Feier zum HalbjahresTodestag?
In 2 Tagen ist es genau 6 Monate her, wo der Cousin meines Mannes mit 35 Jahren verstorben ist. Ich habe damals darüber geschrieben. Am Wochenende waren wir in Serbien und haben eben diesen Tag gefeiert. Ich kenne mich selber nicht genau aus, aber so eine Feier wird eben zur Beerdigung, nach 40 Tagen, nach 6 Monaten und eben dann zu jedem Todestag veranstaltet.
Laut der Tradition der Familie muss bei jeder Feier auch ein Angehöriger bzw. Bekannter eine "Hauptrolle" spielen. Die Witwe kauft eben dieser Person Hemd, Hose, Socken, Unterwäsche, Schuhe etc... Diese werden mit allen anderen Sachen, die sie ihrem Mann gekauft hat (Zigaretten, Feuerzeug, Kosmetiktasche, eben mit Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo, Rasiergel, Rasierer, Spiegel etc.) in einem Zimmer ausgelegt. Auf Tischen werden Süssigkeiten , Bettwäsche, Handtücher, Brot etc. schön auf Tische dekoriert.
Aber zuerst zum Ablauf: Kurz vor 12 Uhr Mittags versammelten sich alle Familienmitglieder, Freunde und Bekannte am Friedhof. Die Witwe und die Mutter des Verstorbenen brachten Süssigkeiten, Energy Drinks, etc. eben alles was der verstorbene Cousin liebte zum essen zum Friedhof. Bis der Pfarrer sprach und den neu aufgestellten Grabstein weihte, legten sie eben diese Sachen auf das Grabstein aus. Als der Pfarrer endete, durften sich die Verwandten und Bekannten etwas davon nehmen. Auch Zigaretten wurden ausgelegt und viele nahmen sich eine. Einige steckten eine brennende Zigarette zum Grab, damit es so aussah, dass der Cousin mit uns eine zusammen rauchte. Danach beteten alle und so langsam verabschiedeten sich alle vom verstorbenen indem sie das Grabstein oder auch das Foto darauf küssten.
Zuhause bei der Witwe angekommen, wurden alle einmal bewirtet. Der Pfarrer war auch eingeladen, weil er eben noch die Sachen die ich weiter oben erwähnt habe segnen musste und noch eine Rede hielt. Danach musste diese Person (diesmal war es mein Mann der die "Rolle" übernahm) sich umziehen, und die Sachen anziehen, die die Witwe gekauft hatte. (Natürlich hat mein Mann sich die Sachen selber ausgesucht und auch vorher anprobiert, weil er es ja danach noch tragen kann). Danach kam das essen. Mein Mann musste etwas sagen und der erste beim essen sein. Erst danach kamen alle anderen Leute.
Obwohl sehr viel Platz vorhanden war, mussten die Leute in 3-4 Gruppen essen. Es gab sehr viel zum essen und viele verschiedene Torten. So etwas habe ich bis jetzt noch nie erlebt, dass so gefeiert wird. Ich bin röm-kath und auch bei uns, bzw. unser Familie habe ich so eine Tradition nicht gesehen. Es war ein schönes Fest zu Ehren des verstorbenen, doch auch zugleich sehr traurig. Am traurigsten hat es mich gemacht, als wir am nächsten Tag zum Friedhof fuhren, dass sein 9 Monate alter Sohn beim Grab "Tata" brabbelte. Das heißt auf Serbisch "Papa. Und mein 10 jähriger Sohn weinte, weil der kleine jetzt keinen Vater mehr hat. Kennt ihr auch solche Feiern? Wie war sie bei euch? Auch so in der Art oder ganz anders?
Also wir feiern generell keine Todestage, höchstens besuchen wir mal das Grab unseres Opas, wenn denn mal wieder ein runder Todestag ansteht. Warum man Todestage überhaupt immer feiern muss und warum man dies dann auch noch jedes halbe Jahr tun muss, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Ich finde es eher weniger gut, dass da so ein großes Drumherum bei dieser Familie gemacht wird, es ist schön, dass man den Toten noch vermisst und ihn immer noch in seinem Herzen hat, aber ich finde, man kann es auch übertreiben mit den Todesfeiern. Natürlich kann man auch jedes halbe Jahr zu dem Grab des Verstorbenen gehen und für ihn beten, vor allem in der Anfangszeit könnte ich das durchaus nachvollziehen, aber danach würde ich höchstens alle ganze Jahre diesen Todestag feiern.
Dass man das Ganze aber so ausweitet, nur weil das Todesdatum nun zur Hälfte schon im Jahr herum ist, das ist mir ebenfalls völlig neu. Ich habe es noch nie erlebt, dass anscheinend ähnlich wie bei einem Fastnachtsumzug oder einer Hochzeit alle möglichen Gäste kommen, diese dann auch noch Geschenke mitbringen (für wen eigentlich) und dass eben überhaupt so viele Leute zu einer Halbjahres-Todesfeier kommen, das hätte ich mir wohl auch nie zu träumen gewagt. Ich weiß auch gar nicht, wer auf die Idee gekommen ist, alle halbe Jahre zu feiern, aber das scheint eben bei diesen Personen Tradition zu sein und dann muss man das auch so akzeptieren. Ich denke aber schon, dass wenn man jedes halbe Jahr so eine Feier feiert, das ziemlich auf´s Geld gehen könnte und deshalb würde ich persönlich nicht allzu oft so eine riesige Veranstaltung aus einem halben Todestag machen.
Dass am Tag danach natürlich auch noch die Emotionen überkochen können, das finde ich aber völlig normal und da muss man auch darauf vorbereitet sein. Für die Leute mit dieser Tradition werden dann eben nicht jedes Jahr, sondern jedes halbe Jahr bereits die Traueremotionen kommen.
Ob das allerdings so gut für das Selbstbewusstsein vor allem von Kindern ist, weiß ich nicht zu sagen, denn besonders glücklich dürfte selbst der kleine Junge ja anscheinend nicht gewesen sein. Ich finde einfach, dass es nicht allzu viele Vorteile, sondern viel zu viele Nachteile mit sich bringt, so eine Halbjahres-Todesfeier. Ich werde hoffen, dass wenn ich mal nicht mehr am Leben bin, sich die Menschen zwar noch an mich erinnern, aber in so einem riesigen Anlass muss es dann auch wieder nicht sein, schließlich hat alles eben ein Ende.
Andere Länder beziehungsweise andere Religionen, andere Sitten. Daß man den Halbjahres-Todestag feiert kannte ich bisher nocht nicht. Ich beziehungsweise meine Familie und der größte Teil der Verwandtschaft ist römisch-katholisch. Hier ist es Sitte, am Todes- und am Geburtstag des Verstorbenen eine Messe lesen zu lassen und am Grab vorbei zu schauen. Mir persönlich bedeutet das aber nicht wirklich etwas. Bei der Schwiegerfamilie passe ich mich an und mache das mit, gehe mit meinem Mann zu diesem Anlass in die Kirche. Meine Mutter ist letzten Herbst verstorben und meine Schwester, mein Vater und ich sind uns einig, keine Messen lesen zu lassen. Im Prinzip ist es ja so, dass man einfach einen kleinen Obulus zahlt und der/die Verstorbene dann bei den Fürbitten namentlich erwähnt wurde. Meine Mama sagte zu Lebzeiten schon immer: "Wenn man mich erst in den Himmel beten muss, ist es sowieso schon zu spät." Und für uns brauchen wir diese Rituale nicht, ich denke an meine Mutter, wenn es sich ergibt, was sehr oft ist und gehe hin und wieder ans Grab ohne direkten Anlass.
Ich bin der Ansicht, dass jeder Mensch für sich entscheiden sollte, welche Rituale er benötigt, um mit der Trauer fertig zu werden, in welcher Form er an ein verstorbenes Familienmitglied denken möchte - wenn eine Halbjahresfeier das Richtige ist, warum nicht. Mich selber würde es allerdings stören, wenn man aus so einem Gedenktag eine Riesenfeier mit Unmengen an Gästen machen würde.
Naja, es ist ja nicht so, dass die Familie jetzt regelmäßig den Halbjahres-Todestag feiert, sondern dass eben innerhalb des erstens Jahres nach dem Tod in bestimmten Zeitabständen Andachten hält.
Ich bin jüdisch und im Judentum ist der Brauch ähnlich. Das bezieht sich aber wirklich nur auf das erste Jahr nach dem Tod eines Familienmitglieds, dieses Jahr ist insgesamt ein Trauerjahr. Wobei das nicht bedeutet, dass man ununterbrochen trauert, im Gegenteil, dadurch, dass es eben bestimmte festgelegte Rituale und Zeremonien gibt, können die Betroffenen ihr normales Leben wieder aufnehmen und dann zu diesen Anlässen zu ihrer Trauer zurückkehren.
Also ich muss ehrlich sagen, dass mir eine solche Art und Weise den Todestag einer verstorbenen und geliebten Person zu „feiern“ (wenn das Wort hier überhaupt angebracht erscheint) völlig neu und teilweise sogar etwas befremdlich ist. Nun ist es die Sache der Familie, wie und ob eine solche Feier abgehalten wird, das mag kulturell bedingt sein oder traditionell oder sonst wie, da erlaube ich mir auch kein Urteil drüber, denn jeder soll so feiern, wie er es für angebracht hält.
Dennoch finde ich den Veranstalteten Aufwand etwas hoch, nur um zu feiern, dass eine verstorbene Person nun schon ein halbes Jahr lang tot ist (ich habe echt Probleme in diesem Zusammenhang mit dem Wort „feiern“, ich hoffe, jeder weiß, wie das gemeint ist). Bei uns in der Familie besucht man allenfalls das Grad einer verstorbenen Person und gedenkt dieser im Stillen. Ab und zu kommt man natürlich auf diese Person zu sprechen, aber ich persönlich finde, dass bei so einer Feier, wie sie beschrieben wurde, nur Gefühle wieder ans Tageslicht geholt werden, die die Trauer um die verstorbene Person wieder ein Stück weit präsenter machen.
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