Umgang mit Patienten

vom 27.03.2011, 20:05 Uhr

Normalerweise soll man jedem Patienten gleich freundlich entgegen treten, ohne persönlicher Wertung, so objektiv wie möglich, alle sollen gleich sein. Nun, dass ist gar nicht so einfach. Vor allem die, die mir ans Herz wachsen behandele ich zwar nicht besser, aber ich mache einfach einen ticken mehr für sie als für die anderen.

Der Umgang mit Patienten ist weiß Gott nicht immer einfach. Es gibt so einige schwierige Querulanten, die dann die wirklich netten Patienten schon fast vergessen machen. Da wäre der massiv depressive, aggressive Typus Mann, meist Anfang 40 bis Ende 50 Jahre alt, dem einfach nichts passt und wo man sich ständig die Beschwerden anhören darf, über alles und jeden. Dieser Typus schaukelt sich gerne mit anderen ihres Schlages hoch. Ähnliches gilt auch für Frauen eines ähnlichen Typus. Ebenfalls depressiv und dauer nörgelnd. Zusätzlich wachen sie dann mit Argusaugen auf jede kleine Handlung und machen aus Kleinigkeiten Dramen. Dieser Typus möchte oft nie wieder entlassen werden, obwohl immer das Gegenteil behauptet wird. Wenn es dann zur Entlassung geht, werden neue Beschwerden aufgetan.

Der nächste Teil betrifft ausländische Patienten, die kein Deutsch können oder nur wenige Satzfragmente. Viele sind sehr nett, doch gerade einige wenige männliche Patienten erweisen sich als schlimme Patriarchen. Ich bin von so einem schon als "Schlampe" bezeichnet worden. Das einzige was ich ihm getan hatte, war ihm die Windelhose zu wechseln. Es war wirklich schwierig mit diesem Patienten, weil er uns gegenüber ausfallend wurde und sehr fest zupacken konnte. Da ist keiner gerne rein gegangen, obwohl die Arbeit natürlich trotzdem gemacht wurde wie es sich gehört. Ich war dennoch sehr verletzt danach.

Ich will hier die demenzen, die nicht mehr viel für ihr Verhalten können außen vor lassen. Vielleicht arbeitet hier jemand selbst viel mit Patienten und weiß Tipps und Tricks wie man vor allem die latent aggressiven und depressiven entschärft.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich arbeite auf einer ziemlich großen chirurgischen Station, die in zwei kleine Stationen unterteilt ist und das Personal oft hin- und herwechseln muss - von einer Seite auf die andere und zurück.

Als ich neulich den ersten Frühdienst auf der einen Seite antrat, hieß es schon frühs "Bei dem alten Mann musst du vorsichtig sein, ein schrecklicher Kerl ist das. Unhöflich, undankbar, meckert nur herum, etc." Ich höre mir das an, aber ich finde, dass unser Patientenumgang sich oft auf Vorurteilen aufbaut. Berichtet der Frühdienst vom "unmöglichen Patienten in Zimmer 21", dann glaubt der Spätdienst auch, dass im betreffenden Zimmer ein unmöglicher Mensch liegt und wir gehen von vornherein schon anders heran, sodass der Patient, der am ersten Tag vielleicht nur unfreundlich war, weil ihm alles zu viel war, unfreundlich bleibt.

Ich dachte mir so: na, der Sache gehst du auf den Grund. Und tatsächlich, der alte Mann machte nicht gerade einen sehr sympathischen Eindruck. Aber ich denke, dass man sich von so etwas nicht abwimmeln lassen darf. Dauernd fühlen sich Schwestern angegriffen - vielleicht, weil wir dauernd für andere da sind und nach dem suchen, der für uns da ist? Wir müssen nicht alles mit uns machen lassen, aber wir sollten nicht mit den Mitteln der Verteidigung, sondern mit den Mitteln der Entwaffnung kämpfen, finde ich.

Ich habe alle Maßnahmen an und mit ihm genutzt, um das Gute in ihm herauszuholen. Und womit kriegen wir Patienten so gut wie immer? Mit Fragen über Familie, Hobbys und Arbeit. Und ich habe ihn gekriegt. Am Tag der Entlassung hatte er Tränen in den Augen und hat mich seiner Familie vorgestellt. Ich denke, dass wir viele Patienten allein mit einigen privaten Worten in die richtige Bahn lenken können. Krankenhaus ist so schon Mist. Da liegen die alleine, sind krank, vielleicht sogar sterbenskrank und ich kann mir gut vorstellen, dass das "depressiv" macht. Mit ein bisschen Menschlichkeit kann man dem entgegen wirken. Manchmal klappt es nicht beim ersten Anlauf, aber man muss dran bleiben und oft genug zahlt sich das aus.

Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch irgendwo in sich einen guten Kern hat. Sicher, es gibt auch welche, bei denen mache ich auch nur das Nötigste, aber das sind dann meist Patienten, die noch selbst soweit fit sind, dass sie auch nur das Nötigste wollen. Und bei denen, die es dennoch übertreiben, denke ich, ist es nicht verkehrt ist, mit normalen "moralischen Mitteln" heranzutreten. Ich hatte mal einen Patienten, einen Sportler mit Privatversicherung, der dachte auch, dass er mich herumkommandieren könne.

Ich kam herein, weil ich Blutdruck messen wollte und er streckte mir seinen Arm entgegen und brüllte fast: "Herkommen, messen!" - als wären wir bei der Bundeswehr. Das war ja nun ein ganz unmögliches Verhalten, ich war erst ein wenig verdutzt deswegen und was habe ich gemacht, ich bin ihm so begegnet, wo es ihm scheinbar gefehlt hat - auf Grundschulebene - und habe ihm höflich erklärt, wie "wir uns" zu benehmen haben - nicht verteidigend, einfach ausbremsend. Hinterher war es ihm sehr peinlich und er hat sich ab da zurückgehalten.

Man muss nicht jeden mögen und ich glaube sogar, dass man nicht für jeden Patienten gleich viel Zeit aufbringen muss, weil nicht jeder diese Zeit nötig hat und auch nicht jeder möchte das. Gerade mit diesem Sportler habe ich nicht viel Zeit verbracht. Er hatte nichts Ernstes, dem ging es gut, vielleicht schon fast zu gut :lol: und da habe ich ausdehnendere Gespräche einfach vermieden, weil er mir unsympathisch war. Wo steht geschrieben, dass jeder Patient ein Recht auf herzliche Privatgespräche hat. Solche Gespräche gehen ohnehin meist auf die Rechnung von unseren Privat- und Pausenminuten. Natürlich bin ich zu diesen Ausnahmefällen nicht unfreundlich oder weniger hilfsbereit, aber ich muss nicht sein Freund werden, wenn er nicht meiner werden will, um es mal ganz einfach auszudrücken.

Und dieser ausländische Patient, den du beschrieben hast, der wird einfach einen kleinen Kulturschock erlebt haben, was für ihn auch nicht toll gewesen sein muss. In seiner Kultur gilt eine strikte Trennung der Geschlechter, nehm ich an, er kennt das nicht, dass Frauen Männer nackt sehen, wenn sie sich womöglich nicht einmal kennen. Darüber solltest du dir keine ernsten Gedanken machen oder dich verletzen lassen, denn den wirst du als deutsche Schwester nicht ändern.

Es ist manchmal schwierig, wenn im Krankenhaus so verschiedene Kulturen aufeinander treffen, aber irgendwie muss es eben gehen. Da würde ich die männlichen Pfleger reinschicken, wenn vorhanden oder würde erst recht eine Trennwand bei solchen Maßnahmen aufstellen, damit er sich nicht noch gekränkter in seiner Ehre fühlt, wenn die anderen Leute im Raum sehen, wie er auf eine Frau angewiesen ist. Zurechtweisen wird nicht viel helfen, du kannst dich nur entschuldigen und erklären, dass es einfach gerade keine andere Möglichkeit gibt, außer er tut es selbst - wenn das geht. Frag ihn, wie er sich das vorstellt - vielleicht kommt er dann selbst darauf, dass er da leider jetzt durch muss.

Als Grundregel sage ich mir immer: lächle die Welt an und sie lächelt zurück. Meistens klappt das. Einfach konsequent freundlich sein, sich nicht aus der Bahn bringen lassen durch Mürrischkeit, privaten Smalltalk führen, wenn angebracht, auch etwas tiefer gehen dabei und was ganz oft hilft, ist die direkte Konfrontation mit dem Fehlverhalten. Bleibe höflich und stark und frage, warum er so ist, wie er gerade ist; ob es ihm an etwas fehlt, was man ändern könnte und bei solchen Unverschämtheiten wie meinem Sportler schadet es auch nicht, wenn man mal die Grundregeln des zwischenmenschlichen Verhaltens mit dem Patienten wiederholt. Manche Patienten werden beim Anblick von Schwestern übermütig, das muss man ausbremsen, wie man es auch im normalen Alltag ausbremsen würde. Wichtig ist auch, dass du auf deine eigene Körpersprache achtest und nicht versteinert, abwehrend oder ängstlich wirkst.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Menschen sind nun mal verschieden und ich persönlich denke, dass ihr wenigstens bei dem ausländischen Mann, der von euch so geschockt war, anders hättet handeln können. Ich denke es wird doch wohl offensichtlich gewesen sein, dass er einfach darüber entsetzt war, dass es eine Frau ist, die ihm die Windel wechselt und die Windel als Erwachsener gewechselt zu bekommen, dass ist doch ohnehin schon eine sehr erniedrigende Situation, findest du nicht? Und in seinem Land ist es vermeintlich nicht üblich, dass solche Aufgaben dann von Frauen übernommen wird, also hat er sich noch erbärmlicher gefühlt, also ohnehin schon! Hättet ihr da nicht ein bisschen Verständnis haben können und einfach einen Pfleger herrufen können? Das wäre meiner Meinung nach durchaus angebracht gewesen, anstatt sich einfach darüber aufzuregen, das dem Mann das nicht gefällt.

Bei den anderen Patienten zeichnen sich häufig unterschiedliche Typen ab, da kann ich dir durchaus zustimmen. Es gibt Patienten die hassen das Krankenhaus und wollen nur so schnell wie möglich da raus und andere hinwieder genießen es scheinbar, umsorgt zu werden und jemanden zu haben, der sich ihre Klagen und ihr Gemecker anhört. Ich will mir nicht vorstellen, wie es bei diesen Patienten zu Hause aussieht, dass sie das Krankenhaus der Familie derart vorziehen, aber es wird auch da sicherlich Fälle geben, die man nachvollziehen kann und oftmals handelt es sich doch auch um ernsthafte Persönlichkeitsstörungen, die man nicht unterschätzen sollte. Solchen Menschen sollte man nicht immer mit Unverständnis begegnen, sich aber das Krankenpfleger durchaus autoritär verhalten und sich nicht alles gefallen und mit sich machen lassen, sondern auch durchaus klar machen, wo die Grenzen sind. Mitunter muss man dem einen oder anderen Gemecker dann auch schon mal mit Ignoranz begegnen.

Ich selbst habe mit Patienten bislang wenig am Hut gehabt. Ich habe zwar schon einige Krankenhausaufenthalte hinter mir, aber da war ich zum Glück immer in einem Einzelzimmer und ansonsten habe ich einmal eine Woche in einem Altersheim arbeiten müssen. Damals habe ich das aber nur aus Freundschaft gemacht, eine Bekannte von mir musste die Woche unbedingt frei haben und hat nach einer Vertretung gesucht. Genau wie du, habe auch ich hier unterschiedliche Typen kennengekernt, wobei ich nicht so weit gehen musste Windeln zu wechseln oder so, sondern meine Aufgabe hauptsächlich darin bestand die Patienten zu unterhalten, ihnen vorzulesen und sie zu füttern. Auch hier gab es Menschen, die sich darüber sehr gefreut haben und immer wieder nach mir gefragt haben, mich bei sich haben wollten und welche, die nur gemeckert haben, dass ihnen ihr eigenes Buch nicht mehr gefällt, ich zu leise oder zu schnell lese und so weiter und so fort. Das war auch nicht immer leicht, aber ich stecke das in der Regel gut weg und lasse mich davon nie groß beeindrucken, sondern ignoriere die Beschweren so gut es nur eben geht.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich bin öfters Patientin im Krankenhaus und habe leider beobachten können, dass man auf Dauer wohl nicht unvoreingenommen mit Patienten umgehen kann. Also aus Sicht der Pflege. Da wird viel auf das gehört, was andere sagen. Wie halt Mandragora schon erwähnte. Kommt aber sicherlich auch auf die Station an.

Während meiner Krankenhauskarriere konnte ich folgendes beobachten. Erster Aufenthalt vor Jahren. Ich bekam damals ein Medikament, auf das ich aggressiv reagierte. Ich erwähnte das mehrfach. Wobei ich aber nicht aggressiv in körperlicher Form gegenüber anderen war. Aber man merkte es halt an meinem Verhalten. Mir wurde da gar nicht wirklich zugehört und zeitweise wurde auch klar gesagt, falls ich das Medikament absetze, schmeißt man mich raus. Irgendwann wurde das Medikament dann doch abgesetzt und ich wurde quasi zu einem anderen Menschen.

Leider war in dem Haus nun bekannt, ich bin aggressiv. Beim nächsten stationären Aufenthalt merkte man das auch am Verhalten der Pflege mir gegenüber. Eines Tages nahm mich eine Schwester zu Seite und teilte mir mit, dass sie es ja so toll findet, dass sich mein Verhalten geändert hat und ich sei ja nicht mehr so aggressiv. Sie war der Meinung das liegt an den neuen Medikamenten. Das ich bei den Aufenthalten vorher aber immer wieder darüber geklagt habe, dass mich das damalige Medikament aggressiv macht, das wurde mit keinem Wort erwähnt.

Beim letzten Aufenthalt in dem Krankenhaus war ich auf einer anderen Station. Allerdings selbes Fachgebiet. Auch dort konnte man mit mir nicht unvoreingenommen umgehen. Ich habe noch nie eine so desinteressierte Pflege erlebt. Kommentar von Mitpatienten, die interessiert es doch gar nicht was wir machen. Genau meine Gedanken und ich hätte eher noch gedacht, dass ich mir das mal wieder einbilde, bis es halt andere ansprachen. Aber das war noch zu toppen. Aufgrund des Desinteresse erfolgte dann noch eine Verlegung auf eine andere Station. Und dort waren wohl auch schon alle Gerüchte über mich durch gedrungen. Und wenn das nicht reichte, dann war klar, die Patientin hat die und die Erkrankung und deshalb ist es schwer mit ihr umzugehen. Ich stieß auf eine Mauer von Vorurteilen und war auch absolut Null in der Lage, die Sache klar zu stellen.

Wochen nach dem Aufenthalt las ich den Blogeintrag eines Pflegers der Station, der über die Patienten her zog und der seine Arbeit gerade langweilig und stressig und nervig fand, wegen der doofen Patienten. Datum und Uhrzeit standen dabei. Ich saß in der Zeit Stunden heulend im Raucherhof, der vom Pflegezimmer einsehbar war. Es hat niemanden interessiert. Und Wochen nach dem Aufenthalt sprach mich eine Schwester einer anderen Station mit Namen an. Ich hatte mit der Frau noch nie was zu tun. Woher kennt sie meinen Namen? Die Gerüchteküche muss dort echt gekocht haben.

Das Beste was ich als Patient erlebt habe, war ein Mann der Bezugspflege bei mir machen sollte. Es ist in dem Krankenhaus bekannt, dass ich mit Männern nicht unbedingt rede. Noch dazu kannte ich den Mann gar nicht. Und auf der besagten Station kannte ich über die Hälfte der Pflege schon vorher. Er fertigte mich mit so Phrasen ab wie: Mit Menschen wie Ihnen geht man ja keine nähere Beziehung ein und so weiter. Und das im Erstgespräch. In einer Situation in der ich eh schon verstört war.

Leider sind das Sachen, die mir oft über den Weg laufen. Es werden erst die negativen Aspekte der Erkrankung gesehen. Da ist mal ein Patient, der halt alle Klischees erfüllt und deshalb sind alle so. Da wird gar nicht erst versucht, den Mensch dahinter kennen zu lernen. Etwas was ich persönlich als schwierig empfinde. Denn ich habe auf der anderen Seite auch schon die Erfahrung gemacht, dass es durchaus aus Pflegepersonal gibt, die sich mit mir versucht haben auseinander zu setzen oder mich halt näher kennenlernten und dir mir durchaus vermitteln, dass man mich nett findet. Aber die meisten gehen den Weg gar nicht erst.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



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