2011 viel zu wenige Studienplätze in Deutschland
Gestern habe ich in der Zeitschrift Focus gelesen, dass dieses Jahr aufgrund des Wegfalls der Wehrpflicht und eines doppelten Ansturms an Abiturienten auf eine Million tatsächlich verfügbarer Studienplätze zwei Millionen Studierwillige kommen! Doch auch ohne diese zusätzlichen, ungünstigen Faktoren steht es momentan um die Quantität der Studienplätze ziemlich schlecht. Man spricht von einem totalen Versagen der Politik und der einzelnen Bundesländer. Als Extrembeispiel wird ein 20-jähriger Ukrainer angeführt, der sein Abi mit einem Durchschnitt von 0,7 (!) bei 898 von 900 möglichen Punkten erreicht hat! "Der wird es ja nicht schwer haben" mag man sich denken, doch der Super-Abiturient schaffte es nur in ein Auslose-Verfahren an der Uni in Heidelberg - und verlor.
Viele Unis versuchen sich derzeit durch einen unmenschlichen Numerus clausus vor dem riesigen Ansturm zu schützen, wodurch der Leistungsdruck auf Gymnasiasten enorm steigt. Viele kratzen an der 1,0er Marke um dann letztendlich doch ohne Studienplatz da zustehen. In einer Uni in Norddeutschland mussten die Räumlichkeiten bereits durch mehrere Zelte ausgeweitet werden, um dem großen Andrang noch nachzukommen. Andere Unis versuchen mittlerweile Kirchen für Vorlesungen zu beanspruchen. Doch viel mehr mangelt es an Personal und finanziellen Mitteln. Hier ist definitiv entschiedenes und vor allem baldiges Einschreiten der Politik dringend nötig.
Für die Studierwilligen bietet es sich 2011 an ein Jahr lang im Ausland ein Praktikum zu absolvieren die später dem Studium zu Gute kommen könnte. Eine weitere Maßnahme ist sich selbst an den abgelegensten Unis zu bewerben oder - sofern es die finanzielle Situation erlaubt - sich an einer Privat-Uni zu bewerben. Möglicherweise hat sich die Lage im nächsten Jahr auch ein wenig entspannt. Habt ihr diesen Studienplätze-Mangel schon in irgendeiner Form zu spüren bekommen? Sah es letztes Jahr noch besser aus? Was sind eure Erfahrungen? Wie sollte die Politik reagieren?
Solche (durchaus erfolgreichen) Versuche der Panikmache gab es eigentlich schon immer und das nicht nur im Bereich der (Aus)Bildung. Es ist eigentlich egal wo man hinschaut - ein Mangel wird überall vorausgesehen. Sei es bei den Fachkräften, der Anzahl an Kinder, bei der Energie usw. usf. Und wenn man natürlich die Anzahl der Abiturienten zu Grunde legt, stimmt der Mangel an Studienplätzen tatsächlich. Aber eben nur wenn davon ausgegangen wird, dass auch wirklich 100% der Abiturienten studieren wollen. Aber das war eigentlich noch nie der Fall.
Richtig ist aber, dass es zu einer gewissen Sondersituation kommen könnte, weil real mehr Studienanfänger "auf dem Markt" sind. Das aber bedeutet noch lange nicht, dass es zu einem Kollapps des Systems kommen muss. Vielmehr wird sich bei der Verteilung mehr tun und die Studierwilligen werden wohl oder übel nehmen müssen, was frei ist - und das war ja bei vielen vorher auch schon so. Dabei kann es passieren, dass die Traumuni eben nicht darunter fällt und man u.U. in Gegenden ziehen muss, die man vorher noch nicht mal vom Namen her kannte.
Das es ein gewisses Versagen auf politischer Seite gab (wobei Bildung und Kultiur Ländersache ist!), ist hier natürlich auch festzuhalten. Aber dies an solche kurzfristigen Effekten fest zu machen oder gar die Hoffnung, es mit kurzfristig gedachten Konzepten wieder ausgleichen zu können, wäre mindestens naiv. Es wird nicht "leichter" für Studienanfänger. Aber es ist sicher auch nicht so, dass die Zustände aktuell ein Studium unmöglich machen würden.
Versuche bitte auch mal an die Unis zu denken. Die müssen immer mehr Studenten aufnehmen, haben aber keine Kapazitäten mehr. Somit sind die Unis heillos überfüllt. Vor ein paar Jahren habe ich mal ein Soziologie-Seminar besucht, bei dem mehr als 200 Studenten anwesend waren. Anders konnten die enormen Studentenzahlen nicht bewältigt werden. Unter den hohen Studentenzahlen leidet dann natürlich die Qualität der Ausbildung. Du kannst dir vorstellen, was bei einem Seminar mit 200 Teilnehmern herauskommt. Nämlich gar nichts. Das ist dann nichts weiter als eine Art Vorlesung mit anschließender Klausur. Die Studenten konnten sich gar nicht einbringen.
Selbst wenn du einen Studienplatz bekommst, heißt das noch lange nicht, dass du auch in die Seminare reinkommst. In manchen Studienrichtungen werden Seminarplätze ausgelost oder mit Wartezeiten belegt. Wen wundert das, wenn eine Uni, die eigentlich 10000 Studenten aufnehmen kann, plötzlich über 20000 Studenten hat. Und die Tendenz ist steigend. Irgendwann ist dann aber wirklich Schluss. In Deutschland studieren meines Erachtens eh viel zu viele junge Leute, die überhaupt noch nicht wissen, was bei dem Studium letztendlich herauskommen soll. Viele machen ein Studium auch nur, weil sie keinen anderen Ausbildungsplatz bekamen oder nicht auf der Straße rumhängen wollten.
Insofern sehe ich nur eine Lösung. Die Anzahl der Studienplätze muss begrenzt werden, die Anwärter werden über Aufnahmeprüfungen ausgewählt und die Studenten während des Studiums konsequent ausgesiebt, wenn sie die Leistungen nicht erbringen. Dann würde die Zahl der Studenten stark sinken, die Qualität des Studiums stark ansteigen und fast jeder Studienabgänger würde auch einen Job bekommen. Denn ein efolgreich absolviertes Studium ist heutzutage noch lange kein Garant für einen gutbezahlten Job. Ich selbst kenne genügend Beispiele, wo Studenten nach dem Abschluss ohne Arbeit geblieben sind.
Man sollte also bei der Anzahl der Studenten nicht auf Quantität sondern auf Qualität achten. Und alle anderen Jugendlichen sollte man einen Ausbildungsplatz anbieten können. Da ist dann der Staat wieder in der Verantwortung, der den Jugendlichen eine Chance geben muss. Sonst steigt nur die Kriminalität unter den Jugendlichen und die nächste no future-Generation wird sich etablieren.
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