Beten (vor dem Essen) in der Öffentlichkeit
Mir ist heute wieder etwas eingefallen, was mir seit langer Zeit nicht mehr im Kopfe umher geschwirrt ist. Ich habe heute Nachmittag mit einem Freund aus Indonesien telefoniert. Der Freund lebt nicht erst jetzt dort, sondern schon seit seiner Geburt. Kennengelernt habe ich diesen im Verlaufe eines Schüleraustausches. Er hat ein ganzes Jahr in unsere Schule besucht und wohnte das erste halbe Jahr seiner Anwesenheit in Deutschland auch mit mir und meiner Familie zusammen. Von daher habe ich noch immer einen sehr guten Kontakt zu ihm. Was ich am Anfang etwas „befremdlich“ fand, als er bei mir zu „Besuch“ war, war eben die Tatsache, dass er extrem gläubig ist, etwas, dass in meiner Familie nicht so der Fall ist.
Vor jeder Hauptmahlzeit hat er ein kleines – und zum Abendessen sogar auch noch ein längeres Gebet gehalten. Für uns war dies etwas total neues, als er sich vor dem Essen plötzlich an unseren Tisch gesetzt und gebetet hat. In meiner Familie ist dies eben nicht der Fall – Auf die Gründe dafür muss und will ich jetzt auch gar nicht näher eingehen. Ich erinnere mich noch sehr gut an unser erstes gemeinsames Mahl am Tisch. Wir füllten der Reihe nach unsere Teller und fingen sofort an zu essen und mit dem Geschirr zu klimpern, während mein indonesischer Freund noch ganz ruhig auf seinem Platz saß, mit gefalteten Händen und betete. Als wir dies der Reihe nach sahen, merkte ich zum einen, dass unser Verhalten mir selbst sehr peinlich war, zum andern aber auch, dass es dem Rest meiner Familie äußerst peinlich war.
Obwohl ich selbst und der Rest meiner Familie auch nicht so gläubig ist, finde ich es überhaupt nicht schlimm, wenn man vor dem essen betet, was spricht denn auch dagegen? Ich sage immer, „dem jeden das seine“, und der Rest meiner Familie hat sich daran eigentlich auch recht schnell gewöhnt. Da mein Freund aus Indonesien etwa in der selben Altersstufe ist wie auch ich, hing ich dementsprechend öfter mit ihm zusammen irgendwo herum und wir waren auch öfter in irgendwelchen Restaurants, etc. etwas essen. Natürlich hat auch er hier gebetet – Sogar im McDonalds hat er vor dem essen kurz die Augen geschlossen und ein Gebet gesprochen. Ich selbst habe ich recht schnell daran gewöhnt, und obwohl der Rest meiner Familie sich beim gemeinsamen Essen anpasste, und mit betete, machte ich dies eigentlich nicht, wenn wir allein unterwegs waren.
Ich erinnere mich noch sehr gut an einem Abend, wo wir in einem Restaurant essen waren. Hier hat er auch ein Gebet gesprochen, und alle, die noch im Restaurant saßen, haben uns am Tisch ziemlich argwöhnisch angeguckt, als sie sahen, dass mein Freund sein Gebet sprach. Gesagt wurde von den Leuten zwar nichts, aber anhand ihrer hochgezogenen Augenbrauen und der schrägen Blicke, konnte man schon recht deutlich ahnen, dass sie gedacht haben: „Boah, wie peinlich“ - oder etwas in dieser Richtung. Er selbst hat sich dies eigentlich nie anmerken lassen, wenn er so angeguckt wurde – Denn das passierte häufig, diese Besuch im Restaurant war kein Einzelfall.
Ich verstehe irgendwie nicht, warum man komisch angesehen wird, nur weil man in der Öffentlichkeit betet, ihr etwa? Betet ihr vielleicht selbst auch vor dem Essen – Selbst wenn nicht, würdet ihr auch in der Öffentlichkeit vor dem Essen beten, wie mein Freund? Warum glaubt ihr, wird man deswegen so komisch von vielen Leuten angeguckt?
damomo hat geschrieben:Ich sage immer, „dem jeden das seine“
Stimmt, und das gilt auch für Erwachsene, die mit den ferngesteuerten Autos ihrer Söhne spielen.
Dass diejenigen, die sehr religiös sind, kein Problem damit haben, vor einer Mahlzeit zu beten und dies auch unabhängig davon, ob sie sich nun in Gesellschaft befinden oder allein sind, praktizieren, ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit. Warum das von vielen Menschen so kritisch beäugt wird, liegt aber auch wieder auf der Hand: weil es eben nicht überall üblich ist und der Deutsche sich ohnehin so gern für alles schämt, das irgendjemand beäugen könnte. Ich kenne insofern sogar Menschen, die eigentlich zu Hause vor dem Essen beten, es aber, wenn sie sich in anderer Gesellschaft befinden, sein lassen. Weshalb? Aus falscher Rücksichtnahme? Oder doch eher aus einem Schamgefühl heraus?
In der Öffentlichkeit zu beten, ist für mich nichts anderes als ein gelebtes Glaubensbekenntnis. Sich vor allen anderen, also auch vor Skeptikern, zu seinem Glauben offen zu bekennen, indem man eben auch in fremder Gesellschaft oder überhaupt in der Öffentlichkeit betet, erfordert sicherlich ein gewisses Maß an Selbstsicherheit. Und ich denke, dass dieses Maß vielen Deutschen einfach fehlt, jedenfalls konnte ich dies schon oft beobachten. Und wenn Du einen Deutschen, der nicht vor dem Essen in Deiner Gegenwart betet, obwohl Du weißt, dass er es normalerweise tut, fragst, weshalb er jetzt in Deinem Beisein auf das Beten verzichtet, wird er Dir sagen, dass ihm das peinlich ist. Weshalb ist es ihm aber peinlich? Sicherlich nicht, weil er gläubig ist und auch weiß, weshalb er gläubig ist, sondern, weil wir Deutschen eben auch gern andere Menschen fragen, weshalb sie dieses und jenes tun und irgendeine Form von Erklärung verlangen, die gern einer Rechtfertigung gleichkommt.
Lies Dir allein hier im Forum mal einige Threads durch, in denen es beispielsweise um Tiefkühltorten geht. Wie häufig lese ich hier, dass irgendetwas als peinlich empfunden, was für andere selbstverständlich ist. Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein wird von vielen Betrachtern leider hierzulande als peinlich empfunden, vermutlich jeweils von denen, die das entsprechende Maß an Selbstsicherheit vermissen lassen. Und diese intolerante Haltung, die sich daraus ergibt, wird wohl die Erklärung dafür sein, dass so mancher von uns auch das Beten in der Öffentlichkeit als peinlich empfindet, ob nun selbst praktiziert oder bei anderen miterlebt. Man wird eben hierzulande grundsätzlich wegen allem komisch angeguckt, was nicht irgendeiner Form von Norm entspricht. Traurig, was?
Ich selbst habe als Kind und Jugendliche auch in der Öffentlichkeit vor dem Essen gebetet, weil das bei uns zu Hause so üblich war und ich damit aufgewachsen bin, mir also keine wirklichen Gedanken über den näheren Sinn des Betens gemacht habe. Meine Eltern und eine meiner Schwestern praktizieren das auch heute noch so, weil es Teil eines gelebten Glaubens ist. Ob man diesen nun nachvollziehen kann oder nicht, spielt wohl eine untergeordnete Rolle. Ich finde es jedenfalls gut, wenn jemand zu seiner Überzeugung steht, auch, wenn er weiß, dass er damit auf ein hohes Maß an Intoleranz stößt.
Ich finde es nicht schlimm, wenn man vor dem Essen bette. Eine Freundin von mir ist auch streng gläubig und bette auch vor jeder Hauptmahlzeit. Das finde ich nicht schlimm und sie macht es einfach, weil sie es nicht anders gelernt hat. Bei ihr ist es jedoch so, dass sie dann nicht von den anderen verlangt, dass sie auch beten. Sie freut sich nur, wenn die anderen mit dem Essen dann warten, bis die ihr Gebet beendet hat. Das ist für mich und meine Familie selbstverständlich geworden, wenn sie hier ist und wir haben damit alle kein Problem. Hauptsache sie fühlt sich wohl.
Ich finde es auch nicht schlimm, wenn manche Menschen in öffentlichen Restaurants oder Gaststätten beten. Wenn die Leute der Meinung sind, dass sie das machen müssen, dann sollen sie es doch machen. Solange sie dabei nicht durch den ganzen Raum brüllen und damit andere Leute stören, ist es mir auch egal.
Es ist weder peinlich, noch ist es schlimm, wenn jemand vor dem Essen oder wann auch immer betet. Es gehört zu den verschiedenen Religionen dazu und wenn ich mich recht erinnere, kann man ja diesbezüglich immer noch tun und lassen, was man will. Was andere dann von mir denken, wäre mir ehrlich gesagt auch egal.
Ich persönlich bin nicht gläubig und sehe daher keinen Grund dazu, vor dem Essen jemandem zu danken. Allerdings stehe ich dem auch offen gegenüber und wenn ich mal DIE Religion finde, mit der ich mich identifizieren kann - dann ist das so. Auch finde ich es nicht schlecht, wenn man Glauben kann und wenn dazu gehört, dass ich vor dem Essen noch ein paar Minuten bete, dann muss und sollte man das akzeptieren. Nur von mir sollte man nicht verlangen das ich das auch mache, weil ich mich wie gesagt dann damit auch ehrlich identifizieren können will.
Und ich persönlich finde es fast peinlicher, wenn Menschen sich in Restaurants aufführen, wie die Tiere und wahllos einfach alles in sich hineinstopfen, sich vielleicht bekleckern und herum sabbern. Das finde ich wesentlich schlimmer, als wenn jemand da sitzt, die Hände faltet und betet.
In gewisser Hinsicht kann ich schon verstehen, dass die Leute schauen, wenn jemand vor dem Essen betet. Es ist ja schon nicht ganz alltäglich, dass Leute in Restaurants und selbst in Pommesbuden wie McDonalds vor dem Essen beten. Ich habe das noch nie gesehen und würde wohl auch kurz schauen. Natürlich würde ich nicht starren und auch nichts sagen. Ich fände es wohl ein bisschen witzig, da ich mit Beten und Religion grundsätzlich nichts anfangen kann und auch noch nie gesehen habe, dass jemandem das Beten so wichtig ist, dass er nicht einmal im Restaurant darauf verzichtet. Eigentlich ist das ja nichts Schlimmes, aber eben nicht alltäglich und für mich persönlich auch nicht nachvollziehbar - aber da ist eben jeder anders. Ich denke auch, dass jeder selbst wissen muss, was ihm wichtig ist und welche Rituale er pflegen möchte.
Mir wäre es wohl nicht peinlich, wenn jemand in meiner Gegenwart vor dem Essen beten möchte. Mit mir hat das ja nichts zu tun, warum sollte ich mich also dafür schämen? Abgesehen davon ist es ja auch nichts, was irgendwie schlimm wäre. Für ein wirkliches Fehlverhalten würde ich mich vielleicht auch fremdschämen, aber das ist ja hier nicht der Fall. Religion ist für mich eine Art Hobby und ich halte es für eine harmlose Marotte, wenn jemand vor dem Essen betet. Das ist zwar sicher eine Einschätzung, die die gläubigen Leute nicht so gerne hören, da der Glauben und das Ausleben des Glaubens für sie einen höheren Stellenwert genießt als ein beliebiges Hobby, allerdings ist das einfach mein Empfinden.
Was mir allerdings auch ein bisschen unangenehm wäre, wäre so eine Situation wie die von dir geschilderte Situation von eurem ersten Essen. Für mich ist es auch normal, dass man mit dem Essen beginnt, sobald alle etwas auf dem Teller haben. Wenn dann alle anfangen, während einer noch beten möchte, wäre es mir auch unangenehm, wenn ich schon mit dem Essen begonnen hätte. Das hat vielleicht etwas Rücksichtsloses, allerdings verstehe ich durchaus, dass man normalerweise nicht davon ausgeht, dass jemand vor dem Essen beten möchte. In meinem Umfeld ist das zumindest nicht üblich und ich kenne es auch von niemandem. Daher rechne ich gar nicht damit, dass jemand beten möchte. Bei einem weiteren Essen mit der betreffenden Person sollte man sich dann aber zumindest daran erinnern, dass derjenige erst betet. In dem Fall sollte man auch mit dem Essen warten, bis auch der Betende fertig und bereit für das Essen ist.
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