Dürfen sich Behinderte alles erlauben? Wie reagieren?
Jeden Morgen fahre ich mit den öffentlichen Nahverkehrsmitteln zur Arbeit, dazu gehört dann auch eine circa viertelstündige Fahrt mit der S-Bahn. Heute morgen stiegen zwei, ich nehme an geistig behinderte Menschen (ich weiß nicht, ob diese Ausdrucksweise korrekt ist, deswegen bitte ich diese, sollte sie nicht korrekt sein, zu verzeihen), direkt hinter mir ein und haben sich dann in den Vierer hinter dem Vierer, in dem ich saß, gesetzt.
Nach circa zehn Minuten sind sie wieder ausgestiegen, aber bis dahin haben die beiden wirklich einen Radau gemacht, der nicht zu fassen war. Ich mein, nun möge das an ihrer Behinderung liegen, genau weiß ich das nicht, aber nach den Gesichtsausdrücken der Menschen, die noch in dem Zug saßen, und das waren einige, haben die sich alle ein wenig belästigt und/oder genervt gefühlt. Dazu muss man sagen, dass die beiden wirklich den gesamten Waggon unterhalten haben, das war wirklich recht laut. Dazu haben die beiden sich auch noch ab und zu geschlagen, gegenseitig oder selber, mit der flachen Hand, sodass das auch recht laut immer geklatscht hat. Das schien den beiden aber nichts auszumachen. Als die beiden dann ausgestiegen sind, konnte ich nicht nur von einer Person im Waggon ein erleichtertes Seufzen oder Sprüche wie "Gott sei dank." oder "Endlich ist es mal leise hier." hören.
Nun müssen die beiden auch, wie alle anderen, zur Arbeit oder sonst wo hin kommen und sind ebenso auf öffentliche Nahverkehrsmittel angewiesen, wie andere Menschen. Nur kann oder muss man jedes Verhalten verzeihen beziehungsweise darüber hinweg sehen und so etwas sagen, wie "da können die nichts für, die sind geistig behindert" oder ähnlichen (auch hier bitte ich eine eventuelle falsche Ausdrucksweise zu verzeihen)? Kann man vielleicht auf die beiden zugegangen sein und denen sagen, dass sie leiser sein sollten oder sich ruhiger verhalten? Hätte das etwas gebracht? Oder sagt man eben, dass die da nichts für können? Ich war selber kaum in solchen oder ähnlichen Situationen, deswegen kann ich da auch nicht wirklich gut mit umgehen, weil ich einfach nicht weiß, wie man es am besten anstellt. Wie hättet ihr reagiert, was hättet ihr gesagt?
Ich glaube, dass ich auch nichts gemacht hätte und das Verhalten so hingenommen hätte. Es mag ja sein, dass das Verhalten durch ihre Behinderung zustande gekommen ist. Da können sie dann vielleicht wirklich nicht viel dran machen. Mich wundert es aber, dass bei den Behinderten kein Betreuer dabei war. Wenn es so wehrige Behinderte sind, dann ist ja oft ein Betreuer dabei. Ich denke, dass man ihnen dieses Verhalten doch irgendwie verzeihen sollte.
Natürlich hättest du sie auch um etwas Ruhe bitte können, aber wenn sie sich gegenseitig schon immer geschlagen haben, dann hättest du vielleicht auch etwas abbekommen. Außerdem waren sie ja bis auf, dass sie etwas lauter waren, friedlich den anderen Fahrgästen gegenüber.
Die Frage ist doch: was soll man da machen? Man kann durchaus davon ausgehen, dass schon ganz andere versucht haben mit diesen Menschen zu schimpfen - und man kann auch davon ausgehen, dass sie es einfach nicht begreifen. Ich gehe davon aus, dass das absolut keine Böswilligkeit ist, sondern sie wissen und begreifen es einfach nicht besser.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man sich auch von Menschen mit Behinderungen nicht alles gefallen lassen muss, aber man muss klar unterscheiden, um welche Art von Behinderung es sich da handelt. Und jemand der stark geistig retardiert ist, der kann dann einfach nichts dafür. Anders sieht es manchmal bei körperlich eingeschränkten Personen aus, die dann auch verbal unter die Gürtellinie gehen und mit Schimpfwörtern und Beleidigungen muss niemand um sich werfen.
Also mich hätte der Lärm definitv aufgeregt aber gesagt hätte ich auch auf jeden Fall nichts. Ich gehe sehr stark davon aus, dass diese Menschen mit geistiger Behinderung nicht mitbekommen wie laut sie sind und ob sie eventuell andere Fahrgäste mit ihrem Verhalten stören. Auch das in- die- Hände- Klatschen hat etwas mit der Erkrankung zu tun und nicht dem Willen irgendjemanden zu nerven. Sie können also nichts dafür.
Man kann solchen Menschen aber sehr wohl etwas beibringen und sie zurechtweisen. Wenn diese Störung also häufiger vorkommt und man diese unbedingt vermeiden will, könnte man versuchen die beiden anzusprechen und ihnen zu erklären, dass sie doch bitte etwas leiser sein sollten. So Sprüche wie "Endlich ist es hier wieder ruhig" und "Gott sei Dank" finde ich übrigens total unangebracht. Man sollte doch meinen dass Menschen mit Behinderung in der heutigen Gesellschaft gleichwertig behandelt werden und als vollwertige Menschen anerkannt sind.
Wenn diese Menschen wirklich geistig behindert gewesen wären, hätte ich wahrscheinlich auch nichts gesagt. Sie können ja dann eigentlich nichts dafür. In öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es außerdem immer mal Leute, ob behindert oder nicht, die sich daneben benehmen. Ich versuche dann immer ruhig zu bleiben und wechsele meist den Waggon, um meine Ruhe zu bekommen. Denn meistens bringt es bei solchen Menschen einfach nichts, etwas zu sagen.
Ich bin auf jedenfall auch der Meinung, dass jeder Mensch sich benehmen sollte und eine Behinderung keine Entschuldigung für schlechtes Benehmen ist; jedenfalls nicht immer. Ich habe es durchaus schonmal erlebt, dass bestimmte Menschen denken, sie könnten sich alles erlauben weil sie eine Behinderung haben. Wenn man zum Beispiel im Zug blöd angemacht wird, man solle gefälligst Platz machen anstatt das einfach mal normal gefragt wird.
Etwas ähnliches wie du habe ich aber auch schon erlebt, da ich damals auch mit dem Zug zur Arbeit musste und da auch jeden Tag 4 Menschen eingestiegen sind, die anscheinend eine geistige Behinderung haben. Diese waren auch oft recht laut, aber wirklich gestört hat es mich nie. Selbst wenn, hätte ich wohl auch nichts dazu gesagt, da ich ebenfalls denke, dass die das vielleicht gar nicht so mitbekommen hätten. Wie winny2311 auch sagte, ist es ja nicht böse gemeint, aber ich glaube, die haben einfach ein anderes Empfinden bzw. merken es eben nicht, wenn man sich "daneben benimmt".
Ich denke, dass das allgemeine Verständnis durchaus toleriert, dass geistig Behinderte sich nicht „mehr herausnehmen“ dürfen, sondern wohl vor allem eine andere Wahrnehmung vieler Gegebenheiten haben und deshalb auch häufiger ein anderes Verhalten an den Tag legen als eben nicht geistig Behinderte in derselben Situation. Dass ein solches anderes Verhalten entsprechend von der Umwelt toleriert wird, finde ich gut, und ich denke auch, dass ein Verständnis für ein solch anderes Verhalten geistig Behinderter und die Tatsache, dass mich ihr Verhalten in bestimmten Situationen trotzdem einmal stören kann, sich gar nicht gegenseitig ausschließen muss. Auch, wenn ich verstehe, warum und dass jemand sich anders verhält als ich das vielleicht selbst gelernt habe und entsprechend in Anwendung bringe, kann es mich trotzdem stören, dass eine Situation, die ich nachvollziehen kann, sich genau so darstellt wie es hier der Fall ist.
Gesagt hätte ich sicherlich auch nichts, weil ich der Meinung bin, dass es in Ordnung geht, wenn ein Mensch, der über keine geistige Behinderung verfügt, toleriert, dass ein Mensch mit geistiger Behinderung verschiedene Fähigkeiten nicht aufzuweisen scheint, dafür andere Fähigkeiten aber vielleicht wieder in einem Übermaß. Wie sich die geistige Behinderung genau darstellt, ist ja wiederum abhängig davon, worum es sich vorliegend genau handelt, und das weiß man eben nicht als Betrachter einer solchen Situation. Es bringt aber auch keinem der Beteiligten irgendetwas, wenn man dagegen vorgeht, zumal das auch nicht fair wäre, wie ich finde. Ein Mensch, dem die Wahrnehmungsfähigkeit der Tatsache fehlt, dass sich um ihn herum Menschen befinden, die lieber schweigend und in Ruhe ihren Weg fortsetzen wollen, kann damit eben nicht entsprechend rücksichtsvoll umgehen und seinerseits tolerieren.
Ein wirkliches Fehlverhalten, das mich ärgert, weil es rücksichtslos gegenüber vielen ist, die keine Behinderung aufweisen, begegnet mir deutlich häufiger dann, wenn ich es mit körperlich Behinderten Menschen zu tun habe, die nicht geistig behindert sind, sondern eben tatsächlich nur körperlich eingeschränkt. Bei solchen Menschen habe ich schon des Öfteren ein entsprechendes Wesen bemerken können, das eher von Egoismus und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet war, und teilweise stößt mir das sauer auf. Andererseits neige ich wohl eher dazu, dennoch Verständnis aufzubringen, weil ich mir vorstellen kann, dass bestimmte körperliche Behinderungen unglaublich schwer zu ertragen sind und ich mir auch denken kann, dass sich das Wesen eines Menschen durch eine Krankheit oder eine Behinderung, vor allem, wenn sie nicht von Geburt an besteht, entsprechend verändern kann.
In der hier besprochenen Situation hätte ich die beiden Beteiligten sicherlich nicht angesprochen, sondern gewähren lassen, solange sie nicht so sehr über die Stränge geschlagen hätten, dass andere durch ihr Verhalten in Gefahr geraten. Bei geistigen Behinderungen empfinde ich es immer als wirklich schwierig, einen richtigen Weg zu finden, auf die Betroffenen zuzugehen und sie zur Raison zu rufen, zumal ich nicht weiß, welche Reaktion ich mit meiner Ansprache bewirke, denn dazu fehlt mir die Erfahrung im Umgang mit geistig behinderten Menschen.
Wenn klar zu erkennen ist, dass es sich bei den beiden um geistig behinderte Menschen handelt, würde ich vermutlich auch nichts machen. Einfach weil ich nicht wüsste, ob sie denn etwas für ihr Verhalten können oder nicht. Wenn allerdings kein Betreuer dabei war, könnte man ja eigentlich davon ausgehen, dass sie sich durchaus alleine im "normalen Leben" zurecht finden und sich auch dementsprechend benehmen können. Vielleicht wäre es also sogar möglich gewesen, die Person einfach zu bitten, etwas leiser zu sein. Dennoch würde ich das vermutlich nicht machen und ich würde den Lärm eben für kurze Zeit mal ertragen. Natürlich können sich behinderte Menschen nicht alles erlauben, aber wenn sie eben "nur" ein bisschen laut sind, dann würde mich das nicht stören und ich würde es aushalten.
Menschen mit einer geistigen Behinderung haben eben eine andere Wahrnehmung als wir und damit merken sie auch nicht unbedingt, wenn sie andere durch ihre Lautstärke oder ihr Verhalten stören. Was für uns dann ein wenig nervend ist, ist für diese Menschen normal. Und da würde es auch wenig nutzen, wenn nun fremde Menschen dazu etwas sagen.
Das nun unbedingt ein Betreuer dabei sein muss, ist keine Pflicht. Je nach Erkrankung und Ausprägung sind eben auch diese Menschen durchaus in der Lage gewisse Dinge allein und ohne fremde Hilfe zu schaffen. Und das sollte eben auch gefördert werden, weil eine gewisse Selbständigkeit auch wichtig ist.
Ich selbst bin sehr wenig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, aber Menschen, ob nun geistig behindert oder nicht, stören mich nicht durch Lautstärke. Ich kann da sehr gut abschalten und nehme das nicht wirklich wahr, was andere eventuell stören könnte. Daher käme ich gar nicht auf die Idee da irgendwas zu sagen.
Ich hätte in jedem Fall die Personen darauf angesprochen, dass sie bitte etwas leiser sein sollen. Auch wenn sie eben behindert sind, dürfen sie sich nicht alles heraus nehmen. Und ich finde, wenn sie dies nicht alleine befolgen könne, dann muss eben eine Aufsichtsperson dabei sein, wenn sie mit der Bahn oder sonstiges fahren. Man muss eben auch an die Mitmenschen denken. Viele haben da sicherlich Verständnis, aber irgendwo sind nun mal die Grenzen. Aber wahrscheinlich hätten die Beiden auch gar nicht reagiert, wenn man sie darauf anspricht. Aber einen Versuch hätte ich durchaus gestartet. Und wenn man ehrlich ist, dann sind es nicht immer behinderte, die mal laut sind oder Blödsinn machen. Auch die "normalen" Menschen sind laut und belästigen einen damit. Und diese Personen spricht man dann ja auch darauf an, die Lautstärke etwas zu senken.
Ich kenne noch ein Beispiel, dass ich selber erlebt habe. Ich war mit meinem Freund auf einer kleinen Städtereise in Hamburg. Dort haben wir uns für 2 Nächte ein Hotel gemietet. Inbegriffen war auch das Frühstück. An unserem letzten Tag im Hotel, gingen mein Freund und ich gemütlich zum Frühstück, worauf wir uns schon gefreut haben. Als wir dann an das Frühstücksbuffet gegangen sind, haben wir auch ein behindertes Kind bemerkt. Das Kind hatte wohl das Down-Syndrom und war etwa 9 Jahre alt. Das Kind stand dann neben meinem Freund. Es schaute sich alles erst einmal an. Doch dann, fing das Kind an, mit seinen Fingern die Wurst und den Käse an zu fassen. Da hat mein Freund und ich erst mal nur geguckt. Wir schauten, wo vielleicht die Eltern des Jungen waren. Doch von denen war erst keine Spur. Mein Freund hat dann schon gesagt, dass man das nicht machen darf. Doch der Junge ließ sich davon nicht weiter stören. Danach kam glücklicherweise der Vater des Jungen, so nehme ich an, und stellte sich hinter den Jungen. Mein Freund hatte dann nochmal den Mann darauf angesprochen, dass der Junge alles angefasst hat. Aber der Mann schaute nur kurz und nahm den Jungen dann wieder mit zum Tisch.
In so einem Fall finde ich auch, dass bei behinderten Menschen, die sich nicht "benehmen" können, eben wegen ihrer Behinderung, eine Aufsichtsperson dabei sein muss. Die Mitmenschen fühlen sich davon einfach belästigt. Das hat ja nichts mit aus grenzen zu tun, aber das geht so einfach nicht. Auch behinderte Menschen müssen sich versuchen anzupassen.
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