Suizide, die andere Menschen einschränken...

vom 18.03.2011, 19:19 Uhr

Wenn es sich um unheilbare Krankheiten handelt habe ich sogar Verständnis dafür, alles andere ist in meinen Augen kein richtiger Grund

Einige Erkrankungen, in denen Suizidalität nun mal dazu gehören oder das wichtigste Symptom sind, sind unheilbar. Somit also wieder eine Freigabe für Selbstmord?

Und es ist nicht so, dass ich cologneboy2009 nicht verstehen kann, aber ich finde den Ansatz nicht richtig. Mir ist das vor Jahren auf meinem Arbeitsweg auch passiert. Nur hielt da mein Zug so drei Stationen nach dem ich eingestiegen war. Keinerlei Information der deutschen Bahn, nur das es einen Personenschaden gab. Ich habe mich dann von meinem Vater holen lassen, der wenig begeistert war, da noch 1,5 Stunden durch die Gegend zu fahren. Erster Satz von ihm: Fährt kein Ersatzverkehr? Gute Frage, wurde uns nicht mitgeteilt. Und ich habe mich damals auch mehr über die Informationspolitik der Bahn aufgeregt.

Sorry es könnte auch ein Baum auf die Gleise fallen oder sonst was, worauf kein Mensch einen Einfluss hat. Das sind Sachen, die von der Deutschen Bahn mit eingeplant werden sollten. Das Problem wäre dann ja mit Schienenersatzverkehr zumindest teilweise gelöst oder? Aber wo ist die Bahn in so Momenten? Komischerweise wettert da keiner, dass die Bahn da keine Lösung für findet. Da wird über irgend wen gewettert.

Und Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst sind geschult im Umgang mit solchen Erlebnissen, aber was ist mit dem Lokführer, den Angehörigen oder Nachbarn, die das miterleben müssen?

Wer kümmert sich um die Angehörigen und Nachbarn eines Selbstmörders, der sich mit Tabletten umgebracht hat? Der seit Wochen verwesend in der Wohnung liegt? Und davon abgesehen, auch Lokführer bekommen in solchen Fällen durch den Arbeitgeber Hilfe. Und das soll nun nicht heißen, dass ich die Methode gut finde. Ich finde nur die Argumentation echt bescheiden.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



SuperGrobi hat geschrieben:Sagen wir mal so, ein Suizid ist nie schön!


Das denke ich auch, das wir uns in dem Punkt alle einig sind, das ein Suizid nichts schönes ist. Die Meinung zu dem warum, wieso und wer Schuld hat und so werden wir nie alle auf einen Nenner bringen können, denn jeder hat seinen eigenen Standpunkt zu diesem Thema und daran ist ja auch nichts verwerfliches, solange man es sachlich angeht und keinen persönlich damit angreift.

Klar gibt es bei einem Suizid immer unschuldige Menschen, die damit konfrontiert werden, aber man muss auch bedenken, wie verzweifelt muss ein Mensch sein, das er sein Leben beednet. Dafür werden die Menschen, die einen Suizid begehen wohl ihre eigenen für sie wichtigen Gründe haben und nicht jeder wird diese verstehen können, dafür sind wir Menschen einfach zu unterschiedlich gestrickt.

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» Chrissiger » Beiträge: 1296 » Talkpoints: -2,34 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


LittleSister hat geschrieben:Wer kümmert sich um die Angehörigen und Nachbarn eines Selbstmörders, der sich mit Tabletten umgebracht hat? Der seit Wochen verwesend in der Wohnung liegt? Und davon abgesehen, auch Lokführer bekommen in solchen Fällen durch den Arbeitgeber Hilfe. Und das soll nun nicht heißen, dass ich die Methode gut finde. Ich finde nur die Argumentation echt bescheiden.


Ich respektiere deine Meinung, bin jedoch anderer Ansicht. Da jeder von uns seinen Standpunkt hat und diesen auch für sich begründen kann, denke ich, dass wir darüber hier nicht weiter diskutieren brauchen. Und um den Suizid generell bzw. ob es nun feige undr egoistisch ist oder ob es gegebenenfalls nachvollziehbar sein kann, darum geht es hier ja auch nicht.

Sagen wir mal so, ein Suizid ist nie schön und für alle Beteiligten schlimm. Und Beteiligte (Angehörige, Nachbarn, Polizei, Feuerwehr usw.) gibt es nun mal in jedem Fall.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Der Tot generell ist nicht schön oder? Und mal davon abgesehen, wie gehen Menschen damit um, wenn sie einen Toten finden, der plötzlich und unerwartet eines natürliches Todes starb? Wird einem Menschen, der auf der Autobahn einen Herzinfarkt bekommt und einen Massenunfall verursacht auch solche Vorwürfe gemacht? Und so weiter.

Es geht mir auch nicht darum, andere Ansichten nicht zu akzeptieren. Aber ich denke es ist auch wichtig, dass man einfach auch mal versucht, andere Ansichten zu überdenken. Auch mal nachzuvollziehen, wie sich ein Mensch mit Suizidgedanken fühlt. Statt einfach nur zu sagen, man kann das nicht nachvollziehen. Statt zu versuchen, einem suizidalen Menschen noch die letzte Entscheidung abzunehmen. In dem Fall ihm vorzuschreiben, wie er zu sterben hat.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



LittleSister hat geschrieben:Der Tot generell ist nicht schön oder? Und mal davon abgesehen, wie gehen Menschen damit um, wenn sie einen Toten finden, der plötzlich und unerwartet eines natürliches Todes starb? Wird einem Menschen, der auf der Autobahn einen Herzinfarkt bekommt und einen Massenunfall verursacht auch solche Vorwürfe gemacht? Und so weiter.


Ist es für Angehörige nicht einfacher zu verstehen und zu verarbeiten, wenn jemand eines natürlichen Todes stirbt? Der Tod gehört nun mal zum Leben dazu und das muss man akzeptieren. Aber kann man es als Angehöriger akzeptieren, wenn sich jemand selbst umbringt? Macht man sich nicht unglaubliche Vorwürfe, dass man vielleicht nicht bemerkt hat, dass es dieser Person schlecht geht?

Und nein, einem Menschen, der auf der Autobahn plötzlich einen Herzinfarkt bekommt und einen Massenunfall mit vielleicht mehreren Toten verursacht, macht man keine Vorwürfe. Wieso sollte man das auch tun? Das ist ein tragischer Unfall, keine Frage, aber es ist doch etwas anderes, wenn jemand sich freiwillig für den Tod entscheidet oder aufgrund einer Krankheit stirbt.

Ich versuche ja zu verstehen, wie sich ein Mensch mit Suizidgedanken fühlt, aber ich gebe, dass mir das sehr schwer fällt. In meinen Augen gibt es im Leben immer etwas lebenswertes.

Was ich allerdings glaube, dass ein Mensch mit Suizidgedanken nicht in der Lage ist, zu erkennen, dass er durch sein Verhalten möglicherweise auch andere Leute schädigt. Jemand, der sich umbringen will, denkt vermutlich nicht darüber nach, ob es für alle Beteiligten nun besser wäre, wenn er sich vor einen Zug wirft oder Tabletten nimmt.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich finde dein Beispiel ein wenig überzogen. Klar ist es nervend, wenn man seinen Zug verpasst und wichtige Termine dadurch nicht wahrnehmen kann, aber da hat jemand sein Leben gelassen, weil es nicht weiter wusste. Das wäre mir im Falle meines Suizids auch egal gewesen. Darüber denkt man nicht nach und das kann ich nachvollziehen.

Was ich auch finde ist, dass Menschen die sich umbringen eigentlich Egoisten sind. Von meiner Patentante der Papa hat sich erhängt, ohne "Vorwarnung" oder Anzeichen. Er ist einfach von der Welt gegangen und hat seine Frau und drei Kinder hinterlassen. Eine Tochter war so unglaublich sauer auf ihn. Aber er hat es nicht mit böser Absicht getan, sondern weil er keinen Ausweg gesehen hat. Ja, das ist egoistisch. Aber kaum einer weiß, wie ein Mensch sich fühlt, der nicht mehr leben will.

Von daher sollte man mit Äußerungen, wie du sie machst, wohl sehr vorsichtig sein. Denn da gab es einen Menschen, der mit Kummer belastet war und der wohl Menschen hinterlassen hat, die es nun sind. Da sollte ein verpasster Zug egal sein.

» ElfriedePueschel » Beiträge: 6 » Talkpoints: 2,38 »


Ob es denen egal ist, wenn andere betroffen ist, kann ich nicht sagen. Aber es ist doch so, dass Selbstmörder, die sich vor eine Bahn schmeißen, nicht wirklich nachdenken. Das zeigt ja schon die Tatsache, dass sie sich vor die Bahn schmeißen, was ja oft genug überlebt wird, dann aber mit einigen Gliedmaßen weniger.

Und ich finde es etwas viel verlangt, wenn ein Selbstmörder auch noch Rücksicht auf andere Leute nehmen sollte. Meistens haben ja gerade die daran Schuld, dass derjenige sich überhaupt umbringen will und da wäre es ja ziemlich paradox, wenn derjenige noch Rücksicht nehmen sollte.

Ich persönlich ärgere mich nicht besonders über Selbstmörder, die sich vor die Bahn schmeißen. Die Bahn hat doch eh ständig Verspätungen und Ausfälle und ich finde diese zwar generell ärgerlich, aber großartig stören tut es mich nicht. Wenn ich wichtige Termine habe, wie beispielsweise in der Uni, plane ich immer so viel Zeit ein, dass ich auch bei so einem Zwischenfall noch rechtzeitig hinkomme und habe auch immer eine Alternative parat, beispielsweise die Nummer einer Taxi-Zentrale. Deswegen hättest du bei deiner Vorlesung vielleicht einfach besser planen müssen.

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» pepsi-light » Beiträge: 6018 » Talkpoints: 2,14 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ob derjenige, der sich gerade vor den Zug geworfen hat, wirklich in die Enge getrieben wurde, das weiß niemand. Darüber kann keiner urteilen. Und ob es fies ist, dass so über den "armen Menschen" gedacht wird, wie hier geschrieben, kann keiner sagen, weil er den armen Menschen nicht kannte und auch nicht den Antriebsgrund zu tun, was er getan hat.

Es geht nicht darum, ob sich Nahestehende verletzt fühlen, dann hätten sie helfen müssen, bevor das Unglück geschah. Wenn sich jemand aus freien Stücken vor den Zug wirft, sollte er aber auch an die Konsequenzen denken, denn dazu hatte er Zeit genug. Er hat sich nicht erst zwei Minuten vor Ankunft des Zuges entschlossen, das zu tun. Jemand schreibt, dass bei einem Suizid immer jemand ungewollt in die Probleme mit hineingezogen wird. Das ist leider wahr.

EmskoppEL, du meinst, man soll an die Angehörigen des Verunglückten denken. Weißt du, ob nicht gerade sie diejenigen sind, die ihn zu dieser Tat getrieben haben? Getrieben haben durch "Nicht hinhören" oder "Keine Zeit haben" usw. Die wenigsten finden wirklich Hilfe, wenn sie welche suchen.

Little Sister, ob deine Bekannte nun Recht hat, wenn es ihr sehr schlecht geht und sie beharrt auf einer bestimmten Klinik, kann ich nicht beurteilen. Es ist natürlich sehr großes Pech, wenn die Telefonseelsorge laufend besetzt ist. Was da zu tun ist, ich weiß nicht, vielleicht einen Seelsorger anrufen.

Dass in einer sozialen Einrichtung sexuelle Belästigungen seitens des Personals vorkommen, ist der Hammer. Da sollte sofort die Polizei eingeschaltet werden. Ich kenne die psychische Betreuung in Krisensitzungen nicht, aber ich finde 80 Therapiestunden sind eine Menge. Gibt es keine Therapie in nicht ambulanter Behandlung? Wenn man so lange in Behandlung ist, muß es doch irgendwann mal einen Funken Hoffnung geben?

Little Sister, ich finde Selbstmord nicht feige, ich glaube sogar, es gehört außerordentlich viel Mut dazu, den muß man erst einmal aufbringen, Du Schreibst von Doppelmoral. Wenn Menschen mehrmals einen Selbstmord ankündigen und man bemüht sich, ihnen zu helfen, und später siehst du, dass alles nichts hilft, dann stumpft man ab und sagt schon aus Verzweiflung:"Tu es doch endlich!" Das kann ich vollkommen verstehen.

Thaddäus, es geht nicht darum, was versäumt wurde, wenn es dich z.B. getroffen hätte bei dem wichtigsten meeting deines Lebens, hättest du dann auch diese Zeilen geschrieben? Weiß du, welchen Wert dieser Einkauf hatte? Du urteilst einseitig ohne genaue Kenntnisse.

Übrigens, wenn man die richtigen Tabletten und genügend davon nimmt, müßte ein Selbstmord klappen, wieso nicht sicher? Jeder tut seinen Senf dazu, teilweise völlig unqualifiziert.

Wenn z.B. einer der Patienten in der Arztpraxis, wo die Ärztin ins Nachbardorf mußte, terminmäßig gebunden war, konnte er gehen und ein anderes Mal wiederkommen. Das kann man nun beim besten Willen nicht mit dem Threadbeispiel vergleichen.

Ihr schreibt immer, "die armen Angehörigen". ja, das ist manchmal schlimm. Vor Jahren hat es mich getroffen. Man fand meinen besten Freund in einem Waldstück im Nachbarort, erhängt an einem Baum. Kein Brief - nichts -. Es war ein fröhlicher, lebenslustiger Mann, der nie traurig war. Von irgendwelchen Problemen wußte niemand etwas. Wenn er welche hatte, konnte er sie gut verbergen. Ich habe nie bemerkt, dass er vielleicht Hilfe brauchte und gesagt hat er nichts. Wenn man sagt, irgendwer mußte das doch merken, ist das nicht immer so, siehe mein Fall.
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» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


EmskoppEL hat geschrieben:Klar ist es ärgerlich, das dadurch die Züge und so ausfallen, aber ich rege mich doch nicht so auf, wenn ich "nur" shoppen gehen möchte.


Ist der Grund, weswegen man sich über so jemanden ärgert, nicht zweitrangig? Man könnte das ganze auch auf ein höheres Level heben und sagen: dieser Mensch klaut meine Lebenszeit, weil ich wegen ihm eingeschränkt bin. Besser so? Selbst wenn es "nur" eine Shoppingtour ist oder ein Seminar, das anderen sicher egal, mir jedoch wichtig ist - das Endergebnis bleibt dasselbe. Ein schönes Beispiel ist das von Hooker - was wäre, wenn man durch so ein Ereignis seinen Urlaubsflieger verpasst? Darf man sich dann aufregen oder selbst dann nicht?

EmskoppEL hat geschrieben:Denk doch mal an die Angehörigen des Verunglückten oder an die Fahrgäste bzw. dem Lokführer.

Arcon hat geschrieben:Das sind Menschen, mit denen man Mitleid haben sollte.

Thaddäus hat geschrieben:Ein wenig mehr Mitgefühl, etwas weniger Egoismus und ab und zu ein bißchen "warum?", dann wären manche vielleicht nicht so verzweifelt, daß sie keinen Ausweg mehr sehen. Ich jedenfalls hätte in so einem Fall andere Sorgen als die, daß mein Einkaufsbummel verschoben werden muß, wenn gerade über andere Menschen eine solche Katastrophe hereingebrochen ist. Vielleicht bleiben Kinder zurück, Eltern, eine Ehefrau. Mit Sicherheit aber trauernde Freunde.

Chrissinger hat geschrieben:Ausserdem sollte man da auch bissel mehr Mitgefühl zeigen...

tournesol hat geschrieben:Ich wollte in erster Linie zeigen, dass das Leben eines Menschen vielleicht doch etwas über anderen Sachen steht, auch wenn man diesen Menschen nicht kennt.

Little Sister hat geschrieben:Aber ich denke es ist auch wichtig, dass man einfach auch mal versucht, andere Ansichten zu überdenken. Auch mal nachzuvollziehen, wie sich ein Mensch mit Suizidgedanken fühlt.

ElfriedePueschel hat geschrieben:Von daher sollte man mit Äußerungen, wie du sie machst, wohl sehr vorsichtig sein. Denn da gab es einen Menschen, der mit Kummer belastet war und der wohl Menschen hinterlassen hat, die es nun sind. Da sollte ein verpasster Zug egal sein.


Der Grundtenor dieser ganzen Aussagen ist ja, dass man doch bitte ein bisschen mehr an seine Mitmenschen denken sollte, am besten angemessen mitleiden und nicht nur mitfühlen sollte - das ist übrigens ein riesiger Unterschied. Mitgefühl ist okay, Mitleid ist oftmals schon problematisch - meiner Meinung nach. Das ist aber eine ganz andere Diskussion. Ganz ehrlich? Für mich ist das Heuchelei. All diejenigen, die nun ganz laut nach mehr Mitgefühl gerufen haben, möchte ich mal fragen, ob sie auch Mitgefühl mit all den Millionen von Menschen haben, die tagtäglich unschuldig (und das ist ein Unterschied zur aktuellen Situation) sterben müssen - zum Beispiel in den vielen Krisengebieten dieser Welt. Habt ihr tagtäglich Mitleid? Falls ja, müsstet ihr aus dem Leiden ja gar nicht mehr herauskommen? Was ist mit den ganzen Leuten, die sich nicht umbringen wegen irgendwelcher Luxusprobleme, die es wirklich fast nur in Industrienationen gibt, sondern die ermordet werden, verhungern oder sich zu Tode schuften? So etwas ist wohl weitaus tragischer als der selbst gewählte Tod eines Bürgers in unserem Land - aber die anderen Dinge passieren ja nicht vor der eigenen Haustür und so kann man sie bequem wegschieben - geht uns ja alles nichts an. Trotz dieses Wissens können wir doch alle noch prima gutgelaunt morgens aufstehen und uns voller Elan an unseren Designerküchentisch setzen, für dessen Preis man eine ganze Menge Menschen vor dem Tod hätte bewahren können - in der Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Dieses künstliche Getrauere um fremde Menschen wirkt auf mich immer ein wenig wie Heuchelei - das ist so wie letztes Jahr als viele Leute zum Unglücksort der Love-Parade pilgerten, obwohl sie nichts damit zu tun hatten und de facto wahrscheinlich einfach nur mal ein bisschen gucken wollten.

Little Sister hat geschrieben:Hast du nur einen Hauch von der Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn man Suizidgedanken hat?


Ja weiß ich. Und ich lebe - und das wohl auch noch so lange, bis ich eines natürlichen Todes sterbe oder einen Unfall habe. Das kann man nicht planen, aber ich bin mir (aktuell) sicher, dass ich mich nicht umbringen werde. Im Falle einer wirklich schlimmen Erkrankung würde ich vielleicht nachhelfen. Ansonsten gibt es immer eine Lösung. Das habe ich für mich selbst herausgefunden - im Laufe einiger Zeit und auch ohne Therapie. Das wiederum ist aber sicher auch nicht jedermanns Sache. Übrigens: mein Favorit wäre wohl eine Brücke gewesen - ohne Autobahn darunter.

Little Sister hat geschrieben:Die Möglichkeiten sprechenden Menschen in Deutschland zu helfen ist sehr begrenzt. Mal aus dem Erfahrungsumfeld aus meinem Umkreis. Gute Bekannte, der die Aufnahme in einer Klinik verweigert wird. Die Gründe sind mir bekannt. Ich verstehe sie trotzdem nicht. Problem an der Sache, im Bereich Psychiatrie gibt es Einzugsgebiete und wenn sie in eine Klinik muss/will, dann in diese. Zumindest was eine Akutklinik betrifft. Mir sind zwar noch Möglichkeiten eingefallen, wie sie trotzdem in der Klinik zu einer stationären Aufnahme kommen könnte. Sie sagt, mit Recht, sie will in keine Klinik die sie nicht will.

Andere Bekannte versucht längere Zeit verzweifelt bei der Telefonseelsorge anzurufen. Stundenlang besetzt. Klar kann das mal passieren und so weiter. Aber damit ist dem Mensch nicht geholfen. Und wer von euch, der hier laut tönt, würde ehrenamtlich und oftmals auch kostenlos an solch einem Telefon arbeiten wollen? Die Chancen weitere Todesfälle zu vermeiden sind gegeben.

Weitere Bekannte, die während eines Klinikaufenthaltes mehrfach sagt, dass es ihr nicht gut geht. Suizidversuch noch während des Klinikaufenthalts. Sie wird zwar dann länger in der Klinik behalten, aber wirkliche Hilfe findet sie keine. Endstation Rente und das mit gerade mal 30 Jahren.

Sexuelle Belästigung durch die Pflege psychiatrischen Einrichtungen. Ähnliches auch unter den Patienten. Die Frauen haben zu Recht Angst was zu sagen. Wenn sie was sagen, werden sie abgeschoben oder man nimmt sie nicht ernst.

Selbst bei chronische Suizidalität gibt es, je nach Therapieform maximal 80 Therapiestunden. Mit einem Termin pro Woche, sind das keine zwei Jahre. Krisensituationen sind aber mit 1 Stunde pro Woche nicht abgedeckt. Ärztliche Anbindung, wenn man Glück hat, zwei bis drei Termine pro Quartal. Auch hier sind Krisensituationen nicht abgedeckt. Ich selbst bin schon weg geschickt worden.


Ah ja. Man muss den Menschen auch schon ein bisschen Eigenverantwortung zusprechen. Als es mir nach einer Trennung richtig dreckig ging, konnte ich sofort in die Klinik gehen - in der gleichen Nacht. Ich habe das alles letztendlich dann doch mit mir selbst ausgemacht, aber es hätte Hilfe gegeben - an mehr als einer Stelle. Ich weiß, dass manche Leute es nicht so leicht haben, adäquate Hilfe zu finden. Das liegt aber nicht ausnahmslos daran, dass es keine Angebote gibt. Es gibt schon recht viel, man muss aber auch bereit sein, diese anzunehmen. Ehrlich gesagt scheitert es bei vielen daran - auch das kenne ich aus meinem persönlichen Umfeld. Dass die Telefonseelsorge nicht erreichbar ist, ist wohl kein Dauerzustand, so wie es auch nicht Alltag in den Kliniken ist, dass die Patienten dort belästigt werden. Es ist schade, dass du oder Bekannte von dir solche Erfahrungen machen musstest/mussten, allerdings wäre ich vorsichtig mit solchen Argumenten. In der Regel wird den Menschen dort wirklich geholfen. 80 Stunden sind übrigens besser als nichts. Zudem gibt es Kriseninterventionseinrichtungen. Wenn du dort schon weggeschickt wurdest, wäre die ganze Geschichte interessant.

tournesol hat geschrieben:Ärgerst du dich dann vielleicht auch, wenn eine Sendung im Fernsehen ausfällt, weil es irgendeine Spezialsendung über irgendwelche Katastrophen gibt?


Nun musste ich über diesen seltsamen Vergleich aber wirklich mal schmunzeln. Aber ich will dir eine Antwort geben: da mich hohle Fernsehsendungen nicht interessieren, würden mich Katastrophenberichte wohl eher interessieren. Im regulären Fernsehprogramm schaue ich fast ausschließlich Nachrichten, Politmagazine und Reportagen.

Pepsi-light hat geschrieben:Die Bahn hat doch eh ständig Verspätungen und Ausfälle und ich finde diese zwar generell ärgerlich, aber großartig stören tut es mich nicht. Wenn ich wichtige Termine habe, wie beispielsweise in der Uni, plane ich immer so viel Zeit ein, dass ich auch bei so einem Zwischenfall noch rechtzeitig hinkomme und habe auch immer eine Alternative parat, beispielsweise die Nummer einer Taxi-Zentrale. Deswegen hättest du bei deiner Vorlesung vielleicht einfach besser planen müssen.


Das ist ein schlauer Tipp, vor allem wenn man in der Bahn sitzt und auf freier Strecke zwischen zwei Kuhdörfern auch nicht aussteigen kann. Und nun? Planung dahin.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Little Sister, ob deine Bekannte nun Recht hat, wenn es ihr sehr schlecht geht und sie beharrt auf einer bestimmten Klinik, kann ich nicht beurteilen. Es ist natürlich sehr großes Pech, wenn die Telefonseelsorge laufend besetzt ist. Was da zu tun ist, ich weiß nicht, vielleicht einen Seelsorger anrufen.

Problem an der Sache sind, in die Psychiatrie muss man nach Einzugsgebiet. Und da ist nun mal diese Klinik zuständig.

aber ich finde 80 Therapiestunden sind eine Menge. Gibt es keine Therapie in nicht ambulanter Behandlung?

Die 80 Stunden sind ambulant. In stationärer Behandlung wird das unterschiedlich gehandhabt. Teilweise ist das ein Gespräch pro Woche. Bei einem Aufenthalt von vier Wochen also vier Gespräche. Was nicht wirklich viel ist.

Und im ambulanten Bereich sind es offiziell 60 Stunden a 50 Minuten. Zumindest in der Verhaltenstherapie. Das sind bei einer wöchentlichen Sitzung dann etwa 60 Wochen. Die restlichen 20 Stunden sind eine Sonderregelung. Somit wären wir bei 80 Stunden und etwa 80 Wochen. Und das mag nun viel klingen, ist es aber nicht. Erstmal ist ein Gespräch pro Woche oft schon nicht viel. Und wenn man eine Erkrankung hat, zu der Suizidalität dazu gehört, sind die Probleme auch nicht in der Zeit behoben.

Übrigens, wenn man die richtigen Tabletten und genügend davon nimmt, müßte ein Selbstmord klappen, wieso nicht sicher? Jeder tut seinen Senf dazu, teilweise völlig unqualifiziert.

In den meisten Medikamenten, wie halt Schlafmitteln, ist ein Schutz drin. Und die Gefahr das man überlebt ist halt gegeben. Und dann wahrscheinlich noch mit körperlichen Schäden. Mir würden da bessere Varianten einfallen.

@ Cologneboy2009
Vielleicht ist es doppelmoralisch, wenn mich erst mal Menschen oder Schicksale im eigenen Land interessieren. Ich für meinen Teil kann es nicht verstehen, warum man Geld spendet an Kinder in der dritten Welt mit der Begründung die armen Kinder und hier vor der Haustür sitzen genauso viele arme Kinder.

Ich erwarte auch kein Mitleid für Menschen die sich selbst das Leben genommen haben. Aber ein bisschen Respekt vor dem Tod. Egal in welcher Form. Hättest du auch so reagiert, wenn der Zugführer einen Herzanfall gehabt hätte? Hättest du dann auch auf den Zugführer geschimpft?

Ich denke man kann sich ruhig auch mal damit auseinandersetzen, warum etwas passiert. Und ich wollte mit meinen Worten aufzeigen, dass es nicht so einfach ist, wie es zu sein scheint. Und ja mir ist auch die Aufnahme in einer Krisensituation schon mehr oder weniger verweigert worden. Beziehungsweise wurde gefordert das ich brav sage mir geht es gut, damit man sich mit mir nicht mehr abgeben muss. Oder eine Ärztin in der Notaufnahme die mir klar sagte, dass sie lieber Fernsehen würde, als sich mit mir abzugeben. Ein normales Aufnahmegesuchen dauert hier bis zu vier Wochen. Je nachdem wie die Klinik belegt ist. Allerdings spreche ich hier von den offenen Stationen, das gebe ich zu. Die Aufnahme auf eine geschlossene Station kann, mit den richtigen Worten, schneller gehen.

Ich stehe dem, was ich das System nenne, ein wenig kritisch gegenüber, gebe ich zu. Resultierend aus meinen Erfahrungen. Ich für mich kann zur Zeit nur sagen, in dem System ist für Menschen wie mich zur Zeit kein Platz. Eben weil so viel gekürzt wird und die Versorgung die ich bräuchte nicht möglich ist. Trotzdem halt ich die Psychiatrie nicht für schlecht. Aber es wird immer Menschen wie mich geben, die durch das Raster fallen. Nur sieht das keiner. Vielleicht sehe ich auch nur die negativen Aspekte. Vielleicht wirken die auch einfach mehr auf einen ein. Die Sachen die ich geschildert habe, beziehen sich aber nicht nur auf die Sachen die mir passiert sind.

Ihr schreibt immer wieder von schlimmen Erkrankungen, bei denen ihr nachhelfen würdet. Unheilbare Erkrankungen. Mir fallen da im psychischen Bereich auch welche ein. Da ist es dann aber nicht legitim nach zu helfen?

Und noch mal meine Frage: Müsste nicht auch die Bahn in der Lage sein, Alternativen anzubieten? Zum Beispiel Schienenersatzverkehr? Statt dem Mensch könnte ja auch ein Baum auf die Gleise gefallen sein.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


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