Eine Krankheit haben = an etwas leiden?
Es ist wohl üblicher Sprachgebrauch, wenn wir, sobald wir in einem Gespräch angeben, dass wir eine bestimmte Krankheit haben, sagen, dass wir an der Krankheit XY leiden. Ich selbst habe beispielsweise Asthma und Morbus Raynaud und ich habe mich auch schon einige Male einem Arzt gegenüber sagen hören: „Ich leide an Asthma seit soundsoviel Jahren“, musste dann aber jedes Mal feststellen, dass diese Aussage eigentlich falsch ist. Ich habe Asthma, ja, aber ich leide nicht dran oder darunter.
Auch meine Erbkrankheit, die ich seit meiner Geburt habe, würde ich nicht als etwas bezeichnen, woran ich leide. Ich hatte an den Folgen dieser Krankheit sicherlich schon zu leiden, aber nicht an der Krankheit selbst oder eben darunter. Der Begriff „Leiden“ gefällt mir in diesem Zusammenhang nicht, weil ich meine Krankheiten nicht als Leid empfinden kann und die Symptome dieser Krankheiten auch nichts sind, was bei mir ein konkretes Leiden verursachen würde.
Tatsächlich ist es so, dass ich medikamentös in Sachen Asthma wirklich gut eingestellt bin und mit dieser Erkrankung sehr gut leben kann. Ich bin zwar einigermaßen eingeschränkt, besonders, was Sport angeht, aber das, was ich an körperlichen Aktivitäten gern leisten will und die Sportarten, die ich betreibe, welche hauptsächlich Freizeitaktivitäten wie Schwimmen und dergleichen sind, sind von meinen Einschränkungen glücklicherweise nicht betroffen, was eben auch an der Behandlung liegt, die ich seit Jahren mitmache. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich mehr mit Symptomen zu kämpfen habe, aber auch diese jeweiligen Situationen würde ich nicht als Leiden bezeichnen, darunter stelle ich mir dann doch wiederum erheblich mehr vor, das wirklich schlimm ist.
Wie empfindet Ihr das? Leidet Ihr an irgendwelchen Krankheiten und würdet das auch wirklich als Leid bezeichnen, was Ihr ertragen müsst? Oder seid Ihr in Eurem jeweiligen Fall auch der Meinung, dass man das, was Ihr mit Eurer Krankheit mitmachen müsst, nicht wirklich als Leid bezeichnen kann? Verwendet Ihr diesen Ausspruch, dass Ihr an einer bestimmten Krankheit leidet, auch oder kam Euch mal in den Sinn, dass man das so eigentlich gar nicht sagen kann, weil „Leid“ eben wesentlich zu heftig ausgedrückt wäre?
Ich weiß ganz genau, was Du meinst und stolpere auch immer wieder über diese Aussage, dass eine Krankheit gleichbedeutend mit einem Leiden ist. Ich bin Diabetikerin und damit lebe ich auch schon eine Weile. Meine Werte sind so weit in Ordnung, ich komme gut damit zurecht und habe ja auch mein Anhängsel, mit dem ich den Diabetes sehr gut einstellen kann. Klar gibt es mal Situationen, in denen ich den Diabetes verfluche, aber ganz allgemein betrachtet geht es mir damit gut und ich verspüre nur ganz selten Einschränkungen. Müsste ich nun auf alles verzichten oder immer aufpassen, sähe es sicher auch anders aus, aber ich lasse mich nicht so wirklich vom Diabetes diktieren. Ich nehme Rücksicht und halte gewisse Spielregeln ein, aber es sollte nicht Überhand nehmen. Daher habe ich mich damals auch für die Insulinpumpe eingesetzt und ich denke, es war die beste Entscheidung, die ich in Bezug auf diese Krankheit habe treffen können.
Mit "an einer Krankheit leiden" verbinde ich immer etwas, wie starke Schmerzen zu haben oder auch in Selbstmitleid versinken. Ersteres kann man dann selten ändern, leider, und man muss schauen, wie man damit zurecht kommt und ob man irgendwelche Hilfsangebote zur Verfügung hat, aber letzteres finde ich ganz schrecklich. Ich sehe das immer wieder, wenn ich in "meiner" Schwerpunktpraxis sitze, viele ältere Herrschaften sind auch vor Ort und da diese Praxis aber auch normale Patienten behandelt, weil es eine größere Gemeinschaftspraxis ist, kann ich noch nicht mal sagen, ob sie eben auch Diabetes oder eben etwas anderes habe. Jedenfalls hört man schon den einen oder anderen Patienten sich selbst bedauern.
Jedenfalls ist mein Diabetes bestimmt kein "Leid" oder kein "Leiden", das können unter Umständen die Nebenkrankheiten oder die Spätfolgen sein, die sich nicht immer verhindern lassen. Aber in der jetzigen Situation besteht bei mir da nicht großartig eine Gefahr. Ich denke, es gibt zum Beispiel an Krebs erkrankte Menschen, die wirklich leiden, gerade, wenn sich der Krebs ausbreitet oder er nicht mehr behandelbar ist. Da könnte oder würde ich eher von einem Leid/ Leiden sprechen, aber doch nicht, wenn ich meine Krankheit beeinflussen und selbst steuern kann, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen. Ich rolle sehr oft die Augen oder zeige gedanklich einen Vogel, wenn mich jemand bedauert, weil ich den bösen Zucker habe.
Ich habe seit meiner Geburt Hypakusis oder einfach ausgedrückt: Schwerhörigkeit. Ich kann es nicht direkt als "leiden" bezeichnen aber es gibt schon Momente in denen es mich leiden lässt. Größtenteils ist dies aber nicht der Fall. Das Leid bezieht sich dann auch eher auf die Gefühle. Bei Leiden denkt man immer an körperlichen Schmerz. Wie etwa bei einer Schnittwunde leidet man ja unter Schmerzen. Bei meinem Fall ist dem nicht so. Manchmal tut es einem schon weh wenn man doch nicht so gut hören kann wie man doch gerne möchte. Die meisten Alltagssituationen meistere ich mithilfe meiner Hörgeräte.
Es gibt aber auch viele Situationen wo man auch mit diesen Geräten an die Grenzen stößt. Im großen und ganzen bin ich aber sehr froh darüber, dass es diese Technik gibt und ich die Möglichkeit habe diese auch zu benutzten. Ich erkläre mal eine kleine Situation, bei der diese Grenzen erreicht werden: Man läuft zusammen mit einem oder mehreren Freunden durch die Gegend und kommt an eine stark befahrene Straße. Hier ist der Lärmpegel auch für ein normales Gehör recht hoch aber dennoch versteht man die anderen. Bei mir ist dies nicht mehr möglich. Der Lärm ist so enorm, dass ich andere nicht mehr verstehe. Man könnte hier die Lautstärke reduzieren was aber im Endeffekt auch nichts bringt.
Man kann diese Geräte auch nicht immer tragen. Zum Beispiel wenn man im Schwimmbad ist. Mein natürliches Gehör ist zwar nicht so schlecht, da ich "nur" einen Hörverlust von circa 20 Prozent habe aber diese machen sich schon deutlich bemerkbar. In den Momenten wenn man die Leute nicht versteht, was sie einem sagen wollen beginnt bei mir das Leid. Es ist nicht allzu oft aber es kommt vor. Diese Momente sind dann auch sehr unangenehm. Meist klärt sich die Situation wenn man sagt, dass man Schwerhörig ist und doch bitte etwas lauter reden soll. Die meisten nehmen dann auch Rücksicht darauf.
Auch in meinem Beruf ist es sehr wichtig, dass ich genau verstehe was man mir sagt. Ich muss auch öfters mal Gespräche führen, bei denen nichts falsch verstanden werden darf. Die Folgen wären zwar kein Weltuntergang aber es sollte halt nicht vorkommen. Meine Kollegen nehmen darauf Rücksicht, was ich sehr schön finde. Manchmal gibt es halt Situationen bei denen man den einen oder anderen Wortwechsel nicht gleich versteht aber damit muss ich wohl leben müssen. Mein Hauptproblem ist nur das telefonieren wenn um mich herum Lärm herrscht. Stehen neben mir zwei Leute, die sich unterhalten während ich telefoniere, verstehe ich nichts mehr am Telefon. Ich kann nicht immer absolute Stille verlangen, wenn ich telefoniere. Ich könnte zwar die Hörgeräte herausnehmen, was auch helfen würde, aber wenn ich dann doch einmal die Kollegen etwas fragen will, verstehe ich diese wiederum nicht. Aber ich schlage mich einfach durch und lasse mich dadurch nicht beeindrucken.
Ich habe einige Krankheiten, aber als wirkliches Leiden würde ich diese nicht bezeichnen. Ich leide nur unter einem Symptom meines Asthmas, was einen dauerhaft vorhandenen Husten darstellt, aber wegen dem Asthma leide ich nicht wirklich. Auch dass ich keine Schilddrüse mehr habe, ist für mich kein großes Leiden. Außer dass ich mal eine Tablette einwerfen muss, merke ich davon an sich kaum etwas.
Wenn man dauerhaft von einem Symptom, einer Krankheit gefoltert würde, sprich ständig Schmerzen oder sonstige körperlichen Probleme hätte, dann würde ich es eher als Leiden bezeichnen. Bei meinem Asthma habe ich einige schlimmen Tage, wo ich es als Leiden beschimpfe, aber andererseits gibt es auch gute Tage, wo ich nichts bemerke. Das ist jedoch kein echtes Leiden, es schränkt mich nur minimal ein.
Ich verbinde einfach mit Leiden große Schmerzen und starke Einschränkungen im normalen Leben. Aber ich kenne Menschen mit schwersten Erkrankungen, die ihre Krankheit niemals als Leiden bezeichnen würden, sondern das Beste daraus machen. An sich interpretiert also jeder den Begriff Leiden etwas anders und verbindet andere Symptome damit.
Ich habe auch drei Krankheiten, wie eigentlich fast jeder Mensch eine hat. Es gab auch eine mal eine Zeit, da habe ich unter einer wirklich gelitten. Aber ich habe noch nie gesagt, dass ich unter der und der Krankheit leide, wenn ich gefragt wurde. Ich sage dann nur, dass ich die und die Krankheiten habe und fertig.
Es gibt Menschen, die viel schlimmere Krankheiten haben und wirklich leiden müssen. Das halte ich mir immer vor Augen und vielleicht benutze ich daher diesen Ausdruck nicht. Aber auch ansonsten finde ich es nicht schön, wenn man irgendwo sagt, dass man unter einer Krankheit "leidet". Das klingt immer so dramatisch und ein bisschen auch so, als wolle man sich dadurch wichtig machen oder Mitleid erhaschen.
Für mich besteht da ein großer Unterschied. Ich kann verschiedene Krankheiten haben, an denen ich zeitweise leide und große Schmerzen habe. Man kann unter Symptomen leiden. Es gibt sehr unangenehme Krankheiten und trotzdem müssen sie kein Leiden sein. Wer eine länger dauernde Krankheit hat, körperlich krank ist oder seelisch, der leidet unter seiner Krankheit. Viele haben Angst und es ist ihnen unangenehm, durch ein Leiden andere Menschen übermäßig zu belasten. Sie wollen niemandem zur Last fallen. Ein Mensch, der in tiefe Depression versunken ist, hat Angst vor dem nächsten Tag und leidet. Herzprobleme, Krebserkrankungen oder ein Schlaganfall, lassen uns leiden. Das Schlimmste ist, nicht zu erkennen, warum nur einem alles widerfährt, warum die Krankheiten nicht aufgeteilt werden, welchen Sinn es hat. Ich habe noch nie in einem Gespräch – wenn ich nach Krankheiten gefragt wurde – gesagt, dass ich unter irgendetwas leide. Grundsätzlich sage ich nur, dass ich das und das habe. Das muss reichen.
Ich bin aktuell akut krank und da trifft es wirklich zu, dass ich an der Krankheit leide. Es nervt mich einfach, dass ich nicht wirklich zu hundert Prozent leistungsfähig bin; es nervt, dass ich ein Antibiotikum nehmen muss, dass Magen-Probleme verursacht. Und ich leide in diesem Zusammenhang auch an einer Medikamentenallergie, die verhindert, dass ich ein weniger heftiges Antibiotikum nehmen könnte. Aber all das sollte sich in der kommenden Woche wieder geben.
Daneben habe ich auch eine chronische Krankheit, die mich voraussichtlich mein gesamtes Leben begleiten wird. Wenn ich bei Gelegenheit sagen muss, dass ich an dieser Krankheit erkrankt (leide würde sich in diesem Fall allein vom Satzbau besser machen) bin, dann werde ich immer ganz mitleidig angeschaut. Ich selbst leide aber nicht darunter und formuliere das daher auch ganz bewusst nicht so. Denn ich bin gut eingestellt und bin zusätzlich bei einem guten Spezialisten in Behandlung, der bei akuten Krankheitsschüben auch immer schnell zur Verfügung steht.
Ich denke, dass gerade bei chronischen Erkrankungen die Vorstellung von Außenstehende dazu führt, dass man sich selbst als unter einer Krankheit leidend bezeichnet, obwohl man gerade als chronisch kranker Patient in der Regel gut eingestellt ist. Dieses eingestellt bedeutet ja, dass man durch Medikamente und auch andere Maßnahmen eine bestmögliche Lebensqualität erreicht. Sicher gibt es bei den meisten Erkrankungen dann auch Schübe, die dann wieder die Krankheit in Erinnerung bringen. Aber als Leiden empfindet das wohl kaum ein chronisch Kranker.
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