Wie kann ich ihr helfen?
Ich habe eine liebe Freundin die seit einiger Zeit ziemlich in der Klemme steckt. Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns aus – dabei kommen wir immer wieder auf ihre unglückliche Beziehung zu sprechen und darauf, dass sie es einfach nicht schafft daraus auszubrechen.
Meine Freundin, nennen wir sie Inge, lebt mit ihrem Lebensgefährten und dessen Tochter in einer schönen Wohnung. Sie haben einen gemeinsamen Hund, beide arbeiten und soweit ist auch alles gut. Nun ist es aber so, dass er sie ständig herabsetzt weil sie als Putzfrau in einem Krankenhaus arbeitet und nicht mehr in ihrem alten Beruf (Bürokauffrau) zurückgekehrt ist. Immer wieder muss sie sich anhören wie dumm sie doch sei nur weil sie eine Frage, auf die er selbst keine Antwort weiß, nicht beantworten kann.
Vor einiger Zeit hat sie festgestellt, dass er sich im Internet heimlich zum chatten mit seiner Ex trifft und - als wäre das nicht genug – offenbar auch auf Seiten angemeldet ist, auf denen es außer nackter Haut nichts zu sehen gibt. Als sie ihn darauf angesprochen hat war natürlich nichts davon war und am nächsten Abend war der Verlauf gelöscht und nichts mehr nachvollziehbar. Zwischenzeitlich hat er sich einen Laptop angeschafft den er mit einem Passwort schützt damit sie ihm nicht mehr auf die Schliche kommen kann; das Misstrauen schürt er damit aber nur noch mehr.
Wirklich viel zu sagen haben die beiden sich offenbar auch nicht mehr. Inge erzählt mir immer wieder, dass er die meiste Zeit mit seinen Freunden oder aber vor dem PC verbringt während wie fern sieht oder liest. Gemeinsame Unternehmungen oder Urlaub gibt es schon seit Jahren nicht mehr wirklich. Und seit Inge von den Pornoseiten und der Ex weiß, spielt sich auch im Schlafzimmer nichts mehr ab.
Ich würde Inge gerne aus dieser Situation heraus helfen, aber alles was mir dazu einfällt ist: pack' Deine sieben Sachen und zieh aus. Die Angst vor dem Allein sein, vor den Konsequenzen und die Sorge, wie es weitergeht halten sie laut eigener Aussage noch von diesem Schritt ab. Ich versichere ihr immer wieder, dass sie ganz gewiss nicht alleine alt und grau werden muss und dass alles eine Sache der Gewohnheit ist. Auch der Umzug wäre kein Problem, schließlich hat sie mich und meinen Freund und einige Kollegen auf der Arbeit die sofort anrücken würden um Kisten und Möbel zu schleppen.
Natürlich will ich sie nicht drängen sich zu trennen. Ich sehe aber wie unglücklich sie ist und kann mich noch zu gut daran erinnern wie ich mich damals in einer ähnlichen Situation gefühlt habe. Tausend Ängste brechen über einen ein und man meint es noch ein bisschen aushalten zu können oder zu müssen. Ich würde ihr so gerne helfen, weiß aber wirklich nicht mehr wie. Was würdet ihr Inge raten? Oder habt ihr vielleicht irgendwelche Tipps für mich wie ich sie besser unterstützen kann? Ich mache mir langsam Sorgen um sie.
Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, das ich recht lange gebraucht habe, um mir einzugestehen, das meine Ehe keine Chance mehr hat. Allerdings hatte ich damals auch, wie deine Freundin Inge jemanden, der mir den emotionalen Halt gegeben hat, den ich brauchte, um mich dann wirklich zu trennen. Und das ist schonmal sehr wichtig.
Es wird also wohl noch einige Zeit brauchen, bis Inge sich wirklich dazu durchringt ihren Partner zu verlassen. Wichtig ist dabei eben nur, das sie immer weiß, das Freunde zu ihr stehen und ihr helfen. Aber gerade bei langen Beziehungen hat man immer die Hoffnung, das sich alles wieder normalisiert.
Wenn dann allerdings der Entschluß gefasst ist, das man sich trennen will, kann das alles sehr schnell gehen. Bei mir waren die Pläne damals wegen der Kinder auch langfristiger ausgelegt und dann gab es zwischen meinem Mann und mir einen Vorfall, der das ganze beschleunigt hat. Zwischen diesem Tag und der entgültigen Trennung lagen dann keine zwei Monate mehr.
Ich hoffe du bist mir nicht böse wenn ich das sage, aber die ganze Sache klingt für mich ein bisschen wie eine schlecht gesrciptete Folge aus der RTL-Realitysoup "Mittem im Leben". In diesem Fall würde ich jedoch sagen, dass du dich völlig richtig entschieden hast und ich der Inge das gleiche sagen würde, wie du auch. Eine solche Trennung ist in einem so extremen Härtefall die einzige mögliche Konsequenz, sie macht sich ihr Leben durch diese Sache doch selbst kaputt.
Natürlich ist es nicht schön, wenn man sich von einer geliebten - oder ehemals geliebten Person trennen muss. Ich könnte mir auch vorstellen, dass deine Freundin sich nicht ohne weiteres dazu "überreden" lässt, sich von ihm zu trennen, da dort ja immer eine Menge zugehört. Vor allem dann, wenn sie vielleicht auf ihren finanziell angewiesen ist.
Als andere Alternative könntest du deiner Freundin vielleicht einfach einmal vorschlagen, so naiv es auch klingen mag, sich mit ihrem Mann an einen Tisch zu setzen. Vielleicht sollte man einfach mal wirklich, völlig offen miteinander reden, auch unter Androhung, dass deine Freundin ihren Mann verlassen wird, wenn dieser nicht ehrlich ist. Wenn es ihrem Mann nicht gefällt, dass diese nicht mehr in ihrem alten Job zurückgekehrt ist, dann könnte diese vielleicht auch versuchen hier etwas zu ändern. Ein Job als "Putzfrau" ist natürlich nicht sonderlich "attraktiv", von daher könnte sie versuchen hier etwas zu ändern, um ihren Mann entgegenzukommen.
Alles in allem muss man die ganze Situation aber objektiv betrachten. Und rein objektiv würde ich sagen, dass die Beziehung der beiden wohl schon keinen Sinn mehr macht, so traurig dies auch sein mag. Du solltest ihr als Freund dennoch unter die Arme greifen und sie nicht dazu drängen, sich von ihrem Mann zu trennen, aber du solltest ihr vielleicht einen kleinen "Anstoß" geben, damit diese mal klar vor Augen hat, wie die aktuelle Situation aussieht.
Ich habe auch lange gebraucht, um wirklich einzusehen, dass ich mich von meinem Partner trennen muss mit dem ich damals fast 12 Jahre zusammen war. Bei mir waren es auch Ängste vor dem Alleinsein, ich hatte Angst, dass ich es finanziell nicht schaffen kann und habe mir allerhand schlimmer Dinge vorgestellt, die passieren könnten und wen ich dann um Hilfe bitten soll, wenn er nicht mehr da ist.
Nun, ich bin das ganze irgendwann ganz ruhig angegangen. Ich habe angefangen mir auszurechnen, wie viel Geld mir im Monat zur Verfügung steht, was davon bezahlt werden muss und ob ich das alleine tragen kann. Damals musste ich mir auch ein Auto anschaffen und wir haben teilweise die Möbel aufgeteilt, so dass also auch noch weitere Kosten einzuplanen waren. Nachdem mir klar war, dass ich es schaffen kann, habe ich ihm gesagt, dass er gehen kann. Es hat mich einige Kraft gekostet und ich weiß, dass es sehr hart ist, aber als es geschafft war, ging es mir so gut wie noch nie zuvor.
Ich kann dir nur raten, ihr weiterhin zur Seite zu stehen. Wenn sie Angst hat vor der finanziellen Seite, sollte sich sich mal ausrechnen, was sie hat und was sie braucht. Vielleicht bekommt sie Hilfe vom Staat, wenn es ihr nicht ausreicht. Sie sollte sich auf jeden Fall im Vorfeld über alles informieren, auch darüber, ob sie ein Auto braucht, neue Möbel und so weiter. Es müssen einfach alle Kosten klar sein. Zudem sollte sie einfach die Angst vor dem Alleinsein verlieren. Ihr muss bewusst werden, dass alles besser ist als das Leben mit ihm. Vielleicht wird er sie noch betrügen, weil es so zwischen den beiden läuft. Ihr muss einfach klar werden, und vielleicht kannst du ihr dabei helfen, dass er kein guter Mann mehr für sie ist und sie nur noch weiter fertig machen wird. Mehr Gefühl als das was jetzt da ist, wird es wohl nicht mehr geben.
Vielleicht solltest du mal mit ihr darüber sprechen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Ich kann mir kaum denken, dass sie es so haben will wie es jetzt ist. Sie sollte sich einmal fragen, ob sie glaubt, dass er sich nochmal ändert. Zudem sollte sie darüber nachdenken, wie viel er mit seiner Art wirklich schon kaputt gemacht hat und ob es da überhaupt etwas zu retten gibt. Oftmals ist das nämlich nicht so, aber den Frauen ist das nicht so bewusst.
Ich weiß leider nicht wie du ihr klar machen sollst, dass das Alleinsein erstmal gar nicht so schlimm ist. Sie wird wieder jemanden finden, aber dazu muss sie erstmal dieser Beziehung entkommen, denn dieser Mann macht sie ja auch seelisch kaputt. Irgendwann ist ihr Selbstwertgefühl so am Boden, dass sie sich gar nicht mehr traut etwas zu tun.
Oh weia, ich kann gut verstehen, was in Dir vorgeht und ich hab das selbst in meinem Freundeskreis leider auch schon viel zu oft erlebt: viele Menschen sind sich der Tatsache bewusst, dass sie nicht glücklich mit dem Ist-Zustand sind und in ihrer Situation eigentlich weder verharren können noch wollen, aber sie können sich trotzdem nicht daraus lösen, aus welchen Gründen auch immer, manchmal auch völlig ohne genannten Grund.
Als Freund ist man da recht hilflos, man hört ewig zu, denkt über das Problem aus verschiedenen Problemen nach, macht es vielleicht sogar zu seinem eigenen Problem. Man leidet mit. Und man will helfen, weil man einen Menschen, der einem vertraut ist und nahe steht, eben nicht leiden sehen will, das ist ja selbstverständlich.
Aber ich für meinen Teil bin doch irgendwann zu der Erkenntnis gekommen, dass es leider überhaupt nichts bringt, sich zu sehr mit diesen Problemen, die sich viele Menschen tatsächlich selbst machen, zu belasten. Natürlich kann man zuhören und natürlich kann man da sein, vielleicht soll man das sogar. Möglicherweise aber nicht in jedem Fall und auf keinen Fall grenzenlos. Irgendwann leidet man selbst nämlich unter Umständen so sehr unter dieser Situation, in der man selbst gar nicht lebt, dass man eigentlich selbst jemanden bräuchte, der einem sagen kann, wie man aus dieser Situation ausbrechen kann.
Die Antwort ist wohl eine Erkenntnis, die da lautet: Menschen, die in Situationen leben und bleiben, die sie als nicht erträglich bezeichnen, erfahren wohl noch nicht genug Leidensdruck, um ihre Situation entscheidend zu verändern. Eine Wahl hat man immer, somit mindestens also auch zwei Wege, die man gehen kann. Vielleicht kommen einem als Betroffener auch beide Wahlmöglichkeiten (bleiben oder gehen in diesem Fall) falsch, aber dennoch muss man die Entscheidung im Endeffekt doch selbst treffen und mit ihren Konsequenzen leben, oder nicht?
Du als Freund kannst lediglich Begleiter sein. Du kannst für Deine Freundin da sein, wenn sie eine andere Perspektive braucht. Aber vielleicht solltest Du ihr und Dir selbst klar machen, dass sie selbst die Entscheidungen für ihr Leben triff, also auch die, die sie nicht trifft, denn eine nicht getroffene Entscheidung ist auch eine Entscheidung, die Konsequenzen hat.
Insofern denke ich, dass ich Deine abschließende Frage, wie Du sie noch mehr unterstützen kannst, folgendermaßen beantworten möchte: Teile Deiner Freundin Deine Meinung mit, wenn sie diese hören möchte. Am besten ist es wohl, wenn Du möglichst offen mit ihr sprichst, deutlich und unmissverständlich.
Sag ihr das, was Du uns hier auch gesagt hast und sag ihr vor allem, dass Du ihr nicht helfen kannst, an ihrer Situation etwas zu verändern, oder besser: die richtige Entscheidung zu treffen. Was für sie die richtige Entscheidung ist, weiß im Endeffekt nur sie selbst, und auch, wenn Du diese Entscheidung falsch findest, kann sie für Deine Freundin durchaus richtig sein. Vielleicht auch nur momentan.
Mach ihr klar, dass Du sie nicht wirklich unterstützen kannst, nicht im Sinne eines ständigen Aufbauens und immer wieder neuer Neuanfänge. Du kannst lediglich jemand sein, zu dem sie kommt und dem sie erzählt, was sie belastet, um sich selbst damit klar zu machen, wie ihre Situation genau aussieht und um durch diese Gespräche herauszufinden, was sie tatsächlich will.
So wie die Situation momentan aussieht, kann ich Inge eigentlich auch nur zu dem gleichen raten, was du getan hast. Sie sollte ihre Sachen packen und so schnell wir möglich ausziehen, denn von dem Mann kann sie ja nun wirklich nichts mehr erwarten. Ich würde mir an ihrer Stelle auch weniger Sorgen darum machen, was denn noch nach dem Auszug so alles passieren kann, als vielmehr darum, was der Mann selbst wohl machen wird, wenn das so weiter geht. Inge ist nämlich nicht die einzige unglückliche in dieser Situation und ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Situation weiter zuspitzt und der Mann selbst es nicht einfach dabei belässt wie es jetzt ist. Und je nachdem wie er so drauf ist, könnte das für Inge mitunter schlimmer enden, als wenn sie sich jetzt zusammenreißt und auszieht.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich immer so meine Mühe damit habe, nachzuvollziehen, wie Menschen Angst davor haben können, selbstständig zu sein. Nun klar ist das eine Umstellung, aber Umstellungen bringen einen nun mal nicht um und die Situation so, wie sie jetzt ist, dass ist doch ziemlich erniedrigend für Inge, das kann sie doch nicht wirklich besser aushalten, als eine Umstellung und einen Auszug in ein eigenes Heim? Letztendlich hört sich das für mich auch in keiner Weise mehr danach an. als hätte Inge Angst davor den Mann zu verlassen, weil sie ihn noch liebt, sie hat keine Angst vor der Trennung sondern scheinbar wirklich einfach nur vor der Selbstständigkeit. Und dagegen könntest doch gerade du ganz wunderbar vorgehen indem du ihr sagst, dass du es auch geschafft hast und sie nicht die einzige ist, die solche Probleme hat.
Als Freund würde ich sie einfach nur noch mal in diesem Entschluss bestärken und ihr gut zureden, ich glaube viel mehr kann man da auch gar nicht machen, sie muss selbst etwas unternehmen, zwingen kann sie niemand dazu. Vielleicht hilft es ihr, wenn du ihr einige Wohnungsangebote heraussuchst und dich möglicherweise sogar um Umzugskartons kümmerst, wenn du ihr bei eurem nächsten Treffen damit kommst, dass du die Kartons hast und wann du sie ihr denn bringen könntest, ich glaube da würde sie schon sehr genau merken, dass du es ernst meinst. Und schließlich kann sie es wohl unmöglich selbst wollen, weiter in dieser Situation zu verbleiben,
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