ihr kommen.

Ich glaube, ihre Erziehungsmethode, die ich auch bei meiner Tochter angewendet habe, ist eine sehr positive gewesen und manchmal versucht sie mich heute noch damit zu erziehen.

Mein Vater hat mich eigentlich gar nicht erzogen. Die komplette Erziehung die ich hatte, ging von meiner Mutter aus. Mein Vater war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und damit sich mit meiner Mutter zu streiten. Er hat sich entweder wenig für uns interessiert oder versucht uns gegen unsere Mutter auszuspielen, indem er uns Sachen erlaubt, die sie uns nicht erlaubt hat.

Wenn ich an meine Kindheit denke, denke ich einerseits daran, dass ich ein fröhliches Kind war und es eigentlich viele schöne Dinge gab. Auf der anderen Seite denke ich aber auch daran, wie mein Vater meine Mutter bedroht hat und wie ich nachts manchmal heimlich geweint habe, weil ich Angst hatte, dass er sie irgendwann umbringt. Ich habe nie mitbekommen, dass er sie schlägt. Das einzige an das ich mich wage erinnerern kann, ist eine Glastür die kaputt gegangen ist, weil mein Vater sie dagegen geschubst hat. Von Erzählungen meiner Mutter weiß ich aber, dass er sie bevor mein Bruder und ich da waren geschlagen hat, ob später auch noch weiß ich nicht.

Meine Mutter hat immer mal wieder versucht sich von ihm zu trennen, aber bis zu meinem 10. oder 11. Lebensjahr war das bedeutendste das sie geschafft hat. mit uns zu ihrer Mutter zu fahren, mich dort einzuschulen und eine Woche später wieder zu ihm zurückzugehen. Als sie sich letztendlich von ihm getrennt hat, ist er aber die nächsten 3-4 Jahre immer mal wieder für ein paar Monate bei uns gewesen und es war genauso schlimm wie bevor sie sich getrennt hatten.

Meine Mutter hat wohl auch heute noch Schuldgefühle, weil sie sich nicht eher von ihm getrennt hat und so hat sie immer versucht alles für uns zu machen und uns damit nicht wirklich zur Selbstständigkeit erzogen. Wir mussten nie zuhause mithelfen, sie hat zwar manchmal deswegen geschimpft, aber Konsequenzen gab es letztendlich keine. Sie hat uns nicht mal die einfachsten Dinge beigebracht, so dass ich mir heute noch ziemlich blöd vorkomme, weil ich manches immer noch nicht kann, was für andere in meinem Alter selbstverständlich ist. Ich wohne zur Zeit noch zuhause, aber irgendwann werde ich ausziehen und dann werde ich mir das eben selber beibringen müssen.

Was mich auch stört, ist dass sie alles für meinen Bruder macht. Sie ist abends todmüde von der Arbeit und fährt ihn noch durch die Gegend, damit er sich irgendwo zusaufen kann. Oft übernehme ich das dann, weil ich weiß, dass wenn ich das nicht mache, sie ihn wieder fahren wird.

Sie hat ihr Girokonto bis zum Maximum überzogen, leistet sich nichts mehr und gibt ihm aber trotzdem jedes Jahr Geld, damit der arme Kerl auch ja in den Urlaub fahren und nicht hinter seinen Kumpels zurückstecken muss. Das alles macht mich so wütend, aber dagegen machen kann ich nichts.

Um noch mal auf meine Kindheit zurückzukommen: Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter oder mein Vater jemals großartig mit uns gespielt haben. Mein Bruder und ich haben uns meistens selber beschäftigt und haben in unserem großen Garten oder in unseren Zimmern gespielt. Ich weiß, dass sie uns früher abends vorgelesen hat, aber an gemeinsames Spielen oder Familienausflüge kann ich mich nicht erinnern und das macht mich auch irgendwie traurig.