Montagsdemonstrationen in der DDR

vom 15.09.2011, 17:02 Uhr

Ich möchte hier etwas zum Thema der Montagsdemonstrationen der DDR schreiben. Wie steht ihr heute zu dem Thema? Und vor allem, wäre so etwas heute auch noch möglich, ist es vielleicht sogar vergleichbar mit den Revolutionen in Nordafrika? Aber nun erst einmal etwas zum Beginn der Revolutionen in Leipzig: Schon seit Mitte der 1980er Jahre fanden in Leipzig Friedensgebete, vor allem in der Nikolaikirche statt. Die erste Montagsdemonstration war am 4.September 1989. Im Wissen, das schon viele DDR-Bürger über die geöffnete Grenze in Ungarn in den Westen geflohen sind, versuchten Oppositionelle mit Transparenten für Demokratie, Pressefreiheit und offene Grenzen in der Leipziger Innenstadt zu demonstrieren.

Doch das MfS griff mit großer Härte ein und riss die Plakate der Demonstranten nieder, verhängte hohe Ordnungsstrafen und sperrte „Oppositionelle“ in Untersuchungshaft . Dieses Durchgreifen erntete schon vereinzelte „Stasi raus!“ Rufe. Doch statt der erhofften Abschreckung, kam es zu einer erneuten Demonstration am 25.September 1989 mit nun schon knapp 5000 Demonstranten. Leipzig wurde von einer Welle der Erneuerung und Veränderung gepackt, sodass am 2.Oktober 20.000 Menschen auf die Straße gingen. Doch an diesem Tag hatte die Regierung vorgesorgt und die Staatssicherheit sowie die Volkspolizei gingen mit brutalster Härte gegen die friedlichen Demonstranten vor.

» fler93 » Beiträge: 42 » Talkpoints: 17,09 »



Nur so als Hinweis, was leider immer wieder falsch gelehrt wird. Die Demonstrationen im Herbst 1989 haben nicht in Leipzig begonnen, sondern in Plauen im Vogtland. Nur leider hatten damals die Medien das Hauptaugenmerk auf Leipzig, weil die Stadt eben größer und wirtschaftlich gesehen auch wichtiger gewesen ist.

Ansonsten kann man es nicht mit den Revolutionen in Nordafrika vergleichen, da damals von Seiten der Demonstranten gewaltlos bleiben sollte. Nur wurde halt von oben angeordnet, das Polizei und Armee gegen die Demonstranten vorgehen sollen. Allerdings wurden immer mehr die Befehle innerhalb der Armee verweigert, so das es kaum zu Eskalationen gekommen ist, welche wirklich spektakulär wären.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Man darf aber auch nichts schön reden, denn gewaltlos ist es nun nicht geblieben. Richtig ist allerdings, dass es im Voigtland begonnen hat. Aber die Gewalt war am stärksten natürlich auf der Seite des Staates, allerdings war auch ein Teil der Demonstranten zur Gewalt bereit. Diese Stasi hatte viel Leute körperliche und geistige Schäden zugefügt und hier wollte einige Leute eben Rache dafür. Auch in meiner Heimatstadt blieb es nicht so friedlich, aber das passte damals eben nicht in die Medien.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich habe auch nicht gesagt, das es gewaltlos geblieben ist. Allerdings wurden wirklich die Schießbefehle durch die Armee verweigert, was tausenden Menschen das Leben gerettet hat. Und auch unter den Demonstranten waren Leute der Staatssicherheit, welche nur die Aufgabe hatten dort Gewalt durch Provokation zu schüren.

Und ich selbst habe in Plauen im Vogtland auf dem oberen Bahnhof gestanden, als die Züge von Prag nach Hof fuhren und dort den letzten Halt hatten. Heute würde ich da mit Sicherheit nicht mehr durch Massen von bewaffneten Leuten spazieren um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Aber mit 16 Jahren war man sich der Gefahr gar nicht so bewusst und fand das alles irgendwie noch recht aufregend, wenn da Leute freundlich gebeten wurden mitzukommen, weil direkt von einem Fremden aus dem Zug ein Auto geschenkt bekommen haben.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Punktedieb hat geschrieben:Die Demonstrationen im Herbst 1989 haben nicht in Leipzig begonnen, sondern in Plauen im Vogtland.


Wo jetzt verbrieft die erste Montagsdemo stattfand ist doch eigentlich egal. Fakt ist doch wo diese Demos starteten, war doch die DDR faktisch schon handlungsunfähig. Was die DDR ursächlich von innen ausgehöhlt und zum Zusammenbruch gebracht hat, waren die Millionen von Ausreiseanträgen. Waren diese in den 70´ern noch eher die Ausnahme, sind sie dann in den 80´ern förmlich explodiert. Mitte der 80´er sollen ja schon etwa drei Millionen Anträge vorgelegen haben und täglich wurden es Tausend mehr.

Ja, und dann machen 1989 auch noch die Ungarn ihre Grenzen "durchlässig", die Tschechen haben auch keine richtige Lust die Botschaftsflüchtlinge aufzuhalten und mit dieser Situation waren die DDR-Machthaber nun völlig überfordert. Die Montags-Demos waren jetzt nur noch das Sahnehäubchen, aber keineswegs der Auslöser des DDR Zusammenbruchs. Ich habe da ein etwas zwiegespaltenes Verhältnis zu den Montags-Demos, Mitte der 80´er hat man keinen dieser "Helden" gesehen.

Da hat man schön hinter dem Kachelofen gesessen und um Himmels willen ja nicht auffallen. Mit Sicherheit hat sich noch ein paar Jahre zuvor die Mehrzahl der Demonstranten mit dem System arrangiert und wurde zusehends breiter wenn man dann in Form eines FDGB-Ferienplatzes oder einer Jugendtourist-Reise belobigt wurde. Auslöser und Helden der Wende gibt es sicher einige aufzuzählen, die Montagsdemos waren es jedoch mit Sicherheit nicht.

» muldental » Beiträge: 112 » Talkpoints: 45,41 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich kann dir versichern dass jeder der daran teilgenommen hatte unter einer riesigen Anspannung stand. Ich möchte behaupten dass jeder Angst hatte und nur die starke Gemeinschaft der Gleichgesinnten verhinderte dass man nicht den Mut verlor. Jeder wusste dass die Staatsicherheit auch ihre Spitzel in den Gesprächsrunden in den Kirchen hatte und auch die Leute fotografierte die diese Stätten betraten. Niemand machte sich darüber Illusionen was passieren könnte wenn es zu ernsthaften Auseinandersetzungen kam, fast jeder kannte jemanden der schon über Zuführungen und Prügelorgien der Sicherheitsorgane aus eigenem Erleben berichten konnte. Selbst harmlose Passanten die zufällig vorbei kamen wurden anfangs niedergeknüppelt als noch versucht wurde diese Zusammenrottungen im Keim zu ersticken. Auch der Gedanke an die Familie und die Kinder ist nicht ohne, es drohte ja immer die Heimeinweisung der Kinder und das Ende der eigenen Karriere und der des Partners.

Ich finde es wirklich gut wenn du dich mit diesem Thema beschäftigst und du dich auch hier im Forum dazu umhörst. Wenn du wirklich gutes Material über diese Zeit lesen willst dann vertraue nicht auf die heutigen Erinnerungen einiger Zeitzeugen sondern setze auf Literatur die in diesen Wendetagen erschienen ist. Unter anderem könnte ich dir da das Buch „100 Tage die die DDR erschütterten“ empfehlen. Hier wird protokollartig jeder Tag beschrieben und man bekommt einen guten Eindruck wie sich alles so entwickelte. Angefangen vom Verbot des „Sputniks“ (eine sehr beliebte Zeitung aus der ehemaligen UdSSR) weil er plötzlich keinen Beitrag mehr zur Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft leistete bis zu den amtlichen Mitteilungen der Medien und den Einschätzungen der Staatssicherheit. Gegenübergestellt sind dann immer Gedächtnisprotokolle von Zuführungen und Verhören sowie die wahren Ereignisse und Begebenheiten.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich wollte nun hier noch einmal meinen Beitrag vervollständigen, denn es ging ja wie ihr sicher alle wisst nicht nur bis zum 2.Oktober 1982. Die SED stationierte vorbereitend auf die Demonstration des 9.Oktobers mehrere Polizei Hundertschaften, NVA-Eingreiftruppen, sowie speziell ausgebildete Einheiten der Staatssicherheit in und um Leipzig. Des weiteren fanden die ganze Woche verstärkt Hausdurchsuchungen sowie massive Einschüchterungen der Bevölkerung durch die Staatssicherheit statt.

Dann kam er, der 9.Oktober 89 der alles verändern sollte. Nach dem Friedensgebet gingen 70.000Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten mit friedlicher Absicht, hatten aber alle die blutigen Massaker in China im Kopf. Doch dass hinderte sie nicht daran, den Leipziger Ring einmal zu umrunden. Diesmal griffen die Sicherheitskräfte nicht ein und die befürchteten Zusammenstöße blieben aus.

Doch wie kam es zu diesem „Wunder von Leipzig“ wie es Kurt Masur nannte? Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wer den Befehl zum Rückzug der Truppen gab. Egon Krenz behauptete, das er den Befehl schon im Vorfeld gegeben habe. Doch verschiedene andere Quellen besagen, dass dieser nicht an sein Telefon ging, als die Befehlshaber aus Leipzig anriefen, um nach einer Entscheidung zu fragen. Die Bevölkerung kam dem Aufruf von Kurt Masur (ehemaliger Gewandhaus-Kapellmeister), Theologe Peter Zimmermann und Kabarettist Bernd Lutz Lange zur friedlichen Demonstration an diesem Tag nach.

» fler93 » Beiträge: 42 » Talkpoints: 17,09 »



Egon Krenz hatte damit überhaupt nichts zu tun, denn dieser war nämlich sturz betrunken. Jeder wusste oder besser gesagt der Buschfunk brachte es ans Licht, dass Egon Krenz eben ein Alkoholiker war. Das Wunder von Leipzig war wirklich ein echtes Wunder, denn niemand hat hier oder besser gesagt damals an ein friedliches Ende gedacht.

Auch das beiderseitige Gewaltaufkommen konnte damals niemand genau einschätzen, denn zu viele Interessen spielten dabei eine Rolle. Niemand wollte nämlich etwas verlieren, denn besonders die Machthaber hatten Angst. Und fast niemand dachte eben damals schon an eine Wiedervereinigung, denn das konnte sich niemand wirklich real vorstellen. Die DDR war nämlich wirtschaftlich total kaputt und das brachte viele Leute auf die Demonstration, um auch unter anderen für eine bessere Versorgung der Bevölkerung zu demonstrieren.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


@karlchen: Meinst du wirklich dass die bessere Versorgung ein Thema war? Ich mag mich irren, aber vorwiegend ging es doch um Reisefreiheit, den Betrug bei den Wahlen und um die Freiheit der Andersdenkenden. Auch die Zulassung des Neuen Forums war ein Thema weil es mit der Begründung abgelehnt wurde dass so eine Vereinigung nicht in der demokratischen DDR erforderlich war. "Stasi in die Produktion" kam erst später.

Ich stimme dir aber zu, an die Wiedervereinigung hatte niemand gedacht, auch das Neue Forum propagierte zuerst so eine Art demokratischen Sozialismus. Egon Krenz war allen verhasst und seine Antrittsrede reizte zu Lachanfällen. Ich sehe ihn noch vor mir auf einem Plakat mit der Aufschrift "Großmutter, warum hast du so große Zähne?" Ein Wunder ist es aber wirklich warum keine Schusswaffen eingesetzt wurden. Ich denke auch dass die grausigen Bilder aus China dabei eine Rolle spielten. In der "Jungen Welt" wurde zum Beispiel ein Foto veröffentlicht was einen zur Mumie verbrannten Soldaten zeigte.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


@hooker
Auch die bessere Versorgung der Menschen war damals mit ein Thema von vielen. Allerdings haben wir hier ein Aspekt überhaupt noch nicht direkt betrachtet, nämlich die reale Angst der meisten Menschen. Die ganz normale Angst vor den Veränderungen herrschte doch nach den Montagsdemos. Niemand konnte sagen was sich nun alles verändern wird. Alle Menschen wussten aber das es einige Veränderungen geben wird.

Beispielsweise war damals das Neue Forum auch noch nicht sehr organisiert und sie hatten auch keine klaren Vorstellung von genauen Veränderungen. Manches konnte man damals einfach überhaupt nicht mehr realisieren. Das haben allerdings auch damals die wenigsten Menschen direkt begriffen. So erlebten manche Leute die Wende überhaupt nicht wie sie in der Realität wirklich war.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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