Als Kind versehentlich Fremde beleidigt

Mir fiel gerade eine Geschichte aus meiner Kindheit ein, über die ich mich immer mal wieder sehr wundern muss und die ich Euch hier mal erzählen will, weil ich darauf gespannt bin, ob Ihr Ähnliches erlebt habt.

Vor 27 Jahren wohnten wir in einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Freiburg. Ich war damals vier Jahre alt, meine Schwestern waren sieben und acht. Hin und wieder fuhren wir nach Freiburg und kamen dabei wohl auch regelmäßig durch ein Viertel, in dem man Damen am Straßenrand stehen sah, die Netzstrumpfhosen und High Heels mit Pfennigabsätzen trugen. Ich erinnere mich daran, dass eine von ihnen eine goldene Jacke trug und schon deshalb bei mir gewonnen hatte. Außerdem hatten all diese Damen eine sehr bunte Gesichtsbemalung, was mir als Kind auch super gefiel und sehr kreative Frisuren, meistens hochgesteckt. Ich habe diese Frauen wirklich bewundert, weil ich als Vierjährige der Meinung war, dass eine Frau so aussehen muss. Schönheit war für mich damals, dass man möglichst bunt und schillernd gekleidet und angemalt ist.

Irgendwann fiel von Seiten meiner Eltern dann einmal der Begriff „chic Madame“ und ich habe mir erklären lassen, dass eine Madame eine Frau ist – was „chic“ bedeutete, wusste ich ja, weil das ein bei uns recht verbreiteter Begriff war, der häufig verwendet wurde. Für mich hieß „chic Madame“ also nichts weiter als „hübsche Frau“ und war ein Ausdruck der Verwunderung. Und wenn wir diese Straße im Sommer entlangfuhren und unsere Fenster hinten im Auto geöffnet hatten, riefen wir drei Mädchen auch gern mal diesen Damen entsprechenden Ausdruck zu, allerdings taten wir das wirklich aus reiner Bewunderung und verstanden nicht so recht, weshalb diese kein erfreutes Gesicht darüber machten.

Mein Vater schritt recht schnell ein und erklärte uns, dass „chic Madame“ nichts besonders Gutes bedeutet, er erklärte uns aber erst Jahre später, dass man damals wohl die Damen des horizontalen Gewerbes in gewissen Gegenden Deutschlands als „chic Madame“ bezeichnete. Mir war das im Nachhinein total unangenehm, weil ich mir natürlich direkt vor Augen gehalten habe, dass ich als Vierjährige damals einfach mal eben eine junge Frau als Bordsteinschwalbe bezeichnet und ihr das auch noch aus vollem Hals zugerufen habe – Du meine Güte!

Ich habe wirklich total unwissend irgendwelche fremden Menschen beleidigt und irgendwie kam die Aufklärung darüber, dass ich diese beiden Begriffe lieber nicht in Kombination verwenden sollte, doch zu spät. Nun würde mich mal interessieren, ob Ihr ähnliche Geschichten zu erzählen habt.

Zu deiner Geschichte muss ich sagen, dass sie schon einzigartig und etwas Besonderes ist. So etwas Krasses ist mir als Kind nie passiert. Allerdings würde ich dem Ganzen auch nicht so nachtrauern, schließlich war jeder mal ein kleines Kind und man kann im Kindesalter immer mal wieder etwas angestellt haben. Viele haben sogar bewusst Schabernak getrieben, was heißt viele, jeder von uns eigentlich und das bereut eigentlich auch keiner so wirklich. Also würde ich mir mal keine Sorgen darüber machen und das einfach so geschehen lassen. Verändern kann man es nach so vielen Jahren sowieso nicht mehr.

Ich habe eine ähnliche Geschichte parat, aber sie ist nicht so unwissend wie deine es ist. Du wolltest ja eigentlich nur die Damen loben mit deinem "Chic Madame". Das ist dann eben ein wenig in die Hose gegangen. Bei mir war es aber als kleines Kind eher so, dass ich als eine Art Papagei galt. Man hat mir immer Wörter in allen möglichen Sprachen zugesagt und ich habe dann den ganzen Tag diese Wörter auch einfach so benutzt. Ich war noch ziemlich klein, sodass ich noch nicht nach dem Sinn gefragt habe und mich dieser auch nicht sonderlich interessierte.

Auf jeden Fall war das aber leider nicht nur so, wenn man mir das mehrmals sozusagen eingetrichtert hat, sondern ich habe auch einfach von den Straßen irgend etwas aufgenommen. Wir waren vor ein paar Jahren mal in Frankreich, am Mittelmeer. Dort lagen wir anscheinend am Strand, ich weiß die ganze Geschichte nur von meinen Eltern. Dann wollte ich zum Eisstand gehen, der sich direkt an der Promenade des Strandes befand. Auf dem Weg dorthin haben meine Eltern natürlich ein wenig nach mir geschaut und nachgesehen, dass auch nichts passiert. Auf jeden Fall müssen sie ebenfalls wie ich mitbekommen haben, dass ein junges Paar Streit hatte. Der junge Mann war total außer sich, meine Eltern meinten, sie hätten auf französisch irgend etwas damit verstanden, die junge Frau hätte ihn betrogen oder Ähnliches. Auf jedem Fall rutschte dem Mann anscheinend ein, nun ja sagen wir nicht ganz so schönes Wort für eine Angestellte in einem Bordell ein und das wiederholte er dann auch noch einige Male.

Ich schien das mitbekommen zu haben und da meine Eltern mir nicht genau gesagt haben, was ich am Stand dann sagen sollte, vielleicht gab es dort nur eine Sorte, sagte ich einfach das, was ich da von den anderen Leuten gehört habe. Ich hatte aber Glück, weil an dem Tag ein Mann dort sein Eis verkaufen wollte. Er musste zum Glück nur lachen und hat dann gerufen, wem denn das Kind gehören würde. Zum Glück können meine Eltern sehr gut französisch und so kam meine Mutter dann auch und hat das Ganze aufgeklärt.

Da ich mich persönlich sowieso nicht mehr erinnern kann, ist mir die Sache überhaupt nicht peinlich. Bei dir ist das ein wenig etwas Anderes, aber solange keine Boshaftigkeit dahinter steckt, finde ich es eher lustig und amüsant, was dir da unterlaufen ist.

Ob ich Fremde beleidigt habe, weiß ich nicht mehr. Aber meine Oma. Ich glaube das nimmt sie mir bis heute übel! Als Kind hatte ich eine Phase, da fand ich sie nur blöd. Und das habe ich ihr dann auch gesagt. Und da waren schon mal Dinge dabei, die gar nicht nett waren. "Chic Madame" sagt mir gar nichts, hab ich so noch nie gehört den Begriff.

Was mir hingegen öfter auffällt ist, dass manche Eltern möglichst immer versuchen ihre Kinder zu bremsen, wenn diese ungewöhnliche Dinge bei anderen Menschen entdecken. Ich finde es gar nicht schlimm, wenn Kinder Dinge hinterfragen. Auch habe ich es schon oft erlebt, dass sowohl ungewöhnliches Aussehen, als auch Erkrankungen oder Behinderungen gerne erklärt werden von den Betroffenen.

Ich kenne solche Geschichten zwar nicht von mir aber von meinem Bruder, der damals etwa 4 Jahre alt war und in die Krippe ging. Dort hatte er das schicke Wort Hornochse aufgeschnappt und fand, dass das Wort viel zu selten benutzt wurde. Daher ist er dann eines Nachmittags vom Kindergarten nach Hause gelaufen und grüßte artig alle Passanten mit Hallo Hornochse. Ihm wurde dann von unseren Eltern ganz fix erklärt, dass Hornochse nicht unbedingt zum Gruß anderer Menschen taugt.

Ich finde das ja richtig lustig. Auch, wenn es eigentlich nicht lustig war. Aber es ist doch eben immer süß, wenn kleine vierjährige Kinder in so ein großes Fettnapf treten und das nicht mal wissen. Das ist einfach nur niedlich. Aber eigentlich ist an der Geschichte ja dein BVater schuld, weil er es euch so erzählt hat, als wäre es etwas gutes und als wäre der Begriff ein Kompliment und keine Beleidigung.

Ich denke, dass das nicht ungewöhnlich ist. Die Kinder tragen ihr Herz auf der Zunge, sie sagen was sie denken, was manchmal für Erwachsenen beleidigend rüberkommt. Mein Au-pair Kind, hat auch mal eine Lehrerin gefragt, warum sie so dick ist, im Gegensatz zu anderen und dass ja sogar ihre schwangere Tante dünner ist. Sie hat es damals nicht beleidigend gemeint, sondern wollte eben nur wissen woher das kommt. Dadurch dass es eine Lehrerin war, wusste sie das auch, aber andere wären vielleicht nicht so entspannt gewesen. Ich denke, fast jedes Kind, beleidigt mal Erwachsene, ohne dass wirklich zu merken.

Du hast das Ganze nicht absichtlich getan, und keine der Damen wird sich an kleine Mädchen erinnern die Ihnen das mal zugerufen haben. Darüber würde ich mir wirklich keine Gedanken machen.

Kindermund tut Wahrheit kund, sagt man häufig und man muss wirklich aufpassen was man seinen Kindern sagt, schließlich konntet ihr damals nicht wissen das dieser Ausdruck was schlimmes ist, in euren Ohren war es ein netter Ausdruck und so habt ihr ihn auch angewendet, da war keine böse Absicht hinter.

Ich kenne da noch ganz andere Schoten die Kinder gebracht haben, weil sie mal was aufgeschnappt haben, das ist halt auch ein schwieriges Alter, sie schnappen viel auf, verstehen aber noch nicht alles oder alles so wie es dann für Erwachsene klingt.

Da sind ja echt lustige Geschichten dabei. Als ich drei Jahre alt war, war ich auch ziemlich, na ich sage mal frech und dazu noch ziemlich fantasiereich. Mein Vater ist Franzose und wir waren auf der Hochzeit seines Bruders. Da kam ein mir völlig fremder Mann, nahm mich auf den Schoß und laberte auf Deutsch (französisch kann ich nicht) auf mich ein.

Ich erinner mich sogar noch an die Situation und meine Eltern haben sie immer jedem erzählt, so dass ich sie eigentlich gar nicht vergessen konnte. Ich sitze also auf dem Schoß eines älteren Herrn und weiß gar nicht recht, was das soll. Erzählt der mir doch ernsthaft er sei mein Opa. Mein richtiger Opa saß aber nur ein paar Stühle weiter am Tisch und beobachtete uns. Ich zeigte auf ihn und sagte: "Du bist nicht mein Opa, DAS ist mein Opa!" Aber der Mann beharrte darauf, er sei mein Opa. Und dann meinte er auch noch er sei oft in Deutschland unterwegs und er käme mich dann mal besuchen und bringt mir Geschenke mit. Entsetzt wie ich war kam dann der Kracher meinerseits: "Du bist NICHT mein Opa! Außerdem kommst du nicht nach Deutschland, die lassen dich nicht über die Grenze!" Verständnislos fragte mich der Mann wie ich darauf denn käme und ich antwortete eiskalt: "Du kommst da nicht durch die Gesichtskontrolle!"

Und damit bin ich dann abgehauen und der Mann muss sehr schockiert gewesen sein. Mein Opa, meine Eltern und alle die es mitbekommen hatten haben Tränen gelacht. Woher ich diese fantasievolle Idee hatte, es gäbe an der Grenze Gesichtskontrollen kann sich bis heute kein Mensch erklären, ich auch nicht. Aber es klärte sich dann auf, dass der Mann der neue Ehemann meiner Oma war, den ich aber nicht kannte, genauso wenig wie ich meine Oma nicht kenne. Ich hatte immer nur meinen Opa und meine Oma, auch wenn sie eigentlich nur meine Stiefoma war. Das wusste ich ja mit drei noch nicht. Und auch alle Erklärungen habe ich nicht akzeptiert und um den Mann den ganzen Abend einen großen Bogen gemacht.

Ich habe als Kind auch versehentlich mal eine fremde Person beleidigt, auch wenn ich mich daran nicht mehr erinnern kann. Witzigerweise kommt in der Geschichte auch das Wort "Madame" vor, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Die Bezeichnung „chic Madame“ kannte ich gar nicht, sie scheint wohl in meiner Region nicht üblich zu sein. Ich muss damals auch so drei oder vier Jahre alt gewesen sein. Wir waren im Urlaub und ich war mit meinem Vater einkaufen. Vor uns war wohl eine ziemlich dicke Frau, die ich nicht übersehen konnte.

Plötzlich fing ich dann an, den Abzählreim "Eine kleine Dickmadam" zu singen oder aufzusagen. Für meinen Vater muss das Ganze schon sehr peinlich gewesen sein, weil er wohl auch gar nicht wusste, wie er reagieren sollte. Er hat dann einfach gar nichts gesagt und nur gemacht, dass wir schnell aus diesem Geschäft heraus kamen. Er konnte mir ja auch schlecht lautstark das Singen verbieten, dann wäre es noch peinlicher geworden, weil es dann noch offensichtlicher gewesen wäre, dass diese Dame gemeint war. Zum Glück kann ich mich an diese Geschichte nicht mehr erinnern, sonst wäre es mir schon peinlich. So finde ich es eher lustig.