Erfahrung: Studentenverbindungen?
Zitronengras hat geschrieben:Wie wollt ihr Verständnis für das Verbindungsleben wecken, wenn ihr euch lieber versteckt? Üblicherweise würde man sich als Organisation aktiv öffnen, man würde auf seine Kritiker zugehen, PR-Arbeit leisten und sich von den Pfannen in den Burschenschaften, mit denen ihr ja hoffentlich nichts zu tun habt, lautstark distanzieren.
Genau das ist ja auch passiert, es gab dazu Stellungnahmen verschiedener Bünde und auch verbindungsübergreifender Organisationen; aber mehr als Pressemitteilungen schrieben oder bei Diskussionsveranstaltungen anwesend sein, kann man nicht.
Ihr habt, neben den beschriebenen Problemen, natürlich noch ein grundsätzliches Problem. Euch hängt der Mief einer etwas konservativen Haltung an und der liegt ja nun wohl auch irgendwie in der Natur der Sache. Dass ihr da aber nun nicht mehr Möglichkeiten seht, als Pressemitteilungen und Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen, ist aber schon ein Ding. Wendet euch doch z. B. an die entsprechenden Leute aus dem Fachbereich Wiwi oder Betriebswirtschaft und versucht mit Marketingleuten dem Problem ein bisschen näher zu kommen. Fraglich ist für mich allerdings, ob bei der ganzen autoritären Struktur und den verschiedenen Ausprägungen der ganzen Nummer, so eine Art "Graswurzelbewegung" überhaupt möglich ist, oder ob ihr euch da nicht selber im Weg steht, weil das Problem nur "von oben" gelöst werden kann, man da oben aber die Dinge lieber so lässt, wie sie sind?
Also zunächst einmal gibt es kein gemeinsames Werbeprojekt, denn es existieren zig verschiedene Verbindungen und diese gehören wiederum verschiedenen Dachverbänden an. Welche konkreten Maßnahmen im Bereich Werbung oder Marketing die einzelnen Verbindungen oder Dachverbände initiieren, weiß ich nicht und das lässt sich auch schlecht koordinieren. Das wäre so, als würden verschiedenste Parteien Werbung für ein und dieselbe Sache machen.
Außerdem gibt es sicherlich in den meisten Verbindungen auch Mitglieder, die aus der Betriebswirtschaft stammen, aber was sollen die denn machen? Einen schönen Werbeflyer oder Werbespot entwerfen? Die Möglichkeiten von Marketing sind begrenzt und können kein kollektives Umdenken bewirken.
Das Problem ist ja auch nicht die mangelnde Selbstvermarktung der Verbindungen, sondern dass es Leute gibt – insbesondere in bestimmten politischen Kreisen – die etwas konservativere Werte oder Strukturen als etwas Schlimmes und Verwerfliches ansehen und meinen, die müssten dagegen vorgehen. Was hier fehlt, ist Toleranz anderen gegenüber, dass es nicht heißt „ich würde da zwar nicht mitmachen, aber ich habe nichts gegen Verbindungsstudenten“, sondern „ die haben konservative Werte, das sind schlechte Menschen“.
Und dieses Tellerranddenken ist kein Vermarktungsproblem, sondern ein persönlicher Mangel bei denjenigen, die meinen, man müsste Verbindungen bekämpfen; es ist ein Mangel an Toleranz anderen gegenüber und ein Fehler in der Sozialisation, weil die Betreffenden nicht gelernt haben, auch andere Lebensweisen zu akzeptieren.
Zitronengras hat geschrieben:[...]Außerdem gibt es sicherlich in den meisten Verbindungen auch Mitglieder, die aus der Betriebswirtschaft stammen, aber was sollen die denn machen? Einen schönen Werbeflyer oder Werbespot entwerfen? Die Möglichkeiten von Marketing sind begrenzt und können kein kollektives Umdenken bewirken.
Du unterschätzt die Möglichkeiten. Natürlich lässt sich z. B. mit Hilfe von "guter" PR und einem guten Spin Doctor öffentliche Meinung verändern. Wir erleben das täglich. Warum sonst akzeptiert z. B. jeder unwidersprochen, dass die Ursache der wirtschaftlichen Probleme in Europa schlecht wirtschaftende Staaten wären? Warum ist ein Herr Steinbrück so beliebt? Warum nehmen wir bestimmte Haltungen ggü. Kriegsparteien ein? Warum hat und hatte Gutti so lange einen so starken Rückhalt. Und, und, und. Das wäre natürlich Aufgabe der Verbände, aber so wie ich das sehe, macht ihr euch durch den bunten Strauß an Angeboten und Verbänden und durch viele faule Eier im Nest, das Leben nicht gerade leicht.
Ihr müsst aber auch mal sehen, wie und warum andere euch so sehen, wie sie euch sehen. Das hat nicht pauschal mit fehlender Sozialisation zu tun, sondern ist zu großen Teilen ein Informationsdefizit. Gibt es denn eine Analyse darüber, wie solche Verbindungen in der Öffentlichkeit gesehen werden? Das wäre ja das erste, was ich in so einem Fall machen würde. Ich vermute, dass es in der Öffentlichkeit kein differenziertes Bild über Verbindungen gibt und die Meinung weitestgehend von den eigenartigen Burschenschaften bestimmt wird. Und ist es nicht so, dass sich der Protest v. a. gegen die Burschenschaften richtet? Der Rest läuft dann wohl unter dem Euphemismus "Kollateralschäden": Mitgegangen, mitgefangen. Solltet ihr ein mehr oder weniger harmloses, konservatives Kaffeekränzchen sein, heißt das für euch, ihr leidet, weil sich ein gewisser Teil von euch seltsam geriert. Ein Außenstehender kann nicht auseinander halten, was er da nun für eine Verbindung vor sich hat und deshalb ist das Image vermutlich auch so schlecht. Wir hier wissen ja z. B. bis jetzt auch noch nicht einmal, wovon wir in eurem Fall sprechen, denn jeder Verbindungsstudent wird seine Verbindung blumenreich darstellen.
Ihr fordert Toleranz ein. Das ist ja grundsätzlich nicht falsch. Es wirkt aber vielleicht für einen Außenstehenden, der vermutlich allenfalls ein von den auffälligen Burschenschaften einseitig geprägtes Bild von Studentenverbindungen hat, befremdlich, tolerant ggü. einem System sein zu sollen, das selbst so ganz und gar nicht tolerant wirkt und es auch in einigen Teilen faktisch nicht ist. Um ein paar Beispiele zu nennen: Sind denn solche Verbindungen nicht u. a. Strippenzieherclubs? "Vitamin B" trägt aber doch wohl schon im Kern die Intoleranz in sich, es grenzt ja absichtlich andere aus. Gründet nicht das Verbindungssystem in weiten Teilen auf einem autoritären Beziehungsgefüge, in dem Gehorsam viel wichtiger ist als Toleranz? Warum gibt es denn "so viele" Frauen in den Verbindungen (bekannt sind mir Zahlen von 1-5%)? Weil die Verbindungen so tolerant sind? Viele Verbindungen sind alles andere als tolerant und das "per Satzung". Insofern finde ich eure Forderung nach Toleranz auch ziemlich lustig. Dass das keine Brandanschläge o. ä. rechtfertigt, darüber müssen wir nicht reden, aber über ein negatives Image müssen sich die Verbindungen nun wirklich nicht wundern.
Kennt ihr eigentlich dieses Heft hier. Das scheint mir die einzige Übersicht über diese Thematik zu sein - gibt es ähnliches auch mal als Zusammenfassung von Seiten der Verbindungen? Bevor jemand los schreit, das käme ja aus der linken Ecke, das Heft weist ausdrücklich darauf hin, dass man bei der Thematik keinesfalls undifferenziert kritisieren dürfe. Ich kenne es aber nicht im Detail, es scheint mir aber keine "Hau drauf"-Lyrik zu sein.
Richtlinie2 hat geschrieben:Um ein paar Beispiele zu nennen: Sind denn solche Verbindungen nicht u. a. Strippenzieherclubs? "Vitamin B" trägt aber doch wohl schon im Kern die Intoleranz in sich, es grenzt ja absichtlich andere aus. Gründet nicht das Verbindungssystem in weiten Teilen auf einem autoritären Beziehungsgefüge, in dem Gehorsam viel wichtiger ist als Toleranz? Warum gibt es denn "so viele" Frauen in den Verbindungen (bekannt sind mir Zahlen von 1-5%)? Weil die Verbindungen so tolerant sind? Viele Verbindungen sind alles andere als tolerant und das "per Satzung". Insofern finde ich eure Forderung nach Toleranz auch ziemlich lustig. Dass das keine Brandanschläge o. ä. rechtfertigt, darüber müssen wir nicht reden, aber über ein negatives Image müssen sich die Verbindungen nun wirklich nicht wundern.
Kennt ihr eigentlich dieses Heft hier. Das scheint mir die einzige Übersicht über diese Thematik zu sein - gibt es ähnliches auch mal als Zusammenfassung von Seiten der Verbindungen? Bevor jemand los schreit, das käme ja aus der linken Ecke, das Heft weist ausdrücklich darauf hin, dass man bei der Thematik keinesfalls undifferenziert kritisieren dürfe. Ich kenne es aber nicht im Detail, es scheint mir aber keine "Hau drauf"-Lyrik zu sein.
Mit Marketingstrategien kenne ich mich nicht aus und ich selber bin auch kein Verbindungsstudent - ich habe einige Monate in einem Verbindungshaus gewohnt und aktiv am Verbindungsleben teilgenommen, mich aber nicht aktiv gemeldet, da ich mich mit der spezifischen Verbindung, einer Turnerverbindung, nicht identifizieren kann, da Sport nicht unbedingt zu meinen Hobbies zählt. Trotz meines Auszuges vor zwei Wochen bleibe ich der Verbindung weiterhin freundschaftlich verbunden und spüre immer noch ein Gefühl von Gemeinschaft, ein Wir-Gefühl, da mir die Leute so ans Herz gewachsen sind und das Verbindungsleben einfach toll war. Wäre es keine Sportverbindung, hätte ich mich garantiert auch aktiv gemeldet.
Deine Fragen zeugen allerdings mal wieder von Verallgemeinerung und Unwissenheit. Deshalb möchte ich - zumindest für meinen Fall - einmal aufklären, denn Verbindungen sind so unterschiedlich wie die einzelnen Parteien in der Politik, das war ein gutes Beispiel. Du kannst die Grünen schließlich auch nicht mit der PBC und die Naturgesetzepartei nicht mit der Linken in einen Topf werfen. Und trotzdem sind es alles Parteien, ja.
Zur Frauenquote: Innerhalb unseres Dachverbandes gibt es 41 Verbindungen in vielen Städten Deutschlands und 5 davon in Österreich. Es steht den einzelnen Verbindungen dieses Dachverbandes frei, über die Frauenfrage zu entscheiden und selbstverständlich steigt die Anzahl der gemischt geschlechtlichen Verbindungen von Jahr zu Jahr. Bei uns auf dem Haus wohnten wir zu zehnt - fünf Frauen, fünf Männer. Es gibt allerdings auch Verbindungen mit deutlichem Frauenüberschuss oder rein weibliche Verbindungen. Du siehst - eine Sache, die man nicht pauschalisieren kann.
Zum Vitamin B: Schwachsinn. Mir und auch den Senioren meiner Verbindung ist kein einziger Fall bekannt (bei uns zumindest), bei dem irgendwelche Vorteile durch Verbindungen zu Alten Damen und Herren zustande gekommen sind. Natürlich profitiert man von den Erfahrungen der Alten, im Gespräch, bei Vorträgen, Diskussionsabenden etc., aber soweit war es das auch. Die Alten Herren würden uns wahrscheinlich einen Vogel zeigen, wenn wir ihnen mit Vitamin B kommen würden.
Gehorsam wichtiger als Toleranz? Unfug. Gehorsam ist ein Fremdwort für liberale Verbindungen, wie uns zum Beispiel und es gibt noch unzählige mehr. Natürlich gibt es auch steile Burschenschaften, bei denen tut der Fux, was man ihm aufträgt, da heißt es dann "Fux, hol mir ein Bier" oder "Fux, räum die Küche auf" und der Fux hat zu spurten. Aber das ist keinesfalls die Regel und trifft in vielen Fällen eben auf die netten Kollegen zu, mit denen wir eben NICHT in einen Topf geworfen werden wollen.
Per Satzung intolerant? Ich weiß echt nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Zumindest unsere Satzung sagt deutlichst aus, dass keine politische, religiöse, weltanschauliche (...) Richtung verbindend verfolgt wird, jeder machen kann, was er will usw. Nichtdeutsche Studenten sind vielfach vertreten, ich selbst bin ja auch nur zur Hälfte deutsch. Viele Studenten, die aus dem Ausland kommen, nutzten beispielsweise unsere Verbindung, um erste Kontakte und eine Gemeinschaft im fremden Land zu finden. So zählen wir in unseren Reihen beispielsweise (männlich und weiblich) Russen, Kurden, Chinesen, Brasilianer, Engländer, Portugiesen... und auch homosexuelle Verbindungsmitglieder sind bei uns gern gesehen und keinesfalls eine Seltenheit. Es gibt Theologiestudenten unter den Aktiven genauso wie strikte Ablehner jeglicher Religion, es gibt Mitglieder, die bei den Grünen aktiv sind und andere, die die CDU unterstützen. Jeder kann machen, was er will.
Und das Heft, das du nennst, ist mir nicht bekannt, allerdings finde ich schon die Beschreibung hetzerisch, unzutreffend und unfair. Völkische Grundsätze, Ausschluss von Frauen, Deutsche Burschenschaften, Nationalismus, Antisemitismus, Militarismus - das alles in eine kurze Beschreibung eines überblicksartigen Werks über Studentenverbindungen in Deutschland? Da kann ja nichts Gutes bei raus kommen.
Ich denke, wir können Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit nicht mit gesellschaftlichen Strömungen oder gesellschaftlicher Meinungsbildung gleichsetzen. Es geht ja nicht um ein Thema, das viele betrifft oder interessiert, sondern wenn wir ehrlich sind, eher um etwas, das nur für ganz wenige eine Rolle spielt, nämlich für Studenten, die sich entweder selbst das Leben in einer Verbindung vorstellen können oder sehr linke oder auch linksextremistische Studenten, die Verbindungen mit unangemessener Härte bekämpfen.
Etwa drei Prozent aller Studenten sind Mitglied einer Verbindung (und darunter fasse ich mal sowohl Männer als auch Frauen) und da das Leben in einer Verbindung ja auch etwas speziell ist - viel gemeinsam unternehmen, viel vorbereiten, auch gewisse Verpflichtungen, gerade auch die Tradition - ist anzunehmen, dass vielleicht maximal jeder 15. oder 20. Student wirklich gut in einer Verbindung aufgehoben wäre. D.h. es gibt durchaus ein gewisses Potential an Mitgliedern, aber man sollte nicht davon ausgehen, dass einem irgendwann die Studenten die Türen einrennen.
Die andere Zielgruppe sind Studenten, die bisher Verbindungen gegenüber sehr negativ eingestellt sind. Hier wäre nicht zu erwarten, dass man die bekehrt, aber dass man ihnen zumindest erklärt, dass einige ihrer Vorurteile falsch sind und so einen freundlichen Dialog begünstigt. Aber genau das habe ich auch schon oft erlebt, dass Verbindungsmitglieder etwa im persönlichen Gespräch versuchen mit Verbindungsgegnern zu sprechen. Das hatte aber meist nur wenig Erfolg. Entweder verweigerte sich die Gegenseite dann komplett ("Ich spreche nicht mit Nazis") oder kommt immer wieder mit den gleichen ideologischen Totschlagargumenten. Da hat man das Gefühl, mit einer Wand zu reden.
Und ich muss schon sagen, dass ich das als Sozialisationsdefizit werte. Denn wenn mir jemand begegnet, der mir etwas berichtet, das ich nicht kenne oder irgendwo Mitglied ist, was ich bisher eher negativ kennen gelernt habe, dann kommen mir sicherlich auch erst einmal gewisse Vorurteile in den Sinn, aber ich lehne die Person deswegen nicht gleich komplett ab. Wenn ich das Gefühl habe, das jemand daran interessiert ist, mir etwas zu erklären oder an einem freundschaftlichen Gespräch, dann höre ich auch zu und verurteile nicht gleich. Eigentlich ist es mir sogar ziemlich egal, wo jemand Mitglied ist oder welche Wertvorstellungen jemand hat, so lange sich diese Person mir gegenüber freundlich verhält.
Genau das ist es, was ich mir auch von anderen wünschen würde, aber was ich bei Gegnern von Verbindungen oft nicht erlebe. Da hat man sich in einem Moment noch freundlich über sonstwas unterhalten und sobald man durchblicken lässt, dass man korporiert, schaltet der andere in den Ideologie-Abwehrmodus, wirft einem Vorurteile um den Kopf und hört gar nicht mehr zu.
Da habe ich dann natürlich keine Lust mehr, mich auf Diskussionen mit Verbindungsgegnern einzulassen; das ist mir dann auch zu schwierig, weil ich mich nicht andauernd rechtfertigen möchte.
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