Zu hohes Geltungsbedürfnis, wie geht man damit um?

Die Tochter geht in die Schule und war jetzt in den Ferien oft zu hause. Wenn ihre Mutter am Laptop ist, dann ist sie in der Nähe und "darf" auch alles. Deswegen ist sie immer dabei. Ich muss wohl klar stellen, dass das Mädchen wirklich nicht dick ist und sie ist auch hübsch und ich denke, dass sie es auch weiß. Sie kann auch Schokolade und andere Süßigkeiten essen, ohne dass sie zunimmt. Aber ich finde es unheimlich nervig, wenn sie mir per Skype ihr "Doppelkinn" zeigt und jammert. Wenn man dann nicht sagt "Ach quatsch, du bist schlank und du bist hübsch" ist sie nicht zufrieden.

Deswegen war sie ja auch so perplex, als ich ihr sagte, dass sie vollkommen Recht hat und sie mit den Süßigkeiten am besten aufhören soll, weil es sonst noch schlimmer wird. Mit der Mutter habe ich auch schon geredet und sie meint "Das braucht sie eben". Und was das Püppchen braucht, das bekommt sie auch.

Schrecklich, solche Eltern. Die Mutter denkt überhaupt nicht weiter, was mal werden soll, wenn jemand dem „Püppchen“ energisch stopp sagt. Die junge Frau hat es nicht gelernt, dass mal jemand die Wahrheit sagt. An der Reaktion auf deine Antwort, Diamante, konnte man das ja schon feststellen. Im Grunde genommen ist es schade, aber ich glaube, die Mutter will nur ihre Ruhe haben.

Es ist aber nicht die Aufgabe eines anderen, diese Person zu stoppen, Cid. Das ist aber wieder ein anderes Thema. Denn das Hauptthema ist ja das Geltungsbedürfnis der jungen Frau. Die Frage wegen des Gewichts ist ja scheinbar nur ein Punkt, an dem sich dieses übersteigerte Bedürfnis zeigt. Denn wenn es nur um das Gewicht geht, dann wäre es ja auch nicht auszuschließen, dass die junge Frau an einer Essstörung leidet. Daher würde ich aus heutiger Sicht nach Komplimenten fischende Personen nicht mehr so abfertigen. Allerdings gebe ich zu, dass ich das auch schon getan habe und die Person dann noch explizit auf eine vermeintliche Schwachstelle hingewiesen habe.

Wie gesagt: heute würde ich das nicht mehr tun. Wenn sich so ein Kind in die Gespräche der Mutter hinein drängt und die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, dann würde ich dem Kinde einfach sagen, dass ich mich jetzt mit seiner Mutter unterhalten möchte und mich gern später oder zu einem anderen Zeitpunkt mit ihm unterhalten kann. Das würde ich so auch der Mutter sagen, falls diese das so nicht verstehen kann und darum bittet, das Kind nicht so hart anzufassen. Immerhin ist die Tochter in dem Falle doch alt genug, dass sie das auch begreifen kann und eigentlich auch verinnerlicht haben sollte.

Für mich ist das eigentlich auch nichts weiter, als der klassische Fall eines verwöhnten Balges, dass es seit je her gewöhnt ist, dass zu hören zu bekommen, was es wollte und es daher auch im jungen Erwachsenenalter noch fordert. Ich finde das jetzt nicht weiter ungewöhnlich. Vermutlich war sie als Kind immer die kleine Prinzessin und als sie älter wurde und anfing mit dem gängigen Schönheitsideal zu kämpfen, brauchte sie eben die Zustimmung von Eltern und Bekannten, um sich gut zu fühlen und das Gefühl zu bekommen, den Normen und Werten der Gesellschaft in Sachen Körpermaße zu entsprechen. Natürlich haben die Eltern da immer mitgespielt, da sie das Kind eh von Anfang an verhätschelt haben, sind sie auch nicht auf die Idee gekommen, sie mal zurecht zu weisen. Es kommt ja schon vor, dass man seine Eltern fragt, ob sie einen dick finden oder generell einfach äußert, dass man mit seiner Figur unzufrieden ist, aber wenn das wiederholt vorkommt, ist das auch nicht mehr lustig und die Eltern sollten darauf auch nicht mehr eingehen.

Gewisserweise liegt hier somit also wiedermal ein Erziehungsdefekt vor, die Eltern verziehen das Kind, das Kind ist nicht in der Lage zurecht zu kommen ohne ständig Zustimmung und positive Rückmeldung von den Eltern und von anderen Bekannten zu erhalten. Letztendlich schaut mir das aber nicht so aus, als wäre sie wirklich mit ihrer Figur unzufrieden, entweder es geht ihr gar nicht um die eigene Figur, sondern wirklich einfach nur um die Zustimmung oder aber, sie fühlt sich ihrerseits schuldig, wenn sie vor dem Laptop sitzt und Süßigkeiten isst und möchte von anderen hören, dass sie nicht dick ist, damit sie diese Schuldgefühle beiseite drängen und guten Gewissens weiter futtern kann. So oder so, ihre Reaktion ist doch reichlich komisch für das Alter, denn die meisten Menschen entwickeln irgendwann auch sowas, was sich Selbstbewusstsein nennt, so dass man über dem 5. Lebensjahr meistens nicht mehr zu plärren anfängt, wenn man ein Schimpfwort an den Kopf bekommt oder jemand, in deinem Fall auch noch ironisch, meint man wäre dick. Diese Reaktion ist reichlich kindisch und für Jugendliche diesen Alters eigentlich nicht zumutbar.

Dennoch würde ich dir nicht zustimmen, wenn du meinst sie bräuchte Hilfe. Für eine Therapie oder dergleichen, ist sie definitiv nicht verkorkst genug, wenn ich das mal so sagen darf, denn irgendwo haben wir ja alle unsere Macken und bei ihr merkt man einfach sehr, dass es einfach daran liegt, dass sie früher zu viel Zustimmung erhalten hat und niemals gelernt hat, wirklich wegzustecken. Da braucht man meiner Ansicht nach keine Therapie, da reicht es, wenn das verwöhnte Blag mal ins richtige Leben kommt und dann nämlich erfährt, dass es auch nicht von jedem verhätschelt und gelobt wird, dass nicht alle ihre Figur loben und ihr gut zusprechen werden und sie auch einfach mal selbst zu sich stehen und ihre angeblichen Minderwertigkeitskomplexe hinten anstellen kann, weil nicht immer jemand da sein wird, der ihr den Kopf tätschelt. Mehr braucht sie meiner Meinung nach nicht.

Und was das Skypen angeht, ich würde ihre zukünftigen Kommentare bezüglich des Gewichts auch einfach mal ignorieren. Möglicherweise wird sie nach diesem Vorfall eh nicht mehr anfangen, davon zu reden und das Thema vor dir meiden, sollte es dennoch mal dazu kommen, würde ich einfach ein anderes Thema ansprechen und ihr Genörgel ignorieren oder aber, selbst anfangen, über das eigene Gewicht zu klagen. Ich bin mit meinem zwar ganz zufrieden, aber wenn sie über ihres meckern kann, dann ich auch und so kannst du ihr die eigene Person praktisch vorhalten, indem du von dir aus anfängst dich zu beklagen, wie hässlich du dich doch findest, mal schauen ob sie dann auch anfängt, dir gut zuzureden. Alternativ kannst du natürlich auch einfach klar machen, dass du ihr bereits letztes Mal und das Mal davor und das Mal davor gesagt hast, dass sie nicht dick ist.