Gutti - war da mal was?
Wie schnell sich die Welt doch dreht. Vor einem halben Jahr noch, da wurde ein gewisser Karl-Theodor noch in den Himmel gehoben. Was haben ihn alle verehrt, Kritik an ihm, am neuen Glanz des Adels, am neuen Traumpaar, an seiner Strippenzieherkarriere, an den Verwicklungen mit der BILD-Zeitung und vor allem an seinem so häufig widersprüchlichen Handeln, das grenzte nicht nur bei Oma Gertrud, sondern auch im Alltag und in vielen Foren an einer Majestätsbeleidigung, ja sogar Blasphemie.
Selbst als alles längst gegen ihn sprach, da schien es so, als wollte ihm der 'Deutsche Michel' immer noch gegen jede längst offenliegende Verfehlung, weiter die Stange halten, so als gäbe es keine Verantwortung für privates Handeln auch im Amt - mal ganz abgesehen von einem beruflichen Fettnapf nach dem anderen, in den er da trat. Aber bei so einem Mann, da war man bereit, etwas nachlässig zu sein. Man stelle sich nur vor, Lafontaine hätte so gehandelt. Lieschen Müller war trotz aller Kritik bis zuletzt und noch darüber hinaus, beseelt vom Glanze des geölten Prinzen, wünschte ihn sich zum nächsten Kanzler und in ihren feuchtesten Träumen gar zum Kaiser.
Und jetzt? Ein paar Wochen sind vergangen, ein Leistungsträger nach dem anderen wurde entthront - nicht nur unser guter Gutti. Wir sind wieder auf dem Planeten Erde gelandet. Und sogar die letzte Behauptung der Kritiker, die ebenfalls damals schon heftig beschossen wurde, stellt sich nun als unwahr heraus. Guttenberg hat auch beim Thema Bundeswehr ein absolutes Chaos hinterlassen. Blendwerk auch seine letzten Worte: Ein weitgehend bestelltes Haus habe er hinterlassen. Heute lese ich in seriösen Medien von einer 'Bruchbude' die er da seinem Amtsnachfolger übergeben habe. Diese auch von seinen liebenden Fans immer wieder in den Fokus gerückte, hochgelobte Bundeswehrreform, ist ein Dreck, ein Scherbenhaufen. O-Ton aus der SPD: "Nullkommanull Konzeption ... dilletantisch ... nur Chaos." Auch aus der CSU kommen solche Töne. Und wenn nur die Hälfte davon stimmt, ist es immer noch schlimm genug.
Der Mann war so einfach durchschaubar. Zum Verzweifeln aber das Verhalten der Masse, die dem Kanzler in spe folgte, wie die Kinder dem Flöten des Rattenfängers von Hameln. In mir hat diese Heldenverehrung Entsetzen und Angst ausgelöst. Wie kann man, wider besseren Wissens, einem offensichtlichen Blender so kritiklos folgen? Die Masse ist erschreckend einfach verführbar, formbar und manipulierbar. Das zog sich durch alle Schichten, durch jedes Alter. Beängstigend.
Wie seht ihr das heute mit der Verführbarkeit und der atemlosen Kritiklosigkeit, die sich noch vor Wochen - auch hier im Forum - auftat? Habt ihr heute eure Einstellung ein wenig geändert? Oder ist alles wie vorher? Seht ihr diese "Leistungsträger" unserer Gesellschaft heute etwas nüchterner?
Es kommt immer darauf an, wie intensiv man sich mit Politik beschäftigt. JE mehr man weiß, umso besser kann man sich eine Meinung bilden und umso kritischer sieht man einzelne Personen. Die breite Masse beschäftigt sich nicht so intenisv mit Politik, sodass sich viele keine wirkliche Meinung bilden können, zumindest was die Arbeit der jenigen Person angeht.
Wenn man sich die Person Guttenberg anschaut bzw. angeschaut hat, dann war er jemand, der Ausstrahlung hatte, sympathisch wirkte. Im Grund war er ein Hoffnungsträger. Beschäftigt man sich kaum mit seinem Wirken und seinen Erfolgen, kann eine solche Person blenden. Das ist ganz normal und auch nicht verwerflich oder verwunderlich. Im privaten Leben werden wir doch auch von Personen geblendet und sehen es erst, wenn es zu spät ist. Gerade wenn wir Hoffnung in eine Person oder eine Sache stecken, dann sehen wir gerne nur das, was wir sehen wollen.
In den letzten Wochen seines Wirkens sollte aber jeder einigermaßen mitbekommen haben, wo der Hase lang lief. Trotzdem grenzte Kritik an Majestätsbeleidigung. Das fand ich schon heftig. Ich halte mich dabei übrigens an eine alte Regel, selbst wenn ich mal nicht weiß, worum es genau geht: Gerade dann, wenn alle besonders laut jubeln oder besonders laut meckern, dann stinkt die Sache längst zum Himmel. Folge nie, nie, niemals der Herde!
Verdammt, Goethe oder Schiller - einer von den Brüdern hatte da mal einen Spruch in diese Richtung, den würde ich gerne mal wieder finden. Kennt den einer zufällig?
Das war schon interessant mit anzusehen, wie in diesem Fall argumentiert wurde. Wie von verschiedenen Leuten die gleichen abgedroschenen Phrasen - "Der wäre ein toller Kanzler geworden" oder "Die sind doch alle bloß neidisch und wollen ihn los werden" - völlig unreflektiert wiederholt wurden und wie resistent manch einer gegen logische Argumente war. Ich habe zum Beispiel nie eine konkrete Antwort darauf bekommen, wer "die Neidischen" denn genau sind und was ein Jura Professor, der den Schwindel ja wohl aufgedeckt hat, mit denen zu tun hat.
Gleichzeitig hat mich das ganze aber auch irgendwie erschreckt. Ich meine, über das Verführen und Blenden der Massen ist im Zusammenhang mit dem Dritten Reich doch so viel geschrieben worden und ich dachte, dass sich fast jeder irgendwann mal mit diesem Thema beschäftigt hat, zumindest wenn er in Deutschland aufgewachsen ist. Eigentlich müsste man doch bei einem umjubelten Politiker, der sich mehr und mehr als Luftnummer entpuppt total hellhörig werden, selbst wenn man sich sonst nicht weiter mit Politik beschäftigt.
Andererseits habe ich auch Kommentare von Leuten gelesen, die anscheinend den Unterschied zwischen einer Doktorarbeit und einer Mathearbeit in der Grundschule absolut nicht begreifen. Da kann man dann wohl auch kein Geschichtsbewusstsein erwarten.
Das Thema Guttenberg, wurde wie viele andere Themen absichtlich von den Medien nach oben gebracht. Nachdem man rausbekommen hatte, dass mit der Doktorarbeit von ihm etwas nicht stimmte, haben das die Medien natürlich ausgenutzt und haben das Thema bis zum äußersten ausgeschlachtet. Man könnte sagen, es war der tiefe Fall von Karl Theodor zu Guttenberg. Er hat alle seine Ämter zurückgegeben und ist erst einmal in der Versenkung verschwunden. Da wird er aber denke ich, nicht mehr lang bleiben. Denn der Mann ist ein Kämpfer und weiß ganz genau, was er zu tun hat. Er wird jetzt Karriere in der Lokalpolitik machen und wenn er genug Unterstützer hat, wird er wieder Bundespolitik machen. Er wird sich wieder nach oben arbeiten und das Volk wird ihn wieder mögen. Ob das so gut ist, das wird man sehen. Ich fand ihn jedenfalls schon immer politisch korrekt, auch wenn ich die CDU nicht so fantastisch finde.
@ IamPirat - Dass er auch politisch einen Scherbenhaufen hinterlassen hat - zuletzt sichtbar an der 'Bundeswehrreform' habe ich doch gerade oben geschildert. Und das war nur das I-Tüpfelchen vor dem Hintergrund seines sonstigen politischen Wirkens. Wie sich sehr schnell rausstellte, hat er uns alle vor laufenden Kameras, mit einem leichten Wimpernzucken belogen. Wie kannst du ihn alleine nur vor diesem Hintergrund noch 'politisch korrekt' finden? Der hat Mist gebaut ohne Ende und bekommt es nun sogar von seinen eigenen Parteigenossen um den Bart geschmiert. Selbst Seehofer verdreht schon nur noch die Augen, wenn er den Namen nur hört. Guttenberg hat seine Glaubwürdigkeit verloren, das reicht nicht mal mehr für Lokalpolitik. Zudem wird er sich diese Schmach mit seinem Vermögen im Rücken sowieso nicht antun wollen.
Du hast leider nicht begriffen, dass sich die Medien nicht nach Entdeckung der gefälschten Doktorarbeit auf ihn gestürzt haben, sondern dass er sich und seine Frau ganz gezielt mit Hilfe der Springer Presse, konkreter vor allem mit Hilfe der Bild-Zeitung lange, lange vorher überhaupt erst hat in diese exponierte Position hat bringen lassen. Dieses mediale Feuerwerk begann irgendwann Anfang 2009 und wurde richtig heftig ab Herbst 2010. Höhepunkt dieser PR-Kampagne waren dann die Besuche in Afghanistan, zumal der mit Gattin und Kerner im Schlepptau. Ich könnte immer lachen, wenn behauptet wird, die Medien hätten sich auf ihn gestürzt, denn wie Guttenberg und Frau vorher über fast anderthalb Jahre BILD u. a. benutzt haben, das wird dabei immer geflissentlich vergessen. U. a. zuständig für die Verbreitung der Geschichten: Tamara Gräfin von Nayhauß und Anna von Bayern, zufällig auch noch gute Freundinnen des Hauses.
Die Leute haben ihn nur toll, schön, korrekt, sympathisch usw. gefunden, weil die Springer-Presse und einige andere willige Medien ihn zu dem gemacht haben. Die Menschen sind verführt worden und sind wieder mal auf die Bild reingefallen. Im Grunde war das also alles eine Werbekampagne, bei der das Produkt dann den Elch-Test nicht bestanden hat. Etwas beunruhigend ist dabei, dass man die A-Klasse dann später doch noch auf die Straße bekommen hat.
IamPirat hat geschrieben:Ich fand ihn jedenfalls schon immer politisch korrekt, auch wenn ich die CDU nicht so fantastisch finde.
Darf ich fragen warum? Was ist denn an ihm so politisch korrekt gewesen?
Bei solchen Aussagen frage ich mich manchmal wirklich, ob ich ein total anderes Wertesystem habe, denn jemand, der die Schuld immer bei anderen sucht ist für mich nicht korrekt. Und wenn jemand bei einem Fehler ertappt wird, diesen erst mal kategorisch leugnet und später scheibchenweise zu gibt, weil die Beweislast so erdrückend ist, dass sich nichts mehr leugnen lässt, ist das für mich auch nicht korrekt.
Auch wenn seine Anhänger, die er ja immer noch zu haben scheint, weiter von seiner Rückkehr träumen, denke ich, dass er sich mit seiner letzten Aussage zum Thema Doktorarbeit endgültig ins Aus geschossen hat. Ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist - aber seine Universität hat bestätigt, dass er bewusst und systematisch betrogen hat und er hat immer noch so getan, als wäre das alles nur ein Versehen und, dass sowieso der Erwartungsdruck der Familie und der ganze Stress im Job an allem schuld war. Mit anderen Worten, selbst jetzt hat er noch nicht die Eier einfach zuzugeben, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Und das ist eine Eigenschaft, die ein guter Politiker schon haben sollte.
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