Die Wohngegend prägt den Charakter eines Menschen?

vom 04.08.2011, 13:52 Uhr

Ich wohne seit 10 Jahren in Paderborn und kann einfach nicht mit dem "Menschenschlag" warm werden. Es sind vereinzelte Leute, mit denen ich super auskomme, aber im Allgemeinen stört es mich unheimlich, dass Leute, die man kennt, sei es vom Einkaufen, oder weil sie einem schon x mal begegnet sind nicht den Mund aufbekommen um "Guten Tag" zu sagen. Selbst mein Vermieter schaut stur geradeaus, wenn an ihn trifft.

Wenn man sich mit Leuten unterhält, die auch zugezogen sind, heißt es nur "So sind die Westfalen". Ich begegne eigentlich den Menschen immer freundlich und gehe auch nach dem Motto "Lächel und es wird zurückgelächelt". Aber hier stimmt es wirklich nur in 5 % der Fälle.

Gebürtig und aufgewachsen bin ich am Niederrhein und dort kenne ich nur Menschen, die auf einen zukommen. Wenn man grüßt, dann wird zumindest freundlich zurück gegrüßt oder Small Talk gehalten. Schon deswegen vermisse ich meine alte Heimat schon sehr.

Ich frage mich nur, warum es so ist und ob es wirklich so ist, dass die Gegend in der man aufgewachsen ist einen Menschen und deren Charakter so prägt, dass die Menschen entweder aufgeschlossen oder zurückhaltend sind. Wie kann so etwas sein? Kann man wirklich der Gegend entsprechend sagen, wie die Menschen dort sind? Warum ist das so?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



na ja das ist wohl von klein auf Gewohnheit. Wenn man irgendwo aufwächst, wo es Gang und Gäbe ist, Hinz und Kunz zu grüßen, dann wird man das auch so von den Erwachsenen lernen, beibehalten und etwas erstaunt sein, wenn man im Westfalenland landet, wo die Leute einfach denken "der grüßt mich nicht, ich grüße den auch nicht", weil sie es nicht anders kennen. Und wenn dann der "komische Ausländer" grinsend aus dem Rheinland kommt, ist das einfach erst mal verdächtig. Mit so vielen Zähnen könntest du ja beißen! Fährst du nach Frankreich hast du dafür die alles niederknutschenden Franzosen - das möchte auch nicht jeder.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Naja, so übertrieben, wie du es darstellst ist es nun wirklich nicht. Hier in Westfalen kann man wirklich merken, wer zugezogen ist oder ein gebürtiger Westfale ist. Die Menschen sind im Allgemeinen sehr zurückhaltend und stur. Es gibt ja auch den Spruch, dass der Westfale sehr stur ist. Das ist man am Niederrhein einfach nicht gewohnt. Hier grüßen die Leute nicht mal zurück, wenn man grüßt. Entweder schauen sie nur oder nicken mit dem Kopf. Sicerlich gibt es auch Ausnahmen.

Am Niederrhein ist es einfach freundlicher und ich komme nicht aus einem Dorf dort, sondern schon aus einer Stadt. Aber die Leute sind einfach viel aufgeschlossener. Das merkt man schon, wenn man in ein Geschäft kommt. Die Verkäuferinnen hier gehen zum Lachen in den Keller. Hier sind die Leute nur dann freundlich, wenn Schützenfest oder Kirmes ist und das Bier in vollen Zügen genossen wird.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Soweit müssen die Regionen nichtmal auseinander liegen. Ich habe ja in Thüringen viele Jahre meines Lebens in zwei Orten verbracht, wo ich mir über das Verhalten der Einwohner ein Urteil bilden kann. Dort wo mein Vater aufgewachsen ist, sind die Menschen auch ein wenig komisch. Wenn die jemanden nicht akzeptieren wollen, dann ist man eben auf sich allein gestellt. Selbst wenn man überall hilft, wo man mit anpacken kann.

In dem Wohnort meines Nochgatten ist das wieder komplett anders. Dort gehen die Menschen auf Neulinge zu und erst wenn diese abblocken, haben sie halt in dem Dorf schon verloren. Und trotz das ich mich vor fast zwei Jahren von meinem Mann getrennt habe, habe ich in dem Ort wesentlich mehr Freunde als mein Nochgatte, welcher von dort stammt. Einfach weil ich eben auch offen war gegenüber den anderen und er sich schon lange vor der Trennung immer mehr von seinen Freunden abgewandt hat.

Nun hatten wir vor knapp vier Wochen hier das Sommerfest vom Stadtteil. Für jemanden der hier aufgewachsen ist, ist es sozusagen eine schöne Pflicht dort hinzugehen. Viele nutzen dieses Fest für alljährliche kleine Klassentreffen. Ich selbst gehöre nun zu den wenigen, welche hier in der Ostvorstadt als zugezogen gelten. Da wurde mir dann mehrmals gesagt, das es da zwei Sorten dieser Neulinge gibt. Einmal die Leute, die eben nur hier wohnen und dann solche wie mich, die auch zu solchen Festen gehen und damit auf dem besten Weg sind ein richtiger Ostler zu werden.

Hier gehen nämlich auch die Leute auf einen zu und wenn man dies annimmt, dann hat man viele Freunde und kann sich darauf verlassen, das man überall ein offenes Ohr findet. In anderen Stadtteilen ist es zwar auch herzlich zwischen den direkten Nachbarn, aber hier in der Ostvorstadt geht das über den ganzen Stadtteil auch wenn man mehrere Straßen von einander entfernt wohnt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



@Punktedieb: Westfalen ist noch im gleichen Bundesland wie meine alte Heimat und dennoch ist es ein Unterschied wie Tag und Nacht und es ist wirklich manchmal schwer mit den Leuten. Man geht froh gelaunt einkaufen und kommt gefrustet wieder heim. Ich frage mich dann immer, warum die Leute eher einen Schritt zurück gehen oder gar unfreundlich rüber kommen, wenn man auf sie zugeht und freundlich ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Dass einen nicht einmal der Mieter beachtet, wenn er denn angetroffen wird, das finde ich ehrlich gesagt wirklich richtig heftig. Aber ich denke schon, dass es von einer Region durchaus abhängen kann, denn wenn ich beispielsweise in den Urlaub fahre, und die Menschen sind dann dort in den Einkaufsläden oder eben generell auf der Straße eher verschlossen, störrisch und eben wenig gesprächsfreudig, dann denke ich mir schon sehr, sehr oft, was denn hier in der Region los sei und dann mache ich auch immer einen Bezug auf die Region fest. Aber ob es dann auch wirklich auf alle Menschen dort zutrifft, das kann ich eben schlecht beurteilen, denn ich treffe ja immer nur einen kleinen Teil, der sich eben in den Läden oder auf der Straße befindet und es kann ja auch sein, dass die ganzen netten Menschen immer arbeiten sind oder irgendwo anders herumlungern. Aber ich denke dennoch, dass man schon einen Bezug herstellen kann, denn anscheinend ist es bei dir in der Region doch auch so, dass niemand wirklich jemanden grüßt und alle eher verschlossen sind, oder? Dann wäre doch diese These bereits bestätigt, falls ich das richtig verstehe.

Aber ich kann natürlich auch verstehen, dass du dich nicht wirklich mit der These oder eben der Behauptung anfreunden kannst, weil du persönlich eben nicht dazugehörst, denn du scheinst ja eher weltoffen zu sein und Grüße zu verteilen, wenn du jemanden Bekanntes siehst. Das finde ich auch vollkommen richtig so, ich würde dich einfach mal, ein wenig übertrieben formuliert, als Retter deiner Gegend bezeichnen. Denn wenn dich jemand trifft und du sagst, dass du in Paderborn wohnst, dann werden diese sich doch bestimmt denken, dass du aber eher untypisch für Paderborn bist, eben weil diese Menschen dort einen eigentlich nicht wirklich grüßen. Aber ich selbst war noch nie in meinem Leben in Paderborn und deswegen kann ich es auch nicht wirklich beurteilen, ob denn die Menschen wirklich so krass drauf sind, wie du es beschreibst. Denn ich muss ja ehrlich sagen, das klingt schon sehr, sehr heftig, dass man von dem eigenen Mieter keine Grüße erhält beim Aufeinandertreffen, das habe ich in der Form auch noch nicht gehört.

Ich kann aber sagen, dass bei uns in der Region eigentlich kein wirklicher Bezug hergestellt werden kann. Bei uns in Hessen sind irgendwie alle anders drauf, jeder so, wie er es gerade möchte und so wie er es für richtig hält. Da gibt es Tage, da trifft man beinahe nur nette Leute, die einen immer grüßen und total den netten Eindruck machen beim Einkaufen oder anderswo. Und dann gibt es natürlich auch noch die Tage, da wird man von der Kassiererin nicht einmal gut angeschaut und bekommt nur seine Waren hin geschoben. Dann trifft man auch noch eine Freundin, die man lange nicht gesehen hat und was hält diese von dem Treffen? Überhaupt nichts, und ignoriert einen einfach. Aber ich persönlich habe es noch nie so krass erlebt, wie du es anscheinend getan hast, dass man einen regelrechten Stimmungswechsel erlebt, weil einen einfach so viele Menschen nicht grüßen, das gibt es bei uns nicht, da grüßen die meisten der Leute, die ich kenne schon. Und bei der Masse der Leute sind das eigentlich bei jedem Einkauf schon mehrere Leute.

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» fcbtill » Beiträge: 4713 » Talkpoints: 21,47 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Wenn der Vermieter launisch ist und er keine Lust auf einen Gruß hat, finde ich das nicht weiter tragisch. Vielleicht bin ich da einfach auch nur schmerzbefreit und mich stört so etwas nicht weiter. Ich bin hier auch nur zugezogen und habe an sich auch keine Menschen, mit denen ich mich groß unterhalte, aber das liegt eher an mir als an andere. Da ich aber jedoch schon seit einigen Jahren hier eine kostenlose Zeitung verteile, komme ich durchaus mit anderen ins Gespräch und man unterhält sich, lernt sich kennen. Dennoch kann ich selbst nicht über meinen Schatten springen. Wie gesagt, ich bin recht eigenbrötlerisch und nicht ganz unkompliziert.

Dass gerade die Paderborner stur sein sollen, habe ich schon oft gehört. Woran es liegt, weiß ich nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur so ist, weil sie eben aus Paderborn stammen. Da steckt bestimmt noch mehr dahinter, aber allein so etwas an der Gegend festzumachen, damit habe ich es nicht so. Vielleicht mag man einfach die offene Art nicht, oder die offene Art wird als unehrlich wahrgenommen. Da könnten so viele Gründe dahinter stecken, die man vielleicht jemand aus dem Ort direkt fragen müsste, mit dem man sich versteht.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich denke einmal auch die Erziehung spielt eine große Rolle dabei. Ich lebe in Mecklenburg Vorpommern und wir sind gegenüber fremde Personen doch recht verschlossen. Besonders Leute aus den alten Bundesländern bekommen diese Eigenschaft zu spüren, allerdings sind diese auch sehr überheblich in manchen Fällen. Wir sind eher sehr ruhig und bleiben gerne unter uns. Als besonders nervig sehen wir die Sachsen an, weil sie sehr viel Unruhe mit einbringen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich denke auch, dass da ein wenig auch die eigene Erziehung mit rein spielt. Ich ziemlich in die Richtung erzogen worden, dass man mit Fremden nicht spricht und so. Aber schon krasser, als das Übliche, mit fremden Menschen geht man nicht mit. Wobei mich hier in der Gegend trotzdem viele Leute kannten, dadurch das meine Eltern ein eigenes Geschäft hatten. Wenn wir auf dem Heimweg was anstellten, wussten das unsere Eltern, bevor wir daheim waren. Nur wir kannten die Leute nicht, da man uns dem Laden fern hielt. Meine Mutter kommt allerdings auch nicht von hier, was sicherlich auch ein Grund sein mag, dass sie uns da anders erzogen hat. Denn unser Vater ist eher jemand, der mit fast jedem spricht.

Ich habe meine Ausbildung in der Nachbarstadt begonnen und das war zum Teil ein Unterschied wie Tag und Nacht. Meine Chefin hatte einen lockeren Umgangston für ihr Alter. Das "Du" war dort nicht wie hier. Der ganze Umgang in der Stadt ist lockerer. Man neigt schnell dazu, jemand zu duzen. So erzählte ich dann eines Abends meinen Eltern, dass ich beinahe einen Kunden geduzt hätte. Meine Mutter ging bald an die Decke, weil man das ja nicht macht. Ich versuchte die Situation noch mal zu erklären, die halt so ganz anders war als in meiner Heimatstadt. Mein Vater sagte dann zu meiner Mutter, dass es in der Nachbarstadt schon anders sei und erklärte ebenfalls. Und die Nachbarstadt ist gerade mal 30 Minuten mit dem Bus entfernt. Dort ist man wirklich lockerer.

Wobei meine Heimatstadt eher versnobt ist. Der Anteil an Menschen die sehr reich sind und sich distanzieren ist schon recht groß. Eine wirkliche Mittelschicht gibt es auch nicht wirklich. Entweder man ist reich oder man ist arm. Was auch auf Festen oft zu sehen ist. Unmassen Stände, an denen man nur Sekt zu dem entsprechenden Preis bekommt und daneben die Leute, die sich das nicht leisten können und zum Teil ihre Sachen von daheim mitbringen. Miteinander abgeben tut man sich nicht wirklich. Eben weil die Kluft wohl auch zu groß ist.

Ich selbst wirke oft eher unnahbar und sicherlich auch arrogant. Vor allem auf Fremde. Was sicherlich auch Teil der Erziehung meiner Mutter ist. Ein Kunde sagte mir mal, er habe sich mit einem anderen Kunden unterhalten, der gesagt hätte, ich sei zickig. Er hätte darauf nur geantwortet, wenn man mal mit mir warm geworden ist, wäre das ganz anders. Und der Kunde war sicherlich kein einfacher gewesen und wir waren mittlerweile beim Du . Ich denke, viele Kunden meiner Eltern haben mich so eingeschätzt. Aber ich war sehr verwundert, als mich mehrfach Kunden angesprochen haben, lange nachdem ich nicht mehr im elterlichen Betrieb gearbeitet hatte und sich nach mir erkundigten. Kunden, von denen ich dachte, die mögen mich nicht. Die mir auf einmal sagten, dass sie mich vermissen. So kann auch die Selbsteinschätzung trügen.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Ich bin schon mehrfach umgezogen und habe ebenfalls diese Erfahrungen gemacht, dass es in unterschiedlichen Regionen auch die Mentalität der Leute einfach etwas anders ist. Dort, wo ich aufgewachsen bin, ist es üblich, dass man alles und jeden grüßt und es kommt auch immer ein Gruß zurück. Das ist eben einfach so und die Leute kennen es nicht anders.

Wo ich jetzt wohne, ist das überhaupt nicht der Fall. Ein Gruß wird entweder überhaupt nicht erwidert, oder die Leute gucken erst komisch und sind verwundert, weil man es hier eben nicht so macht, alle Leute zu grüßen, also auch Fremde, die man gar nicht kennt. Ich habe das dann aber schnell gemerkt und habe mich angepasst. Jetzt grüße ich eben auch nur noch die Leute, die ich kenne und die Nachbarn, aber nicht jeden Fremden, der mir mit dem Fahrrad entgegen kommt. Dadurch bin ich ja nicht irgendwie unfreundlicher geworden oder so. Es ist hier nun mal einfach anders. Und dass die Leute hier unfreundlicher sind, bloß weil sie nicht grüßen oder man im Geschäft lachend bedient wird, kann ich auch nicht sagen.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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