Freundin im Stich gelassen?

Seit über 1,5 Jahren bin ich mit meiner Freundin zusammen (beide Mitte/Ende 20). Wir wohnen zusammen und haben schon eine Menge gemeinsam durchgestanden (sie ist chronisch krank, depressiv etc.). Unsere Beziehung stand aus verschiedenen gründen immer mal wieder auf der Kippe, doch wir haben uns immer wieder gefangen.

Heute gab es leider seit langem mal wieder richtig Stress. Folgende Situation (ist so was typisch in einer Beziehung?!): Ich bin gerade zu einem für mich recht wichtigen Termin (auf den ich mich zudem sehr gefreut hatte) losgefahren. Da ruft mich meine Freundin an und erzählt, sie habe eine Spinne in meinem Zimmer gefunden und ich müsse sofort heimkommen. Ich hatte etwas Zeitpuffer und habe umgedreht. Man muss dazu sagen, dass meine Freundin eine fast krankhafte Phobie gegen Spinnen hat und bereits beim Anblick in Panik und Weinkrämpfe ausbricht. Alle bisherigen Vorschläge meinerseits, sich deswegen mal behandeln zu lassen, sind nicht weiter verfolgt worden.

Ich kam jedenfalls heim, meine Freundin stand schon weinend im Flur. Sie meinte, ich solle das Vieh einsaugen. Ich nahm aber ein Küchentuch und das Teil war ziemlich schnell und auf einmal verschwunden. Ich konnte also in dem Moment erst mal nichts weiter machen und stand unter ziemlich starkem inneren Druck bzw. wollte losfahren. Mein Verständnis hielt und hält sich in Grenzen. Also schloss ich die Tür zu dem Zimmer, legte ein Handtuch an die Türritze und versuchte sie etwas zu beruhigen. Dies funktionierte aber nicht (sie ist dann überhaupt nicht ansprechbar und nur auf die Angst fixiert).

Daraufhin habe ich mich dazu entschieden (ein bisschen schon aus Trotz), jetzt einfach zu fahren. Ich meinte, ich würde mich später darum kümmern, die Spinne suchen (was mir auch gelungen ist, als ich wieder daheim war). Und ich dachte mir, ich könne ihr jetzt eh nicht helfen.

Ich musste mir nun daraufhin sagen lassen, ich würde mir erstens nichts sagen lassen (wegen Küchentuch statt Sauger) und zweitens hätte ich meine persönliche Interessen über ihre gestellt bzw. sie in einer subjektiven Notsituation (sie hat sie als solche empfunden) im Stich gelassen. Und sie hätte offensichtlich keinen Platz in meinem Leben (der Vorwurf fußt aber nicht nur auf diesem Vorfall: Ich bin stark ehrenamtlich aktiv und habe einfach viele Abendtermine).

Während ich bei dem Termin war, hat sie dann einen Besuch ihrer Mutter vorgezogen und ist für mindestens 2 Tage weggefahren. Was denkt ihr? Ich weiß schon, dass ich mich besser/nachgiebiger hätte verhalten können. Aber wie hättet ihr euch verhalten? Habe ich hier die "falschen" Prioritäten gesetzt?

Hmm na das ist natürlich eine sehr schwierige Situation. Wenn man sich in die Lage deiner Freundin reinversetzt dann hast du sie in einer Notsituation im Stich gelassen. Da man aber als rational denkender und gesunder Mensch weiß, dass eine Spinne in einem abgeschlossenen Zimmer keine Notsituation darstellt kann ich es sehr gut verstehen dass du dann gefahren bist. Um ehrlich zu sein muss ich aber auch sagen dass deine Freundin dies vielleicht auch gesagt hat weil sie einfach noch in ihrem Wahn war. Wenn du sie ein paar Tage später darauf ansprichst, meint sie dann immernoch du hast sie im Stich gelassen?

Du hast ja eigentlich versucht das Beste aus der Situation zu machen indem du das Zimmer zugesperrt und das Handtuch an die Ritze gelegt hast. Dass du nicht immer nur auf ihre "Interessen" eingehen kannst ist ja wohl logisch. Und es ist sowieso schon sehr bemerkenswert wie du mit ihrer Angst umgehst. Du scheinst da ja sehr verständnisvoll zu sein und ihr auch immer zu helfen wenn du die nötige Zeit hast. Ich finde also sie sollte das mal etwas emotionsloser betrachten und sehen wie viel Verständnis du aufbringst.

@TeresaB: Was ist schon einfach in Beziehungen. Als ich gegangen bin, meinte sie noch, dass ich garnicht wiederkommen brauche, wenn ich jetzt gehen würde. Aber das hat sie halt schon öfter gesagt und ich habe das nicht besonders ernst genommen bzw. auf ihre akute Stimmung geschoben.

Ich finde auch, dass deine Freundin sich im gewissen Sinne in einer Notsituation befunden hat und ich denke nicht, dass mein Mann einfach gefahren wäre, wenn diese Situation hier gewesen wäre. Ich habe auch tierische Angst vor Spinnen und wenn ich eine sehe, dann bekomme ich kaum Luft. Wenn ich meinen Mann rufe, dann macht er die Spinne auch weg und ich glaube nicht, dass er ruhigen Gewissens weggefahren wäre, wenn er die Spinne nicht gleich bekommen hätte.

Dass du das Zimmer gesichert hast ist ja gut gemeint gewesen. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Denn wenn man realistisch denkt, dann ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass man dann die Spinne wiederfindet. Es kann durchaus eine andere Spinne gewesen sein, die du dann gefunden hast und die eine Spinne hockt noch irgendwo.

Ich kann deine Freundin wirklich gut verstehen und ich denke, dass ich dann auch sehr sauer gewesen wäre. Ich wäre wohl nur dann weggefahren, wenn ich über meine Beziehung nachdenken müsste. Ansonsten finde ich ein Weggehen und der Situation aus dem Weg gehen einfach kindisch und unakzeptabel.

@Diamante: Naja, es ist nicht so, dass ich mir während meiner Abwesenheit keine Gedanken gemacht hätte, mir ist in der Situation aber keine bessere Lösung eingefallen. Glücklich war und bin ich damit nicht. Eigentlich musste ich die ganze Zeit dann darüber nachdenken und Spaß hat mir das keinen mehr gemacht.

Ich denke auch, dass es eine schwierige Situation war und dass man diese schon aus einer anderen Sicht sehen sollte; und zwar der deiner Freundin, die panische Angst vor Spinnen hat; und dabei ist es ganz egal ob eine Spinne rational gesehen keine wirkliche Bedrohung darstellt.

Es ist sicherlich nicht einfach für dich, immer für sie da zu sein, dass sie eine "andere" Art der Zuwendung zu brauchen scheint und sie Dinge anders sieht als andere. Du gehst zwar nicht genau auf ihre Probleme ein, aber alleine die Tatsache dass sie wirklich Probleme bekommt wenn sie eine Spinne sieht, zeigt ja, dass du da eben anders auf sie zugehen musst, als bei einer Freundin die Spinnen ganz normal findet.

Natürlich ist es ärgerlich wenn du zu spät zu deinem Termin kommst, aber ich denke in der Situation hättest du deine Freundin nicht einfach so stehen lassen sollen. Ihr Verhalten finde ich zwar auch übertrieben, aber man muss halt bedenken, dass sie sich wirklich in Not gefühlt hat; also kann man schon davon sprechen, dass du sie irgendwie im Stich gelassen hast.

Mir fehlt da ehrlich gesagt schon ein bisschen das Verständnis und ich kann da eher deine Position verstehen. Wegen einer Spinne wäre ich auch niemals umgekehrt. Das hat dann aber mehr damit zu tun, dass sie ja wohl alt genug ist und wenn man so unter etwas leidet, und sei es eben eine Spinne, dann muss man auch etwas dagegen unternehmen. Das tut sie aber scheinbar nicht und dann muss sie damit auch klar kommen, wenn mal eine Spinne da ist und keiner helfen kann.

Das du schon zurück gekommen bist finde ich klasse. Kannst du denn etwas dafür, dass die Spinne verschwindet? Und wieso musst du denn alles machen, was sie sagt? Sie wollte doch schon, dass du die Spinne weg machst und das wolltest du ja. Wie du das machst, kann doch dir überlassen sein. Du hast doch ein eigenes Hirn zum Denken, oder? Und wenn du einen wirklich wichtigen Termin hast, ist es dann nicht mal an ihr, dass sie Verständnis dafür hat, das du los musst? Ich weiß ja nun nicht, was bei dir wichtig heißt, aber ich gehe schon davon aus, das was an diesem Termin hing.

Nein, ich kann es nicht verstehen. Wenn ich echt panische Angst davor habe, wenn eine Spinne irgendwo ist, dann muss man wirklich etwas machen. Was macht sie denn, wenn du mal nicht da bist? Bist du dann etwas auch Schuld an allem? Wäre mir schon ein bisschen zu doof, sowas zu unterstützen und wegen einer Spinne dann meinen Tagesplan umzuwerfen. Da gibt es wirklich einige wichtige Sachen, bei denen ich das machen würde - aber da nicht!

Ich würde als erstes mal ein klärendes Gespräch mit ihr suchen. Jeder hat die Situation aus seinem Standpunkt gesehen und das sollte demjenigen dann erklärt werden. Du findest eine Spinne harmlos, sie hat panische Angst davor, sogar eine krankhafte Angst davor. Ihr müsst zusammen das Problem in den Griff bekommen. Und wenn sie sich keine fachmännische Hilfe nimmt, werdet Ihr das Problem wahrscheinlich nicht in den Griff bekommen. Denn was soll sie machen, wenn Du mal mehrere Tage geschäftlich verreist bist? In völliger Panik verfallen? Ihr/sie müsst/muss unbedingt daran arbeiten bevor es noch mehr Euren Alltag beherrscht.

Ich muss auch sagen, dass ich mich schwer damit tue, für Menschen Verständnis aufzubringen, die sich aufgrund irgendwelcher psychischer Störungen ständig in irgendwelchen Ängsten oder Sondersituationen sehen und sich nicht in eine Behandlung begeben, obwohl sie um ihre Ängste und die Einschränkungen, die sie sich damit mehr oder weniger selbst auferlegen, wissen. Und ich gehe davon aus, dass Deiner Freundin ihre Störung bekannt ist, weil Du hier sonst sicherlich keine Diagnose abgegeben hättest.

Dass Menschen Ängste haben, die andere Menschen nicht verstehen können, ist nun weder neu noch schlimm, aber ich bin der Meinung, dass man als Betroffener durchaus die richtigen Schritte tun sollte, um sich aus seiner Selbstgeißelung zu befreien. Dass Deine Freundin panische Angst vor Spinnen hat, rechtfertigt allerdings in meinen Augen in keiner Weise ihre Reaktion Dir gegenüber und ich bin der Meinung, dass sie sich da einfach zu wichtig nimmt. Meiner Meinung nach liegt der Streitpunkt nämlich gar nicht in der Spinne, sondern darin, dass sie meinte, dass Du alles wegen ihres Befindens stehen und liegen lassen und aufgeben musst, um ihr ihre Angst zu nehmen – oder was auch immer genau ihr Ziel war. Da ihre Mutter ja offensichtlich greifbar war, frage ich mich, weshalb sie nicht einfach akzeptieren konnte, dass Du nun eben mal in eigener Sache unterwegs bist, die Dir auch noch wichtig ist und nicht einfach ihre Mutter angerufen hat, damit diese die Spinne beseitigt. Ausweichmöglichkeiten in Bezug auf andere Personen, die ihr hätten helfen können, hatte sie ja doch offenbar.

Deshalb frage ich mich, was der wirkliche Grund dafür ist, dass sie so ein Theater veranstaltet hat, denn für mich ist das, was Du hier schilderst, nichts anderes. Wie gesagt, ich will hier keine Ängste lächerlich machen oder als unwichtig darstellen, das nehme ich durchaus ernst. Aber weshalb bist Du denn in ihren Augen der Einzige, der sich darum kümmern muss, ihr diese Ängste zu nehmen oder – wie hier – dafür zu sorgen, dass diese Spinne verschwindet? Weshalb konnte das kein anderer machen, der nicht gerade auf dem Weg zu irgendwelchen Terminen war? Das ist in meinen Augen einfach nur egoistisch, und diese Aussage, dass Du Deine persönlichen Interessen über ihre gestellt hast, ist für mich nichts anderes als eine Bestätigung meiner Annahme, dass es sich hier um eine gesteigerte Form von Egoismus handelt, vielleicht sogar um Egomanie, das kannst Du vermutlich besser beurteilen.

Ich denke jedenfalls, dass Du Dir keinen Vorwurf machen musst, weil Du ihre Angst durchaus ernst genommen hast und zurückgefahren bist. Du hast getan, was Du konntest und dennoch Deinen Termin nicht aus den Augen verloren. Die andere Frage wäre gewesen, was denn passiert wäre, wenn Du stundenlang auf Spinnenjagd gegangen wärst – wärst Du in Bezug auf Deinen Termin dann in Schwierigkeiten gekommen? Musst Du in den Augen Deiner Freundin immer Gewehr bei Fuß stehen und alles stehen und liegen lassen, wenn sie sich in irgendeiner Notsituation sieht, aus der sie kein anderer befreien kann, sondern eben nur Du?

Für mich hört sich das an wie ein Test ihrerseits, etwa so, als wolle sie einen Liebesbeweis. Und wenn Du nicht so spurst wie sie das für richtig und angemessen hält, dann versucht sie Dich emotional zu erpressen, beispielsweise, indem sie Dir sagt, dass Du nicht mehr wiederkommen musst, wenn Du jetzt gehst. Allein das finde ich schon wirklich grenzwertig und ich denke, ich würde auch irgendwann nach genau dieser Maßgabe handeln, denn offenbar hat sie doch wirklich ein größeres Problem mit sich selbst und verschiedenen Gegebenheiten.

Wenn sie sich also noch nicht in psychotherapeutischer Behandlung befindet, sollte sich sich schleunigst in eine solche begeben, denn scheinbar ist sie ja nicht wirklich in der Lage, ihr Leben irgendwie selbst ansatzweise auf die Reihe zu bekommen, wenn sie doch so sehr darauf angewiesen ist, andere für ihre Zwecke einzuspannen, wie es ihr gerade passt. Einen Vorwurf machen musst Du Dir in dieser hier diskutierten Angelegenheit jedenfalls sicherlich nicht – und sie kann das auch nicht, auch, wenn sie das nicht wirklich verstehen kann, was wiederum vermutlich an ihrer Störung liegt.

Ich weiß auch wie es ist, wenn man verschiedene Ängste hat. Dabei ist eigentlich das schlimmste, wenn man dann sitzen gelassen wird. Dann befindet man sich ganz alleine in der Angstsituation und die Panik kann dann schnell überhand nehmen. Daher kann ich deine Freundin auch in gewisser Weise verstehen. Für sie war es wirklich eine Notsituation, in der du sie dann im Stich gelassen hast. Es war sicherlich gut, dass du das Handtuch vor die Tür gelegt hast, aber das scheint ihr ja nicht gereicht zu haben.

Ich verstehe aber auch, dass du unbedingt und dringend zu diesem Termin musstest. Wäre es denn nicht möglich gewesen, dass du etwas später zu dem Termin erscheinst? Du solltest nun schauen, dass du mit deiner Freundin sprichst und die Situation klären kannst. Sage deiner Freundin doch, dass es dir leid tut und du nicht wirklich einschätzen könntest, dass es eine Notsituation für sie war. Ich denke, dass ihr da sicher eine Lösung finden werdet. Für die Zukunft weißt du dann ja, wie wichtig es für deine Freundin ist, dass die Spinne dann direkt gefunden wird bzw. du sie nicht nochmal alleine lässt.